Entscheidungsstichwort (Thema)

Befugnis des persönlich haftenden KGaA-Gesellschafters zur Antragstellung nach § 104 Abs. 1 Satz 2 AktG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der persönlich haftende Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien ist im Gegensatz zur Gesellschaft selbst zur Antragstellung nach § 104 Abs. 1 und 2 AktG (gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats) berechtigt.

2. Bei der Überprüfung der diesbezüglichen erstinstanzlichen Entscheidung ist das OLG als Beschwerdegericht weitere Tatsacheninstanz (§ 65 Abs. 3 FamFG) und damit nicht auf die Feststellung von Ermessensfehlern beschränkt, sondern kann sein Ermessen hinsichtlich der Auswahl der zum Aufsichtsrat zu bestellenden Personen in vollem Umfang an die Stelle des Ausgangsgerichts setzen (Abgrenzung zu OLG Hamm, Beschluss vom 28.5.2013, 27 W 35/13, zitiert nach Beck-Online).

3. Zu den nach § 104 Abs. 1 und 2 AktG im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigenden Umständen.

4. Bei erheblichen Interessengegensätzen innerhalb einer Gesellschaft, die im Wesentlichen in zwei untereinander zerstrittene Aktionärslager aufgespalten ist, kommt auch die gerichtliche Bestellung von "neutralen", nicht von den Beteiligten vorgeschlagenen Personen zu Aufsichtsräten in Betracht.

 

Normenkette

AktG § 100 Abs. 5, § 104 Abs. 1-2, § 278 Abs. 3, § 283; FamFG §§ 59, 65 Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Frankfurt am Main (Beschluss vom 24.03.2014)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird als unzulässig verworfen.

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird der angefochtene Beschluss des AG teilweise abgeändert und statt der in diesem Beschluss auch zu Aufsichtsratsmitgliedern der Beteiligten zu 1) bestellten Herren A, und B, werden zu Aufsichtsratsmitgliedern der Beteiligten zu 1) bestellt:

Herr C und Herr D.

Die Beteiligte zu 1) hat, soweit entsprechende Gerichtskosten auf der Verwerfung ihrer Beschwerde beruhen, diese alleine zu tragen, genauso wie sie der Beteiligten zu 3) gegebenenfalls entstandene notwendige Aufwendungen alleine zu erstatten hat, soweit diese ebenfalls auf der Verwerfung der Beschwerde der Beteiligten zu 1) beruhen. Im Übrigen findet hinsichtlich der Beschwerde der Beteiligten zu 1) eine Erstattung von notwendigen Aufwendungen im Beschwerdeverfahren nicht statt.

Die Beteiligten zu 2) und 3) haben die im Verfahren der Beschwerde der Beteiligten zu 2) entstandenen Gerichtskosten zu je ½ zu tragen. Insoweit findet eine Erstattung notwendiger Aufwendungen im Beschwerdeverfahren nicht statt.

Der Geschäftswert für die Beschwerdeverfahren wird für jede der Beschwerden auf Euro 60.000 festgesetzt, insgesamt auf Euro 120.000,00.

Die Rechtsbeschwerde wird für die Beteiligten zu 2) und 3) zugelassen.

 

Gründe

I. Gegenstand des Verfahrens ist die gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern der Beteiligten zu 1) nach §§ 278 Abs. 3 i.V.m. 104 Abs. 1 und 2 AktG.

Bei der Beteiligten zu 2) handelt es sich um die einzige persönlich haftende Gesellschafterin der Beteiligten zu 1). Bei der Beteiligten zu 3) handelt es sich um die nach ihrem Vortrag mit einem Anteil am Grundkapital der Beteiligten zu 1) von 38,82 % größte Einzelkommanditaktionärin.

Innergesellschaftlich bestanden und bestehen erhebliche, immer wieder auch gerichtlich geführte Streitigkeiten, die zum Teil aus vorangegangenen Verfahren senatsbekannt sind, aber auch im vorliegenden Verfahren Eingang in den Sachvortrag der Beteiligten gefunden haben. Insbesondere - aber nicht nur - zwischen der Beteiligten zu 2) und der Beteiligten zu 3) bestehen dabei erhebliche Differenzen. Insoweit kam und kommt der Besetzung des Aufsichtsrates der Beteiligten zu 1) erhebliche Bedeutung zu, zumal in deren letzten zum Handelsregister eingereichten und freigegebenen Satzung vom 17.1.2012 u.a. geregelt ist, dass deren Aufsichtsrat die Kommanditaktionäre in Rechtsstreitigkeiten vertritt, die die Gesamtheit der Kommanditaktionäre gegen die persönliche haftende Gesellschafterin führen oder diese gegen die Gesamtheit der Kommanditaktionäre führt (§ 22 Abs. 1, 4. Spiegelstrich der Satzung).

Ausgangspunkt der angegriffenen Entscheidung des AG sind die hinsichtlich der als Aufsichtsräte vorgeschlagenen Personen übereinstimmenden Anträge auf Ergänzung des Aufsichtsrates der Beteiligten zu 1) und 2) vom 28.2.2014 - unter Klarstellung und Ergänzung mit Schriftsatz von deren Verfahrensbevollmächtigten vom 20.3.2014 -, sowie der hinsichtlich der vorgeschlagenen Personen abweichende Antrag der Beteiligten zu 3) vom 11.3.2014. Wegen des jeweiligen Inhalts der in Bezug genommenen Schriftsätze wird auf Bd. IV, Bl. 1 ff., Bl. 114 ff. und 170 ff. der Akte Bezug genommen. Weiterhin wird Bezug genommen auf den Inhalt der Stellungnahme der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 3) an das AG vom 14.3.2014 (Bd. IV, Bl. 109 ff. der Akte).

Gemäß § 17 Abs. 1 der letzten Satzung der Beteiligten zu 1) vom 17.1.2012 besteht deren Aufsichtsrat aus sechs Mitgliedern, wovon gem. § 17 Abs. 2 zwei Aufsichtsratsmitglieder von zwei Aktionären, u.a. von der Beteili...

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