Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Geschäftsführers für Geschäftsmodell

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist ein Geschäftsführer aufgrund interner Aufgabenverteilung nicht für den Abschluss von "Kaufverträgen" zuständig, lässt dies seine Verantwortlichkeit hierfür dann nicht entfallen, wenn diese Tätigkeit Teil des Geschäftsmodells der Gesellschaft ist.

2. Der notwendige konkrete Bezug einer Blankovollmacht ergibt sich aus der Einreichung im betreffenden Verfahren.

3. Ein generelles Recht der Parteien auf Abhören der vorläufigen Tonträgeraufzeichnung ist in der ZPO nicht vorgesehen; es bedarf eines berechtigten Interesses.

 

Normenkette

BGB § 823; KWG §§ 32, 54; StGB § 14; ZPO §§ 80, 160a, 164

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 23.03.2016; Aktenzeichen 2-17 O 315/14)

 

Tenor

Die Zurücknahme der Berufung des Klägers und die Zurücknahme seiner Anschlussberufung gegen das Urteil des LG Frankfurt am Main vom 23.3.2016 (Az.: 2-17 O 315/14) haben den Verlust des jeweils eingelegten Rechtsmittels zur Folge.

Die Berufung des Beklagten zu 2) gegen das Urteil des LG Frankfurt am Main vom 23.3.2016 (Az.: 2-17 O 315/14) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens sind wie folgt aufzuerlegen:

Von den Gerichtskosten haben der Kläger 53 % und der Beklagte zu 2) 47 % zu tragen. Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) zu 100 % und von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) 12 % zu tragen. Der Beklagte zu 2) hat von den außergerichtlichen Kosten des Klägers 88 % zu tragen. Im Übrigen tragen der Kläger und der Beklagte zu 2) ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.580,32 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger hat von den Beklagten zu 1) und 2) wegen unerlaubter Handlung vor allem Schadensersatz in Höhe des von der A1 ... GmbH (ehemals firmierend unter: A2 ... GmbH; im Folgenden A GmbH) aus der ihr übertragenen Lebensversicherung vereinnahmten Rückkaufwertes von 6.580,32 EUR zzgl. Zinsen verlangt.

Der Beklagte zu 2) war in dem hier maßgeblichen Zeitraum Geschäftsführer der A GmbH, die über keine Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (kurz: BaFin) nach dem KWG verfügte. Am 27.1.2010 verkaufte der Kläger seine Lebensversicherung bei der B-Gruppe an die A GmbH und trat alle seine Rechte sowie Ansprüche aus der Lebensversicherung an die GmbH ab. Ausgehend von dem damals angenommenen Rückkaufswert wurde ein um das Doppelte höherer Kaufpreis vereinbart, der als Gesamtsumme nach acht Jahren ausgezahlt werden sollte (Anlage K1, Bl. 8 ff.). Mit "Nachtrag zum Kaufvertrag" (Nr. 10) vom 15.4.2010 teilte der Beklagte zu 2) dem Kläger mit, dass (nur) ein Rückkaufswert von 6.580,32 EUR hatte erzielt werden können, so dass der Preis auf 13.160,64 EUR angepasst wurde (Anlage K2, Bl. 11). Seit dem 17.6.2010 ist der Beklagte zu 1) im Handelsregister als Geschäftsführer der A GmbH eingetragen.

Wegen des Verdachts betrügerischen Handelns wurden die Beklagten zu 1) und 2) im Februar 2013 festgenommen. Seitdem befinden sie sich in Untersuchungshaft. In dem gegen sie gerichteten Strafverfahren vor dem LG Stadt1 mit Az.: 100 wird seit September 2015 verhandelt. Über das Vermögen der A GmbH hat das AG Stadt1 (Az.: 200) mit Beschluss vom 14.4.2015 zunächst die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet und mit Beschluss vom 27.8.2015 sodann das Insolvenzverfahren eröffnet.

Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagten zu 1) und 2) seien Initiatoren und Gründer verschiedener Unternehmen der sog. A-Gruppe, zu der auch die A GmbH gehöre. Das Geschäftsmodell dieser GmbH, Lebensversicherungen anzukaufen, sei ein in betrügerischer Absicht betriebenes Schneeballsystem gewesen. Im Übrigen handele es sich hierbei aufgrund der Stundung des Kaufpreises um ein erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft nach dem KWG, so dass ihre Geschäftsführer schadensersatzpflichtig seien. Hätte er (der Kläger) gewusst, dass die A GmbH unter Verstoß gegen das KWG handelte, hätte er das Geschäft nicht abgeschlossen.

Nachdem der Beklagte zu 1) im schriftlichen Vorverfahren seine Verteidigung nicht rechtzeitig angezeigt hatte, hat das LG mit Teilversäumnisurteil, beglaubigt am 24.3.2015, dem Beklagten zu 1) zugestellt am 27.7.2015, diesen antragsgemäß verurteilt. Dagegen hat er mit Schriftsatz vom selben Tag Einspruch eingelegt.

Auf die Rüge der Beklagten zu 1) und 2) in der mündlichen Verhandlung vor dem LG am 27.1.2016 hat Rechtsanwalt C von der Kanzlei D & Kollegen eine von dem Kläger unterzeichnete Vollmacht für die "Rechtsanwälte ... D & Kollegen" im Original vorgelegt und die Betreffzeile mit "E ./. A" ausgefüllt (Bl. 213).

Der Kläger hat beantragt, unter Aufrechterhaltung des Teilversäumnisurteils gegen den Beklagen zu 1) die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 6.580,32 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu ...

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