Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen nach richterlichem Hinweis

 

Leitsatz (amtlich)

Die nachträgliche Beschränkung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid auf die Rechtsfolgen ist auch nach richterlichem Hinweis auf möglicherweise vorsätzliches Handeln wirksam.

 

Verfahrensgang

AG Friedberg (Hessen) (Entscheidung vom 21.07.2022; Aktenzeichen 45a OWi - 901 Js 2771/22)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Friedberg (Hessen) - Richterin in Bußgeldsachen - vom 21. Juli 2022 aufgehoben.

Die Betroffene wird wegen der in dem Bußgeldbescheid des Regierungspräsidiums Stadt1 vom 30. November 2021 rechtskräftig festgestellten fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 65 km/h zu einer Geldbuße von 440 Euro verurteilt.

Ihr wird für die Dauer von zwei Monaten verboten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen.

Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein der Betroffenen in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch nach Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat die Betroffene zu tragen; jedoch wird die Gebühr auf die Hälfte ermäßigt. Die der Betroffenen im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen hat sie zur Hälfte zu tragen; im Übrigen fallen sie der Staatskasse zur Last.

 

Gründe

Das Regierungspräsidium Stadt1 hat mit Bußgeldbescheid vom 30. November 2021 gegen die Betroffene wegen (fahrlässigen) Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 65 km/h eine Geldbuße von 440 Euro festgesetzt und ein Fahrverbot von zwei Monaten mit der Maßgabe des § 25 Abs. 2a StVG angeordnet. Dagegen hat die Betroffene rechtzeitig Einspruch eingelegt. Das Amtsgericht hat die Betroffene mit Schreiben vom 31. Januar 2022 (unter anderem) darauf hingewiesen, dass auch eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung in Betracht kommt. Dabei hat es auch auf die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main vom 23. März 2016 - 2 Ss-OWi 52/16 hingewiesen, nach der eine Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen nicht mehr zulässig sei (Bl. 37 d.A.). Mit Schriftsatz ihres Verteidigers vom 19. Juli 2022 hat die Betroffene den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid auf die Rechtsfolgen beschränkt. Das Amtsgericht hat die Betroffene dennoch mit Urteil vom 21. Juli 2022 wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 880 Euro verurteilt sowie ein Fahrverbot von drei Monaten mit der Maßgabe des § 25 Abs. 2a StVG gegen sie verhängt. Unter Hinweis auf die oben genannte Entscheidung des OLG Frankfurt am Main ist es davon ausgegangen, dass die Beschränkung des Einspruchs nicht wirksam sei.

Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Betroffenen, mit der sie der Sache nach die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Die Einzelrichterin hat die Sache mit Beschluss vom 17. November 2022 gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1 OWiG zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache überwiegend Erfolg. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts war die Beschränkung des Einspruchs wirksam, so dass das Amtsgericht an der Änderung des Schuldspruchs gehindert war und nur noch über die Rechtsfolgen auf der Grundlage des rechtskräftig festgestellten fahrlässigen Geschwindigkeitsverstoßes zu entscheiden hatte. Dies hatte der Senat auf die erhobene Sachrüge hin von Amts wegen zu überprüfen.

Die in der Beschränkung des Einspruchs liegende Teilrücknahme ist wirksam. Aus dem Schriftsatz vom 19. Juli 2022 ergibt sich, dass der Verteidiger hierzu von der Betroffenen hinreichend im Sinne des § 302 Abs. 2 StPO (i.V.m. § 46 OWiG) ermächtigt war. Darin wird nämlich „namens und in Vollmacht der Betroffenen“ erklärt, „dass die Rechtmäßigkeit der vorgenommenen Geschwindigkeitsmessung nicht mehr diskussionswürdig“ und die Messung „nachweislich nicht fehlerhaft“ sei; aus diesem Grund sei der ursprünglich unbeschränkt eingelegte Einspruch nunmehr „auf die Rechtsfolge des Fahrverbotes“ zu beschränken.

Aufgrund der Wechselwirkung zwischen Geldbuße und Fahrverbot war allerdings die weitere Beschränkung innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs nur auf die Rechtsfolge des Fahrverbots nicht wirksam, so dass über die Rechtsfolgen der rechtskräftig festgestellten fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung insgesamt zu entscheiden war.

Die von dem Amtsgericht zitierte und zutreffend wiedergegebene Entscheidung eines Einzelrichters des damals einzigen Bußgeldsenats des OLG Frankfurt am Main vom 23. März 2016 - 2 Ss-OWi 52/16 steht der Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen nicht entgegen. In ihrem tragenden Teil ist diese Entscheidung nämlich bereits nicht einschlägig. Nach den dortigen Feststellungen war...

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