Leitsatz (amtlich)

1. Es verstößt gegen den genossenschaftlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn bei der Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens ausscheidender Genossen über die anteilige Berücksichtigung eines Bilanzverlustes hinaus die Auseinandersetzungsguthaben vollständig zur Verlustdeckung herangezogen werden.

2. Die Berücksichtigung der im Bilanzverlust enthaltenen Verlustvorträge der Vorjahre ist auch ohne entspr. Satzungsregelung möglich.

 

Verfahrensgang

LG Bautzen (Urteil vom 03.07.2002; Aktenzeichen 3 O 28/03)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufung i.Ü. das Urteil des LG Bautzen vom 3.7.2003 aufgehoben, soweit die Beklagte zur Zahlung von mehr als 925,20 Euro mit 4 % Zinsen hieraus seit dem 1.7.2002 verurteilt wurde. Die Klage wird insoweit abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt der Kläger 5/6, die Beklagte 1/6.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger war mit Geschäftsanteilen im Einzahlungsbetrag von 10.800 DM Mitglied der Beklagten, einer Wohnungsgenossenschaft. Diese Mitgliedschaft kündigte er zum 31.12.2001. Streitig ist nunmehr das Auseinandersetzungsguthaben des Klägers.

Nach § 12 Abs. 2 S. 2 der Satzung wird das Auseinandersetzungsguthaben nach dem Geschäftsguthaben des Mitgliedes berechnet; das Geschäftsguthaben ergibt sich gem. § 17 Abs. 6 der Satzung aus den Einzahlungen auf die Geschäftsanteile, vermehrt um zugeschriebene Gewinnanteile und vermindert um abgeschriebene Verlustanteile. Vor dem Beschluss der Mitgliederversammlung vom 24.10.2002 erfolgten solche Gewinnzuschreibungen und Verlustabschreibungen nicht.

In der Mitgliederversammlung der Beklagten am 24.10.2002 wurde der Jahresabschluss 2001 mit einem Jahresfehlbetrag von 3.604.576,75 DM und einem Verlustvortrag von 1.740.428 DM festgestellt. Weiter wurden folgende Beschlüsse gefasst:

„Zu TOP 10:

Der Bilanzverlust des Geschäftsjahres 2001 i.H.v. 5.345.004,75 DM … wird auf neue Rechnung vorgetragen

zu TOP 11:

1. Das Auseinandersetzungsguthaben der zum 31.12.2001 ausscheidenden Mitglieder wird unter Schonung der Geschäftsguthaben der verbleibenden Mitglieder zur Verlustdeckung herangezogen.

2. Der nach Heranziehung der Auseinandersetzungsguthaben der zum 31.12.2001 ausscheidenden Mitglieder verbleibende Verlust wird auf neue Rechnung vorgetragen.”

In der Folge teilte der Vorstand der Beklagten dem Kläger mit, die Beklagte habe auf der Mitgliederversammlung vom 24.10.2002 beschlossen, die Auseinandersetzungsguthaben der ausgeschiedenen Mitglieder zur Deckung des Jahresfehlbetrages heranzuziehen und nicht zur Auszahlung zu bringen.

Erstinstanzlich hat der Kläger beantragt festzustellen, dass der Beschluss der Mitgliederversammlung vom 24.10.2002 nichtig sei, soweit die Auseinandersetzungsguthaben der zum 31.12.2001 ausgeschiedenen Mitglieder der Beklagten zur Deckung des Jahresfehlbetrages herangezogen und nicht ausgezahlt werden; daneben verlangte er von der Beklagten Zahlung von 5.510,20 Euro als Auseinandersetzungsguthaben.

Das LG hat dem Kläger den Betrag von 5.510,20 Euro zugesprochen und i.Ü. die Klage abgewiesen. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, der angefochtene Beschluss sei nichtig, da er sowohl gegen das genossenschaftliche Gleichheitsgebot als auch gegen §§ 19, 73 GenG verstoße. Nach § 19 Abs. 1 S. 1 GenG i.V.m. § 71 der Satzung sei allenfalls eine anteiligte Verlustbeteiligung der ausscheidenden Genossen möglich, nicht jedoch eine vollständige Heranziehung ihres Geschäftsguthabens ohne Berücksichtigung eines Verlustanteiles der verbleibenden Genossen. Aus Gründen der Rechtsklarheit sei es nicht möglich, den Beschluss vom 24.10.2002 insoweit als teilweise wirksam anzusehen, dass lediglich eine anteilige Verlustheranziehung der ausscheidenden Genossen erfolgen solle.

Mit ihrer Berufung strebt die Beklagte die Abweisung auch des Zahlungsantrages an. Die vollständige Heranziehung des Auseinandersetzungsguthabens der ausscheidenden Genossen verstoße nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da die Tatsache des Ausscheidens einen sachlichen Differenzierungsgrund darstelle. Hilfsweise sei der angefochtene Beschluss dahin auszulegen, dass eine anteilige Heranziehung beschlossen sei. Bei gleichmäßiger Verteilung des Bilanzverlustes 2001 auf die zum 31.12.2001 vorhandenen (ausscheidenden und verbleibenden) Mitglieder stehe dem Kläger ein Auseinandersetzungsguthaben von 925,20 Euro zu.

Die Beklagte beantragt, die Klage unter Abänderung des Urteils des LG Bautzen vom 3.7.2003 insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt vorrangig das erstinstanzliche Urteil; allenfalls könne der Jahresfehlbetrag aus dem Jahr 2001, nicht jedoch auch der aus dem Vorjahr stammende Verlustvortrag bei der Verlustverteilung berücksichtigt werden.

II. Die Berufung ist zulässig und überwiegend begründet. Das LG ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte die festgestell...

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