Leitsatz (amtlich)

1. Eine Stufenklage, mit der der Versicherungsnehmer gegen seinem privaten Krankenversicherer letztlich erst in Erfahrung bringen will, ob die ihm gegenüber erfolgten Beitragserhöhungen aus formellen Gründen unwirksam sind, ist unzulässig und in eine im Wege der Klagehäufung geltend gemachte Auskunftsklage umzudeuten.

2. Ein solcher Auskunftsanspruch kann nicht auf Vorschriften der Datenschutzgrundverordnung gestützt werden (Anschluss an OLG Hamm, Beschluss vom 15.11.2021 - 20 U 269/21).

3. Ein auf Treu und Glauben gestützter Auskunftsanspruch setzt jedenfalls Vortrag dazu voraus, wieso dem Versicherungsnehmer eine Auswertung der ihm zugegangenen Unterlagen nicht selbst möglich ist.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 3010/20)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 27.07.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Leipzig - 3 O 3010/20 - teilweise abgeändert und die Klage abgewiesen.

II. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt der Kläger.

IV. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird für das erstinstanzliche Verfahren auf 3.291,42 EUR, für das Berufungsverfahren auf 3.012,92 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung des Klägers.

Der Kläger schloss mit der Beklagten einen Vertrag über eine private Kranken- und Pflegeversicherung ab. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) und Tarifbedingungen der Beklagten (Anlage BLD 1) zugrunde. In § 8b der MB/KK 2009 ist eine Anpassungsmöglichkeit der Beiträge bei einer Abweichung bei den Versicherungsleistungen von mehr als 5 % vorgesehen. § 8b Abs. 2 hat folgenden Wortlaut:

"Von einer Beitragsanpassung kann abgesehen werden, wenn nach übereinstimmender Beurteilung durch den Versicherer und den Treuhänder die Veränderung der Versicherungsleistungen als vorübergehend anzusehen ist."

Es erfolgten für den Kläger folgende Tariferhöhungen:

Tarif B... Erhöhung zum 1.4.2017 iHv 39,96 EUR,

Tarif B... Erhöhung zum 1.4.2020 iHv 74,26 EUR,

Tarif T... Erhöhung zum 1.4.2017 iHv 12,35 EUR,

Tarif G... (gesetzl. Zuschlag) Erhöhung zum 1.4.2017 iHv 4,00 EUR,

Tarif P... (priv. Pflegevers.) Erhöhung zum 1.4.2018 iHv 0,54 EUR,

Tarif P... (priv. Pflegevers.) Erhöhung zum 1.7.2019 iHv 0,77 EUR,

Tarif G... (gesetzl. Zuschlag) Erhöhung zum 1.4.2020 iHv 7,42 EUR,

Den Tariferhöhungen gingen jeweils im Februar bzw. im Mai des Jahres versandte Mitteilungen zur Beitragserhöhung voraus, auf deren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird (vgl. Anlage BLD 5). Beigefügt waren Informationsblätter mit allgemeinen Erläuterungen.

Der Kläger wendet sich gegen diese Beitragserhöhungen und begehrt zudem im Wege der Stufenklage Auskunft hinsichtlich aller Beitragserhöhungen in den Jahren 2011 - 2016, Feststellung, dass alle Beitragserhöhungen unwirksam sind und Zahlung eines unbezifferten Betrages. Er hat u. a. vorgebracht, die jeweiligen Beitragsanpassungen seien unwirksam. Die Mitteilungen über die Erhöhungen seien formell unwirksam, da sie nicht dem Begründungserfordernis gemäß § 203 Abs. 5 VVG genügen würden. Die Beitragsneufestsetzungen seien auch insoweit materiell unwirksam, da die Anpassungsklausel des § 8 b MBKK unwirksam sei.

Die Beklagte hat in der Klageerwiderung vom 29.03.2021 (Bl. 91), die dem Kläger am 08.04.2021 zugestellt wurde (Bl. 120) mitgeteilt, dass Auslöser für die Beitragsanpassungen jeweils geänderte Leistungsausgaben gewesen sind. Die Beitragserhöhungen seien wirksam, die Stufenklage sei unbegründet.

Das Landgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, zum überwiegenden Teil abgewiesen. Stattgegeben hat es zu folgenden Tariferhöhungen:

P...: Erhöhung zum 1.4.(richtig: 7.) 2019 - 31.05.2021 iHv 0,77 EUR,

B...: Erhöhung vom 1.5.2020 - 31.05.2021 iHv 74,26 EUR,

Insgesamt gelangt es zu einem Zahlungsanspruch iHv. 607,17 EUR. Zusätzlich bestehe ein Herausgabeanspruch hinsichtlich der Nutzungen bezogen auf die Beitragserhöhungen, die der Kläger ab dem 01.04.2019 - 31.01.2021 gezahlt hat. Dagegen wenden sich der Kläger und die Beklagte mit ihren Berufungen. Der Kläger, der die Abweisung seiner Klage hinsichtlich der Beitragserhöhungsverlangen in den Tarifen P... zum 01.04.2018 und GBZ zum 01.04.2020 nicht angreift, stellt seinen erstinstanzlichen Zahlungsantrag um wie folgt:

  • im Tarif B...: 36 monatliche Zahlungen á 39,96 EUR vom 01.04.2017 bis zum 01.03.2020, insgesamt 1.438,56 EUR
  • im gesetzlichen Beitragszuschlag G...: 36 monatliche Zahlungen á 4,00 EUR vom 01.04.2017 bis zum 01.03.2020, insgesamt 144,00 EUR
  • im Tarif T...: 56 monatliche Zahlungen á 12,35 EU...

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