Entscheidungsstichwort (Thema)

Bedeutung der „gerichtlichen Geltendmachung” der rückständigen Prämie nach § 8 Abs. 1 S. 5 AHB

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die „gerichtliche Geltendmachung” der rückständigen Prämie, für die § 8 Abs. 1 S. 5 AHB dem Versicherer eine Ausschlussfrist von sechs Monaten bestimmt, ist nicht anders zu verstehen als im Rahmen der Ausschlussfrist für den Versicherungsnehmer nach § 12 Abs. 3 VVG, so dass der Versicherer die Frist nach § 8 Abs. 1 S. 5 AHB wahrt, wenn er innerhalb der Frist einen Mahnbescheid beantragt und dieser demnächst zugestellt wird, ohne dass er nach Einlegung des Widerspruchs das str. Verfahren betreiben muss.

2. Wenn der Versicherungsnehmer die Kündigung des Versicherungsvertrages entgegen § 11 AHB an den Agenten und nicht an den Versicherer gerichtet hat und der Agent den Versicherungsnehmer nicht über § 11 AHB belehrt, muss sich der Versicherer das Verschulden des Agenten nach § 278 zurechnen lassen und kann sich nicht darauf berufen, dass ihm die Kündigungserklärung nicht zugegangen ist.

 

Normenkette

VVG § 12 Abs. 3 S. 1, § 39 Abs. 2; AHB § 8 Abs. 1 S. 4 u. 5, § 11 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Duisburg (Urteil vom 02.10.2002; Aktenzeichen 10 O 268/02)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 2.10.2002 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des LG Duisburg teilweise abgeändert und unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 16.661,62 Euro nebst 5 % Zinsen seit dem 2.5.2002 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 18 % und der Beklagte zu 82 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Beklagte unterhielt bei der Klägerin für seinen Dachdeckerbetrieb eine Haftpflichtversicherung, der die AVB B 88 (nachfolgend: AHB) zugrunde lagen (GA 30). Für den Fall nicht fristgerechter Zahlung der Versicherungsprämien bestimmte § 8 Abs. 1 S. 2, 4 u. 5 AHB:

„Unterbleibt die Zahlung, so ist der Versicherungsnehmer auf seine Kosten unter Hinweis auf die Folgen fortdauernden Verzugs schriftlich zur Zahlung innerhalb einer Frist von zwei Wochen aufzufordern. Nach dem Ablauf der Frist ist der Versicherer, wenn der Versicherungsnehmer mit der Zahlung der Prämie noch in Verzug ist, berechtigt, das Vertragsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen. Kündigt der Versicherer nicht, so ist er für die gerichtliche Geltendmachung der rückständigen Prämie nebst Kosten an eine Ausschlussfrist von 6 Monaten seit Ablauf der zweiwöchigen Frist gebunden.”

Den Versicherungsvertrag hat der Beklagte – nach seinem Vorbringen – mit einem an die Agentur B. gerichteten Schreiben vom 22.12.2000 zum Jahreswechsel 2000/2001 gekündigt (GA 29). Die Klägerin hat ihm ungeachtet dessen mit Schreiben vom 29.12.2000 (K 1) einen neuen Versicherungsschein (K 2) zugesandt, dem die Neuberechnung der Versicherungsprämien für die Zeit vom 1.1.1998 bis einschl. 1.4.2001 beigefügt war (K 7). Danach belief sich ihr Vergütungsanspruch – einschl. Versicherungssteuer – auf 38.452,90 DM (K 1). In der Folge zahlte der Beklagte jedoch lediglich 1.356,80 DM, weshalb die Klägerin die Restforderung (37.096,10 DM) mit Schreiben vom 19.2.2001 qualifiziert anmahnte (K 3). Da weitere Zahlungen ausblieben, leitete sie das gerichtliche Mahnverfahren ein und erwirkte am 6.8.2000 – unter Einbeziehung der Prämien für die Zeit bis zum 1.10.2001 – einen Mahnbescheid über eine Hauptforderung von 20.313,01 Euro (= 39.728,80 DM). Obwohl der Beklagte dagegen rechtzeitig Widerspruch erhoben und das Mahngericht die Klägerin mit Schreiben vom 13.8.2001 über den Eingang des Widerspruchs benachrichtigt hatte, ging ihre Klagebegründung, mit der auch der angeforderte Gerichtskostenvorschuss für das str. Verfahren eingezahlt wurde, erst am 23.4.2002 beim Mahngericht ein.

Der Beklagte hat vorgetragen, er sei leistungsfrei, da die Ausschlussfrist gem. § 8 Abs. 1 S. 5 AHB verstrichen sei. Zwar sei der Mahnbescheid innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf der im Mahnschreiben vom 19.2.2001 gesetzten Frist beantragt worden, nach Erhalt der Widerspruchsnachricht seien jedoch über acht Monate vergangen, bevor die Klägerin das Verfahren fortgesetzt habe.

Das LG Duisburg hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es sei schon zweifelhaft, ob das Mahnverfahren zur gerichtlichen Geltendmachung rückständiger Prämien ausreiche. Jedenfalls sei eine hinreichende Geltendmachung aber nicht mehr gegeben, wenn nach einem Widerspruch das Verfahren nicht alsbald an das Streitgericht abgegeben werde. So lägen die Dinge hier, da die Klageforderung erst mit der Zustellung der Anspruchsbegründung rechtshängig geworden sei.

Die Klägerin macht geltend: Die Ausschlussfrist des § 8 Abs. 1 S. 5 AHB sei durch Einleitung des Mahnverfahrens gewahrt, da sie dadurch deutlich gemacht habe, dass sie nicht gewillt sei, auf die angefallenen Prämien zu verzichten. Dass sie das Streitverfahren nicht...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt VerwalterPraxis Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge