Leitsatz (amtlich)

1. Die unter Tenorziffer 3 der Festlegung vom 15.12.2020 (BK4-12-656A02) vorgenommene Änderung der in der Festlegung zur Berechnung der sich aus genehmigten Investitionsmaßnahmen ergebenden Kapital- und Betriebskosten (BK4-12-656/BK4-12-656A01) aufgestellten Anforderungen für die Bewertung von im Rahmen einer Konzernfinanzierung angefallenen Fremdkapitalkosten als "marktüblich" ist rechtswidrig. Mit der ergänzenden Vorgabe, die auf Konzernebene für den Netzbetreiber beschafften Mittel den Investitionsmaßnahmen summarisch zuzuordnen, hat die Bundesnetzagentur den ihr in § 32 Abs. 1 Nr. 8a ARegV hinsichtlich der Auswahl und Ausgestaltung der Berechnungsvorgaben eingeräumten Entscheidungsspielraum rechtsfehlerhaft ausgefüllt. Die vorgegebene summarische Zuordnung von Fremdkapital und Fremdkapitalkonditionen auf sämtliche Investitionsmaßnahmen beruht auf einer unzutreffenden Erfassung und Würdigung sowohl der Mechanismen der Konzernfinanzierung als auch der Auswirkungen der geänderten Vorgaben auf dieses Finanzierungsmodell.

2. Die die Behandlung von Hybridanleihen oder Fremdkapitalaufnahmen mit einem vergleichbaren Charakter betreffende Regelung in Tenorziffer 4 der Festlegung ist rechtswidrig. Die Vorgabe, dass nur der nicht als Eigenkapital geltende Anteil als Fremdkapital berücksichtigungsfähig ist, sowie das darauf aufsetzende Gebot, die Verzinsungshöhe des berücksichtigungsfähigen echten Fremdkapitalanteils durch Herausrechnung des Eigenkapitalzinssatzanteils aus der Gesamtverzinsung zu ermitteln, verstoßen gegen das allgemeine Bestimmtheitsgebot.

3. Die Regelung unter Tenorziffer 5, wonach die Bemessungsgrundlage der kalkulatorischen Gewerbesteuer auf eine fiktive Eigenkapitalquote von 40 % begrenzt werden soll, ist rechtmäßig. Die unter Übertragung des Rechtsgedankens der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 05.05.2020 (EnVR 26/19) abweichend von den Vorgaben für die Netzkostenermittlung vorgenommene Begrenzung der Bemessungsgrundlage auf eine fiktive Eigenkapitalquote von 40 % stellt eine sachgerechte Berechnungsvorgabe für den Ansatz der kalkulatorischen Gewerbesteuer im Rahmen der Berechnung der sich aus genehmigten Investitionsmaßnahmen ergebenden Kapitalkosten dar.

4. Die Bundesnetzagentur war nach § 29 Abs. 2 S. 1 EnWG dazu ermächtigt, die bestandskräftige Ausgangsfestlegung zu ändern. Sie hat die Änderung der Bemessungsgrundlage der kalkulatorischen Gewerbesteuer rechtsfehlerfrei auf die veränderte Einschätzung der Schutzwürdigkeit einer 40 % übersteigenden Eigenkapitalquote und damit auf einen Erkenntnisfortschritt in Bezug auf sonstige Gegebenheiten des Netzbetriebs gestützt.

 

Tenor

Der Beschluss der Bundesnetzagentur vom 15.12.2020 (BK4-12-656A02) wird hinsichtlich der Tenorziffern 3 und 4 aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit jeweils notwendigen außergerichtlichen Kosten tragen die Beteiligten zu je 50 %

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf insgesamt .... Euro festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die Beschwerdeführerin ist Betreiberin eines ...netzes und Teil eines vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmens, des A...-Konzerns. Die Finanzierung der Beschwerdeführerin erfolgt im Wege der Konzernfinanzierung.

Konzernfinanzierungen bezwecken die Finanzierung nahestehender Unternehmen im Konzernverbund durch verschiedene Finanzierungsinstrumente wie Darlehen, Cash Pooling, Bürgschaften oder Patronatserklärungen. Zeigt eine Tochtergesellschaft Liquiditätsbedarf auf, so ist die Darlehensvergabe regelmäßig die "klassische" Form der längerfristigen Fremdfinanzierung. Diese Darlehen erfüllen meist einen konkreten operativen Verwendungszweck, der bei der Beschwerdeführerin etwa im Netzausbau gesehen werden kann. Teils werden Konzernfinanzierungsgesellschaften eingesetzt, die - nachdem anhand der im folgenden Jahr geplanten Ein- und Auszahlungen der Kapitalbedarf des Konzerns ermittelt worden ist - am externen Markt das benötigte Kapital für den gesamten Kapitalbedarf des Konzerns beschaffen und die Weitergabe von Fremdkapital sicherstellen. Hierdurch wird die Finanzierung des Gesamtkonzerns zentralisiert, wodurch Kreditmittel in der Regel zu günstigeren Konditionen aufgenommen werden können. Im Vergleich zu einer Einzelfinanzierung liegt der Vorteil in einer oftmals schnelleren und unkomplizierteren Umsetzung der Finanzierung. Für das beschaffte Kapital haftet der Konzern mit seinem gesamten Vermögen. Fortlaufend werden ältere Kapitalaufnahmen durch jüngere ersetzt.

Teil der Konzernfinanzierung können auch sogenannte Hybridanleihen sein. Hybridanleihen sind Schuldverschreibungen, die oft sehr lange (teilweise bis zu 100 Jahren) oder gar unbefristete Laufzeiten haben.

Bei der Berechnung der sich aus genehmigten Investitionsmaßnahmen ergebenden Kapital- und Betriebskosten im Sinne des § 23 Abs. 1 S. 3 ARegV setzt die...

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