Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Ohne Entscheidung, ob der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens begründet ist, darf die Hauptverhandlung nicht erneuert werden. Insoweit besteht ein Verfahrenshindernis.

  • 2.

    Es bedarf eines ausdrücklichen Beschlusses über das Begründetsein; die Anberaumung der (neuen) Verhandlung genügt nicht.

 

Verfahrensgang

AG Duisburg (Urteil vom 10.07.2001; Aktenzeichen 18 III Ls 151 Js 187/01)

AG Duisburg (Urteil vom 10.07.2001; Aktenzeichen 18 III Ls 151 Js 73/01)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil und das Urteil des Amtsgerichts Duisburg vom 10. Juli 2001 (18 III Ls 151 Js 187/01 (73/01)) werden aufgehoben.

Die Sache wird an das Amtsgericht Duisburg zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht - Schöffengericht - Düsseldorf hat den Angeklagten aufgrund seines Geständnisses am 8. Juli 1999 wegen gewerbsmäßigen Handels mit Betäubungsmitteln in 14 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Das Urteil ist nach einem in der Hauptverhandlung erklärten Rechtsmittelverzicht an diesem Tag rechtskräftig geworden.

Mit einem auf § 359 Nr. 5 StPO gestützten Antrag hat der Angeklagte die Wiederaufnahme des Verfahrens begehrt und insoweit sein Geständnis widerrufen. Durch Beschluss vom 10. April 2001 hat das Amtsgericht - Schöffengericht - Duisburg als zuständiges Wiederaufnahmegericht die Wiederaufnahme für zulässig erklärt. Am 7. Mai 2001 hat das Amtsgericht - ohne weitere Anordnungen nach §§ 369, 370 StPO zu treffen - Termin zur Hauptverhandlung bestimmt. Durch Urteil vom 10. Juli 2001 hat das Amtsgericht Duisburg aufgrund der in der Hauptverhandlung vom gleichen Tage durchgeführten Beweisaufnahme "das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 8. Juli 1999 (103a I Ls 60 Js 2040/99). . . aufrechterhalten". Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht durch das angefochtene Urteil verworfen.

II.

Die gegen den Angeklagten ergangenen Urteile vom 10. Juli 2001 und 23. Januar 2002 müssen aufgehoben werden, weil ein - von Amts wegen zu prüfendes (vgl. BayObLGSt 1952, 78, 79) - Verfahrenshindernis besteht.

1.

Das Gesetz unterscheidet zwischen der Zulässigkeit und der Begründetheit eines Wiederaufnahmegesuches und stellt insoweit mit den §§ 368, 369, 370 StPO ein abgestuftes Verfahren zur Verfügung. Über Zulassung und Anordnung der Wiederaufnahme hat das zuständige Gericht jeweils durch Beschluss zu entscheiden. Bevor im wiederaufgenommenen Verfahren ein neues Urteil ergehen kann, müssen zwei Gerichtsbeschlüsse ergangen sein.

Nachdem die Wiederaufnahme des Verfahrens durch Beschluss nach § 369 StPO für zulässig erklärt worden ist, werden die mit dem Wiederaufnahmeantrag angetretenen Beweise, soweit dies erforderlich ist, erhoben (§ 369 Abs. 1 StPO). Alsdann wird durch weiteren Beschluss darüber entschieden werden, ob der Wiederaufnahmeantrag auch begründet ist. Abgesehen davon, dass durch den Zulassungsbeschluss das Probationsverfahren (§ 369 StPO) eröffnet wird, erzeugt er weder für die Vergangenheit noch für die zukünftige Gestaltung des Verfahrens rechtliche Wirkungen. Er lässt insbesondere das vorausgegangene Urteil zunächst unberührt, beseitigt nicht dessen Rechtskraft und bindet das Wiederaufnahmegericht nicht, den Wiederaufnahmeantrag für begründet zu erklären (vgl. BayObLGSt 1952, 78). Die Entscheidung über die Begründetheit eines Wiederaufnahmegesuchs iSd § 370 StPO dagegen beruht auf einer Prüfung der gemäß § 369 StPO erhobenen Beweise, stellt eine sachliche Entscheidung über die Beweiskraft der neuen Beweismittel dar und beseitigt im Fall der Anordnung der Wiederaufnahme die Rechtskraft des ursprünglichen Urteils (vgl. BayObLGSt 1952, 78, 79; BGHSt 21, 373, 375;  19, 280, 282;  14, 64, 66; KK-Schmidt, 4. Aufl. , § 370 StPO Rdnr. 13 mwN; Kleinknecht/Meyer-Goßner, 45. Aufl. , § 370 StPO Rdnr. 9; KMR-Paulus, § 370 StPO Rdnr. 21 mwN).

2.

Im vorliegenden Fall hat das Amtsgericht nur über die Zulässigkeit des Wiederaufnahmegesuchs durch den Beschluss vom 10. April 2001 entschieden. Weitere Anordnungen nach §§ 369, 370 StPO sind nicht getroffen worden.

a)

Eine Beweisaufnahme nach § 369 StPO ist nicht durchgeführt worden. Eine solche ist nach Auffassung des Senats grundsätzlich nicht etwa deshalb entbehrlich, weil als neue Tatsache iSd § 359 Nr. 5 StPO der Widerruf eines Geständnisses behauptet worden ist und der Angeklagte lediglich aufgrund seines Geständnisses verurteilt worden war. Denn es sind Fallkonstellationen denkbar, die eine besondere Würdigung der Umstände erfordern, unter denen ein Geständnis abgegeben worden ist. Es kann auch darauf ankommen, die Umstände für den Widerruf des Geständnisses aufzuklären, um eine abschließende Einschätzung der Begründetheit eines Wiederaufnahmeantrages vornehmen zu können. Abgesehen davon kann von einer Beweisaufnahme in der Regel nur bei eng umgrenzten Ausnahmen abgesehen werden (vgl. im einzelnen Kleinknecht/Meyer-Goßner, aaO, § 369 StPO Rdnr. 2 mwN; LR-Gössel, 25. Aufl. , § 36...

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