Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Antrag nach Art. 14 Abs. 3, 15 Abs. 5 S. 4 TMG, einem Diensteanbieter zu gestatten, Auskunft über bei ihm vorhandene Bestands- und Nutzungsdaten zu erteilen

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 14 Abs. 3 TMG wird nicht durch § 24 Abs. 1 Nr. 2 BDSG n. F. verdrängt.

2. § 14 Abs. 3 TMG erfasst nur solche Diensteanbieter, die soziale Netzwerke im Sinne des § 1 Abs. 1 NetzDG betreiben.

3. Der Messenger-Dienst der Beteiligten stellt grundsätzlich kein soziales Netzwerk im Sinne des § 1 Abs. 1 NetzDG dar.

 

Normenkette

BDSG § 24 Abs. 1 Nr. 2; NetzDG § 1 Abs. 1, 3; TMG § 14 Abs. 3-5, § 15 Abs. 5 S. 4

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 30.04.2018; Aktenzeichen 2-03 O 430/17)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 24.09.2019; Aktenzeichen VI ZB 39/18)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main - 3. Zivilkammer - vom 30. April 2018, Az. 2-03 O 430/17, wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Gerichtskosten der Beschwerde; eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Gegenstandswert wird auf 3.000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Antragstellerin begehrt gemäß § 14 Abs. 3 TMG, der Beteiligten die Erteilung einer Auskunft über Daten von Nutzern zu gestatten.

Die Beteiligte betreibt die Webseite www.facebook.com und den zugehörigen Facebook-Dienst. Zudem betreibt sie den Facebook-"Messenger", der es Nutzern ermöglicht, Nachrichten an bestimmte Personen oder bestimmte Gruppen von Personen zu schicken. Einerseits können alle angemeldeten Facebook-Nutzer den Messenger nutzen; der Messenger kann aber auch von Personen genutzt werden, die nicht über einen Facebook-Account verfügen, sondern sich lediglich mit ihrer Handynummer und ihrem Namen anmelden.

Über diesen Messenger wurden von drei - unter der Antragstellerin unbekannten Nutzernamen geführten - Nutzerkonten verschiedene Nachrichten kompromittierenden Inhalts - ein Video, zwei Sprachnachrichten und ein Text - an Freunde und Familienangehörige der Antragstellerin verschickt. Wegen des Inhalts wird auf die Anlagen AS 1 und 2 verwiesen. Die Antragstellerin selbst hat bei der Beteiligten weder ein Nutzerkonto noch nimmt sie den Messengerdienst in Anspruch. Zumindest zwei der Nutzerkonten wurden nach dem Senden der Nachrichten deaktiviert.

Nachdem die Antragstellerin von der Beteiligten vergeblich "Löschung der Beiträge" verlangt hat, begehrt sie nun Auskunft über Bestands- und Verkehrsdaten der Nutzer.

Die Parteien haben erstinstanzlich im Wesentlichen darüber gestritten, ob der Facebook- Messengerdienst ein soziales Netzwerk im Sinne des § 1 Abs. 1 NetzDG (Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken) darstelle. Zudem macht die Beteiligte geltend, dass der Antragstellerin allenfalls ein Anspruch auf Auskunft über Bestandsdaten, nicht aber über Verkehrsdaten zustehe und dass es ihr, der Beteiligten, mangels ausreichender Angaben der Antragstellerin nicht möglich bzw. zumutbar sei, die gewünschten Bestandsdaten zu erheben.

Wegen der Einzelheiten wird auf Ziff. I des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Das Landgericht hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, für die hier streitgegenständliche Nutzung der Dienste der Beteiligten sei der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 NetzDG nicht eröffnet.

§ 14 Abs. 3 TMG verweise auf § 1 Abs. 1 NetzDG . Entscheidend sei somit, ob die Ausnahme in § 1 Abs. 1 S. 3 NetzDG auch für die hier streitgegenständlichen Nachrichten gelte, ob also der Facebook "Messenger" ein "soziales Netzwerk" sei oder aber eine "Plattform, die zur Individualkommunikation" diene.

Nach der Gesetzesbegründung fielen jedenfalls E-Mail-Plattformen nicht unter das NetzDG. Auch das Bundesamt für Justiz halte bei "Messengerdiensten" den Anwendungsbereich nicht für eröffnet, ohne näher auf Abgrenzungsfragen einzugehen. In der Literatur werde diskutiert, ob unter die Ausnahme nach § 1 Abs. 1 S. 3 NetzDG neben Email- auch Messenger-Dienste wie z.B. Skype und Whatsapp fallen. Problematisch sei, dass der Gesetzgeber bei der Unterscheidung der sozialen Netzwerke und der Dienste zur Individualkommunikation von "Plattformen" spreche, die jedoch in der Praxis nicht immer unproblematisch voneinander zu trennen seien, wie auch der vorliegende Fall zeige, bei dem aus Sicht der Nutzer die Messenger-Funktion auch als ein Teil der "Plattform Facebook" anzusehen sei.

Die Ausnahme nach § 1 Abs. 1 S. 3 NetzDG sei aufgrund des Regel-Ausnahme-Verhältnisses tendenziell eher eng zu fassen. Nach Auffassung der Kammer sollten durch das NetzDG jedenfalls Tathandlungen wie hier, die nicht öffentlich erfolgt seien, vom Anwendungsbereich des NetzDG nicht erfasst sein. Dies ergebe sich indiziell aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 S. 3 NetzDG und der Gesetzgebungshistorie und -begründung. Nur an für die Öffentlichkeit bestimmten Nachrichten bestehe auch ein Bedarf an Löschung.

Es gehe vorliegend um Rechtsverletzungen, die jeweils durch den M...

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