Leitsatz (amtlich)

1. Entstehen Gerichtskosten nach der Anzeige der Masse-Unzulänglichkeit durch den Insolvenzverwalter, so können diese nicht ggü. der Masse angesetzt und vollstreckt werden, wenn der Insolvenzverwalter darlegt und ausreichend nachweist, dass die verfügbare Insolvenzmasse nicht zur vollen Befriedigung aller Neumassegläubiger ausreicht. Dies folgt nicht aus dem Vollstreckungsverbot nach § 210 InsO, sondern aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger im Insolvenzverfahren.

2. Der Rechtsprechung des BGH zum Erkenntnisverfahren (NJW 2003, 2456) folgend ist auf die Erinnerung die Kostenrechnung aufzuheben und die Gerichtskostenschuld der Insolvenzmasse lediglich festzustellen (so auch LAG Thür. v. 7.11.2002 - 1 Sa 43/02, LAGReport 2003, 213).

 

Normenkette

InsO §§ 208-210

 

Verfahrensgang

LG Gießen (Aktenzeichen 8 O 68/04)

 

Tenor

Auf die Erinnerung des Klägers wird der Kostenansatz des OLG Frankfurt vom 9.2.2006 - Rechnung Kassenzeichen ... - aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass eine Kostenschuld des Klägers i.H.v. 28.112 EUR ggü. der Gerichtskasse besteht.

 

Gründe

I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter. Er hat gegen die Beklagten zu 1) bis 3) Klage erhoben und gegen das klageabweisende Urteil des LG Gießen form-und fristgerecht Berufung eingelegt. Nach Begründung der Berufung hat er die Berufung gegen den Beklagten zu 1) zurückgenommen. Mit den Beklagten zu 2und 3) hat er eine vergleichsweise Regelung getroffen. Das OLG hat unter dem 9.2.2006 gemäß KV Nr. 1222 Nr. 1 die Gerichtskosten berechnet und durch Verfügung vom 21.3.2006 (Bl. 458 d.A.) festgestellt, dass die Kostenrechnung vom 9.2.2006 auch für die Gebühr nach Vergleichsschluss gemäß KV Nr. 1222 Nr. 3 gilt, da diese identisch ist. Der Kläger hat die bereits zuvor gegen den Kostenansatz erhobene Erinnerung aufrechterhalten und beruft sich darauf, dass er bereits unter dem 6.5.2002 die drohende Masseunzulänglichkeit gem. § 208 Abs. 1 Satz 2 InsO angezeigt und diese unter dem 23.3.2006 ggü. dem Insolvenzgericht wiederholt habe. Die vorhandene Insolvenzmasse reiche zur Befriedigung der Gerichtskasse als Neumassegläubiger nicht aus. Selbst unter Berücksichtigung der Vergleichssumme im vorliegenden Rechtsstreit seien die Massekosten, insb. die Gesamtvergütung des Insolvenzverwalters nicht in vollem Umfang gedeckt. Es stünden noch Forderungen aus, die zum Teil gerichtlich und außergerichtlich beigetrieben würden. Ob diese in einem Umfang von 153.941 EUR zur Befriedigung restlicher Neugläubigerforderungen ganz oder teilweise herangezogen werden könnten, sei bisher offen. Der Kläger hat im Einzelnen dargelegt und auch durch Kontoumsätze und Aktenvermerkte dargelegt, dass eine Masseunzulänglichkeit auch hinsichtlich der Neumassegläubiger besteht und die Höhe einer Quote bisher nicht angegeben werden kann.

Das OLG (Kostenbeamtin) hat der Erinnerung nicht abgeholfen und sie dem Bezirksrevisor vorgelegt. Dieser hat dahingehend Stellung genommen, dass ein Vollstreckungsverbot gem. § 210 InsO nicht vorliege, da es sich bei den angesetzten Gerichtskosten um Masseverbindlichkeiten handele, die nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden seien. Die angesetzten Gerichtskosten seien bereits am 18.5.2005 mit der Einlegung der Berufung fällig geworden. Durch die teilweise Berufungsrücknahme und den Vergleichsabschluss sei lediglich eine Ermäßigung eingetreten. An der Fälligkeit der Kosten ändere sich nichts. Die Wirkung des § 210 InsO werde gem. § 208 InsO bereits durch die Anzeige der voraussichtlichen Masseunzulänglichkeit ausgelöst, so dass die Anzeige der tatsächlichen Masseunzulänglichkeit dem gleichstehe. Die Gerichtskostenschuld gehöre also zu den Neumasseverbindlichkeiten, die nicht unter das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO fielen.

II. Die Erinnerung ist das statthafte Rechtsmittel, sie ist auch im Übrigen zulässig. Einwendungen gegen die Beitreibung der Gerichtskosten sind gem. § 8 Justizbeitreibungsordnung vom Schuldner gerichtlich nach den Vorschriften über die Erinnerungen gegen den Kostenansatz geltend zu machen. Das Verfahren richtet sich folglich nach § 66 GKG. Danach entscheidet über die Erinnerung das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind, über die für das Berufungsverfahren anzusetzenden Kosten folglich das Berufungsgericht.

Die mit der Erinnerung geltend gemachten Einwendungen gegen den Kostenansatz sind begründet.

Dem Bezirksrevisor ist zwar zuzustimmen, dass die Gerichtskosten zu den Masseverbindlichkeiten gem. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO gehören. Als solche werden sie vom Vollstreckungsverbot des § 210 InsO nicht erfasst. Es kommt vorliegend auch nicht darauf an, dass der Kläger eine erneute Masseunzulänglichkeitsanzeige abgegeben hat. Wie das OLG Frankfurt im Beschluss vom 25.11.2003 (25 W 60/03) ausführlich dargelegt hat, kennt das Gesetz nur die Unterscheidung zwischen alten Masseverbindlichkeiten und Neumasseverbindlichkeiten i.S.d. § 209 InsO, wobei lediglich die Neumasseverbindlichkeiten gem. § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO vo...

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