Entscheidungsstichwort (Thema)

Seefrachtrecht: Pflicht eines Verfrachters zur Ausstellung eines Konnossements nach Untergang des Gutes; Zurechnung von Angaben in einem Fremdkonnossement; Erhöhung der Haftungssumme; Entlastungsobliegenheit des Verfrachters

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 19.04.2016, Az. 411 HKO 99/14, wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussberufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 19.04.2016, Az. 411 HKO 99/14, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 4.577,38 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.06.2014 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Anschlussberufung wird zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen haben die Klägerin 85 % und die Beklagte 15 % zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Jede Partei kann die Vollstreckung der anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 30.297,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist Ladungsversicherer der I. GmbH, Pirmasens (künftig: Versicherungsnehmerin). Sie nimmt die Beklagte nach Regulierung eines Transportschadens aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin auf Schadensersatz in Anspruch.

Die Versicherungsnehmerin hatte von der Firma T. Co. Ltd., Taiwan, eine Partie elektronische Bauteile FOB Hongkong gekauft (Handelsrechnungen vom 27.05.2013 / Anl. K 1). Die Versicherungsnehmerin beauftragte die Beklagte, ein Speditionsunternehmen, zu festen Kosten mit der Besorgung des Transports ab Hongkong per Seeschiff zum Löschhafen Hamburg und anschließendem Weitertransport auf der Straße zur Versicherungsnehmerin nach Pirmasens (vgl. Frachtrechnung der Beklagten vom 25.04.2014 / Anl. K 7).

Die Beklagte gab den Auftrag zum Seetransport Hongkong - Hamburg an die Firma K. Logistics Co. Ltd., Hongkong, weiter (künftig: K.). Die Sendung wurde am 04.06.2013 in Hongkong an Bord des Containerschiffs MV "M." übernommen. Die K. stellte darüber am 04.06.2013 ein Konnossement Nr. HKGHAM1305005 aus (Anl. K 2). In der Rubrik "No. of Pkgs. or Shipping Units" heißt es dort "6 PALLETS", in der Rubrik "Description of Goods & Pkgs." heißt es "S.T.C. OF 199 CTNS OF Varistor/Thernistor..." und das "Gross Weight" wird angegeben mit "1762.00 KGS" (Anl. K 2).

Nach einem Zwischenaufenthalt im Hafen Singapur brach das MV "M." am 17.06.2013 in der Arabischen See auseinander. Das Achterschiff sank am 27.06.2013 und das Vorschiff am 10.07.2013. Die gesamte Ladung ging verloren.

Die Klägerin zahlte an ihre Versicherungsnehmerin eine Entschädigung von EUR 30.279,00 (Anl. K 4).

Die Klägerin begehrt die Ausstellung eines Konnossement durch die Beklagte (Klagantrag zu 1). Zur Begründung hat sie in der ersten Instanz angeführt, der Antrag rechtfertige sich unter dem Gesichtspunkt, dass es im Hinblick auf die Bemessung der Höchsthaftung nach § 504 Abs. 1 HGB sowie darauf, welche Gegenstände als die maßgeblichen Stücke anzusehen seien, eine Rolle spiele, ob ein Frachtdokument ausgestellt worden sei. Ihr gehe es insoweit lediglich um die Bemessung der Höchsthaftung. Sie wolle so gestellt werden, als ob ein Konnossement ausgestellt worden wäre.

Ausgehend von der Kilogramm-Alternative gem. § 504 Abs. 1 S. 1 HGB errechne sich ein Betrag von 3.524 SZR (1.762 kg × 2 SZR). Stelle man auf die sechs zur Beförderung übernommenen Paletten ab, führe die Packungs-Alternative zu einem Betrag von 4.000,02 SZR (6 × 666,67 SZR). Richtigerweise bemesse sich die Packungs-Alternative allerdings anhand der 199 Kartons, die auf den insgesamt sechs Paletten gestaut gewesen seien. Hieraus ergebe sich ein Höchstbetrag von 132.667,33 SZR (199 × 6666,67 SZR). Angesichts der mit dem Klagantrag zu 2) verlangten Zahlung von EUR 30.297,00 würde die Höchsthaftung im letzteren Falle keine Rolle mehr spielen. Bliebe es hingegen bei der Bemessung des Packungs-Höchstbetrages anhand der sechs Paletten, würde dies zu einer dramatischen Reduzierung der Haftung der Beklagten führen.

Nach der Containerklausel des § 504 Abs. 1 S. 2 und 3 HGB komme es für die Frage nach dem maßgeblichen Stück auf die Angaben in einem Beförderungsdokument an, also in einem Konnossement oder in einem Seefrachtbrief. Gemeint sei damit gerade das vom Verfrachter, hier der Beklagten, ausgestellte Beförderungsdokument. Allerdings habe die Beklagte kein Beförderungsdokument ausgestellt. Es gebe lediglich das Konnossement des von der Beklagten für die Beförderung eingeschalteten Unterverfrachters K. (Anl. K 2).

Die Beklagte sei weiterhin gem. § 514 HGB zur Ausstellung eines Konnossement verpflichtet, da sie das Gut als V...

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