Leitsatz (amtlich)

Bei der Errechnung des Barwerts einer extern auszugleichenden Versorgungsanwartschaft kann der Versorgungsträger grundsätzlich auf den Rechnungszins zurückgreifen, den er auch für die bilanzielle Bewertung von Rückstellungen und Altersvorsorgeverpflichtungen verwendet. Eine Grenze ist (in Niedrigzinsphasen) allerdings dort zu ziehen, wo der Rechnungszins nicht nur die aktuell marktüblichen Zinsen, sondern auch den von der der Bundesbank gem. § 253 Abs. 2 S. 3 HGB regelmäßig festgelegten pauschalierten Rechnungszins überschreitet.

 

Normenkette

VersAusglG §§ 14, 17, 47

 

Verfahrensgang

AG Seligenstadt (Beschluss vom 04.03.2013; Aktenzeichen 32 F 642/09)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 11.05.2016; Aktenzeichen XII ZB 615/13)

 

Tenor

Die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1.) und die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG - Familiengerichts - Seligenstadt vom 4.3.2013 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Anrecht in Ziff. 3 des Tenors nicht bei der Versorgungsausgleichskasse, sondern bei der Deutschen Rentenversicherung Hessen - Versicherungs-Nr.- zu begründen und nur bis zur Rechtskraft dieser Entscheidung mit dem angegebenen Zinssatz zu verzinsen ist.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Beschwerdewert wird auf 1.000 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Mit Beschluss vom 6.12.2012 hatte das Familiengericht die Ehe der Beteiligten geschieden. Das Verfahren über den Versorgungsausgleich wurde im Scheidungsbeschluss abgetrennt. Mit dem angefochtenen Beschluss wurde der Versorgungsausgleich durchgeführt. Unter anderem wurde unter Ziff. 3. des Beschlusstenors die externe Teilung eines Anrechts des Antragsgegners bei der Deutschen Lufthansa AG, der weiteren Beteiligten zu 1.) angeordnet. Die Antragstellerin hatte ihr Wahlrecht gem. § 15 Abs. 1 VersAusglG dahingehend ausgeübt, dass sie die weitere Beteiligte zu 5.) als Zielversorgungsträgerin bestimmt hat.

In seiner Entscheidung hat das Familiengericht bei der Berechnung des Ausgleichswerts hinsichtlich des Anrechts des Antragsgegners bei der Deutschen Lufthansa AG nicht den Rechnungszins von 6 %, den die Lufthansa verwendet hat, übernommen und auch nicht den von der Antragstellerin geforderten Rechnungszins von 3,25 %, sondern es hat einen Rechnungszins von 5,25 % verwendet. Dieser Zinssatz entsprach zum maßgeblichen Zeitpunkt dem Rechnungszins, der seit der Neufassung des § 253 HGB durch das Bilanzmodernisierungsgesetz von 2009 gem. § 253 Abs. 2 für die bilanzielle Bewertung von Rückstellungen mit noch fünfzehnjähriger Restlaufzeit des Unternehmens zu verwenden war. Dieser Zinssatz wird monatlich von der Deutschen Bundesbank festgelegt und bekannt gemacht (sog. BilMoG-Zinssatz). Das AG hat ferner einen zukünftigen Rententrend von 1 % berücksichtigt. Bei der konkreten Berechnung des Ausgleichswerts hat sich das Familiengericht auf das eingeholte Gutachten des Sachverständigen X gestützt.

Gegen die Berechnung der Höhe des Ausgleichswerts richten sich die Beschwerden der weiteren Beteiligten zu 1.) und der Antragstellerin. Daneben hat die Antragstellerin einen Berichtigungsantrag gestellt, dem im Rahmen dieser Entscheidung durch Berichtigung des Tenors des erstinstanzlichen Beschlusses zu Ziff. 3. entsprochen werden konnte.

II. Die eingelegten Beschwerden sind zwar zulässig gemäß den §§ 58 ff. FamFG, sie führen jedoch nicht zum Erfolg. Der Senat folgt vielmehr der Berechnung des Ausgleichswerts, die das Familiengericht vorgenommen hat.

Insbesondere ist der vom AG zugrunde gelegte Rechnungszins von 5,25 % nicht zu beanstanden, da er dem von der Deutschen Bundesbank gem. § 253 Abs. 2 S. 2 HGB für den maßgeblichen Zeitpunkt, d.h. für das Ende der Ehezeit angegebenen, pauschalierten, d.h. auf eine Restlaufzeit von 15 Jahren anzusetzenden Rechnungszins (BilMoG-Zinssatz) entspricht. Mit der Verwendung dieses Rechnungszinses hat das Familiengericht zum einen nicht in unangemessener Weise in die Dispositionsfreiheit der weiteren Beteiligten zu 1.) bei der Berechnung des Ausgleichswerts eingegriffen, indem es den Rechnungszins von 6 % auf 5,25 % herabgesetzt hat. Zum anderen verletzt die Wahl dieses Zinssatzes aber im Ergebnis auch nicht den im Versorgungsausgleichsrecht geltenden Halbteilungsgrundsatz.

Zwar führt die Verwendung eines unterschiedlichen Rechnungszinses von Ausgangs- und Zielversorgung dazu, dass deutliche Unterschiede in der Höhe der zu erwartenden Renten bei dem Ausgleichsverpflichteten und der Ausgleichsberechtigten entstehen (OLG München FamRZ 2012, 130, zitiert nach Juris Rz. 19; OLG Bremen FamRZ 2012, 637, zitiert nach Juris Rz. 2 ff.; OLG Hamm FamRZ 2012, 1306, zitiert nach Juris Rz. 12; Jaeger FamRZ 2010, 1714; Hauß FamRZ 2011, 88). Diese Unterschiede rühren von dem Zinsgefälle her, das zwischen dem Rechnungszins besteht, der bei der Ermittlung des Kapitalbetrages der auszugleichenden Versorgung zugrund...

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