Entscheidungsstichwort (Thema)

Bürgschaft für Verbindlichkeiten aus Mietvertrag

 

Normenkette

BGB §§ 232, 307, 551, 768, 770

 

Verfahrensgang

LG Wiesbaden (Urteil vom 14.03.2016; Aktenzeichen 9 O 276/15)

BGH (Aktenzeichen XI ZR 212/17)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerinnen wird das am 14.3.2016 verkündete Urteil des LG Wiesbaden - 9 O 276/15 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen 128.391,62 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 32.097,91 EUR seit dem 05.4.2015, 05.5.2015 und 05.8.2015 sowie aus 32.097,98 EUR seit dem 05.6.2015 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits - und zwar beide Rechtszüge - zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerinnen Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

 

Gründe

I. Die Klägerinnen nehmen als Vermieter die Beklagte aus der von dieser übernommenen Bürgschaft auf Zahlung in Anspruch.

Die Klägerinnen als Vermieter und die A GmbH als Mieter schlossen unter dem 28.3.2014/31.3.2014 einen Mietvertrag über Büroräume auf dem Grundstück B Platz in Stadt1. Wegen des genauen Inhalts des Vertrages wird auf die Anlage K 2 Bezug genommen. Die Beklagte übernahm unter dem 13.5.2014 eine Bürgschaft über die Verbindlichkeiten der Mieterin. Das Mietverhältnis war durch fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3a BGB beendet worden. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind die Mieten für die Monate April, Mai, Juni und Juli 2015 von jeweils 32.097,91 EUR; das entspricht der Hauptforderung von 128.391,64 EUR. Die Beklagte wurde mit Schreiben vom 13.8.2015 (Anlage K3) vergeblich zur Zahlung dieses Betrages aufgefordert.

Die Klägerinnen haben die Auffassung vertreten, dass die Bürgschaftsforderung rechtswirksam begründet worden sei.

Sie haben - im Urkundenprozess klagend - beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 128.391,62 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 32.097,91 EUR seit dem 05.8.2015, 05.4.2015 und 05.5.2015 sowie aus 32.097,89 EUR seit dem 05.6.2015 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat Wirksamkeit des Mietvertrages, die Überlassung der Mietsache und den behaupteten Mietrückstand bestritten und die Auffassung vertreten, dass die zwischen den Mietparteien getroffene Sicherungsabrede jedenfalls unwirksam sei, so dass sie sich auf § 821 BGB berufen könne. Die Unwirksamkeit folge daraus, dass im Zusammenhang mit dem Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit keine Ausnahme für rechtskräftig festgestellte und unstreitige Forderungen vorgesehen worden sei, was zu einer unangemessenen Benachteiligung führe. Entsprechendes gelte auch für den klauselmäßig geforderten Verzicht auf die Hinterlegung und die Einrede der Anfechtbarkeit.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das LG im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Klägerinnen gemäß §§ 768, 821 BGB die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung entgegenhalten lassen müssten, da die Klausel in § 8 Nr. 2 des Mietvertrages gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB unwirksam sei. Denn der Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit sei dort ausnahmslos gefordert, eine Ausnahme für rechtskräftig festgestellte oder anerkannte Forderungen nicht enthalten. Selbst bei Anwendung des blue-pencil-Tests auf die Regelungen in § 8 Nr. 2 Abs. 2 und 4 des Mietvertrages entfielen diese Absätze nicht vollständig, wodurch auch das Recht der Gegenseite entfiele, von der Mieterin als Hauptschuldnerin eine selbstschuldnerische Bürgschaft gemäß den Mustern in Anlage 9 zu fordern.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und die Entscheidungsgründe wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 99 - 103 d.A.) Bezug genommen.

Gegen das ihnen am 17.3.2016 zugestellte Urteil haben die Klägerinnen mit einer am 06.4.2016 bei Gericht eingegangenen Schrift Berufung eingelegt, die mit einer am 17.5.2016 bei Gericht eingegangenen Schrift begründet worden ist.

Die Klägerinnen rügen Rechtsfehler und sind der Auffassung, die Bezugnahme auf Anlage 9 des Mietvertrages in § 8 Nr. 2 Abs. 3 des Mietvertrages genüge, weil dort ausdrücklich auf die Ausnahme hingewiesen werde, dass die Gegenforderung des Hauptschuldners nicht unbestritten oder rechtskräftig festgestellt worden ist. Es fehle deshalb an einer unangemessenen Benachteiligung des Mieters oder der Bürgin. Selbst bei unterstelltem Verstoß gegen § 307 Abs. 1 und 2 BGB könne nicht von einer Unwirksamkeit der gesamten Regelung ausgegangen werden, da - wie auch das Kammergericht Berlin in MDR 2006, 1158 [KG Berlin 09.01.2006 - 8 U 86/05] entschieden habe - keine Gesamtnichtigkeit anzunehmen sei, weil der als wirksam anzusehende Teil im Gesamtgefüge des Vertrages durchaus sinnvoll bleibe.

Die Klägerinne...

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