Leitsatz (amtlich)

Die große Jugendkammer kann in der Hauptverhandlung wie in erstinstanzlichen Verfahren auch in Verfahren über Berufungen gegen Urteile des Jugendschöffengerichts mit zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Jugendschöffen besetzt sein. Die Entscheidung hierüber trifft die große Jugendkammer bei der Terminierung.

 

Tenor

Die Revision wird als unbegründet auf Kosten des Angeklagten verworfen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Neuss hat den Angeklagten am 8. April 1999 wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt.

Die dagegen gerichtete, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten hat die große Strafkammer - Jugendkammer - durch das angefochtene Urteil mit der Maßgabe verworfen, daß gegen den Angeklagten unter Einbeziehung der Freiheitsstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Neuss vom 13. 11. 1997 (12 Ls 716 Js 1044/97) nach Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe auf eine neue Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten erkannt wird.

In der Berufungshauptverhandlung war die große Jugendkammer aufgrund eines bei der Terminierung von drei Richtern gefaßten Beschlusses mit zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und mit zwei Jugendschöffen besetzt.

Mit seiner zulässigen Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Mit seiner Verfahrensrüge macht er geltend, die große Jugendkammer sei unter Verstoß gegen § 33b Abs. 1 JGG in der Hauptverhandlung nur mit zwei Richtern und zwei Jugendschöffen besetzt gewesen. Diese Besetzung sei nach § 33b Abs. 2 JGG nur in erstinstanzlichen Hauptverhandlungen zulässig.

II.

1.

Die Revision des Angeklagten ist auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 2 und 3 StPO als unbegründet zu verwerfen, weil die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.

2.

Ausführungen bedarf es lediglich zu der vorschriftsmäßig erhobenen Besetzungsrüge:

Der Senat folgt der Rechtsprechung des BGH (NStZ 1996, 479/480 = BGHR StPO § 328 Abs. 1 Überleitung 2) und im Ergebnis der des BayObLG (StV 1998, 321/322), nach der § 33b Abs. 2 JGG anwendbar ist, wenn die große Jugendkammer als Berufungsgericht entscheidet. Während der BGH § 33b JGG entsprechend anwendet, legt das BayObLG die Vorschrift in diesem Sinne aus.

a)

Der Revision ist darin zuzustimmen, daß nach dem Wortlaut des § 33b Abs. 2 JGG die große Jugendkammer nur in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung mit zwei Berufsrichtern besetzt sein kann, da die Beschlußfassung hierüber bei der Eröffnung des Hauptverfahrens zu erfolgen hat, die es im Berufungsverfahren nicht gibt. Insbesondere hierauf gründet sich auch die im Schrifttum verbreitete Meinung, in der Berufungshauptverhandlung über Urteile des Jugendschöffengerichts müsse die große Jugendkammer nach § 33b Abs. 1 JGG stets mit drei Berufsrichtern besetzt sein (vgl. Ostendorf; JGG, 4. Aufl. , §§ 33-33b Rn. 11; Eisenberg, JGG, 7. Aufl. , §§ 33-33b Rn. 16; Böttcher/Mayer NStZ 1993, 153/158; Diemer/Schoren/Sonnen, JGG, 2. Aufl. , § 41 Rn. 8; Brunner/Dölling, JGG, 10. Aufl. , §§ 33-33b Rn. 9).

b)

Ein sachlicher Grund, die große Jugendkammer als Berufungsgericht - wie in Schwurgerichtssachen - stets mit drei Berufsrichtern zu besetzen, in erstinstanzlichen Sachen aber die Besetzung mit nur zwei Richtern zuzulassen, ist nicht ersichtlich.

Es stellt einen kaum auflösbaren Widerspruch dar, daß in überschaubaren, rechtlich und tatsächlich einfachen Fällen die große Jugendkammer im Berufungsverfahren mit drei Berufsrichtern besetzt sein muß, dagegen zwei Berufsrichter ausreichen, wenn es sich um erstinstanzliche Sachen handelt (Schmidt NStZ 1995, 216/217, der angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 33b Abs. 2 JGG allerdings weder eine Analogie noch eine entsprechende Anwendung für zulässig hält).

aa)

Dem Umstand, daß das Jugendschöffengericht gegenüber dem allgemeinen Schöffengericht eine höhere Strafkompetenz hat, hat der Gesetzgeber bereits dadurch Rechnung getragen, daß er die Berufungen gegen Urteile des Jugendschöffengerichts - entgegen dem Vorschlag des Bundesrates - nicht der kleinen, sondern der großen Jugendkammer zugewiesen hat (BT-Drucks. 12/3832 S. 45), ohne dabei allerdings ausdrücklich die Besetzung der Kammer zu bestimmen. Auch die Bestimmung des § 55 Abs. 2 JGG, nach der Jugendlichen und Heranwachsenden, auf die Jugendstrafrecht angewendet worden ist (§ 109 Abs. 2 JGG), nachdem sie eine zulässige Berufung eingelegt haben, keine Revision mehr zusteht, läßt nicht die Besetzung der großen Jugendkammer als Berufungsgericht mit mehr Berufsrichtern als Laienrichtern geboten erscheinen (so Diemer/Schoreit/Sonnen aaO). Angesichts der erforderlichen Zweidrittel-Mehrheit besteht hinsichtlich des Gewichts der Berufsrichter in beiden Besetzungen kein wesentlicher Unterschied.

bb)

Auch der Zweck des § 33b JGG gibt für eine Beschrä...

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