Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.510,20 EUR nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 1.7.2002 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung der Nichtigkeit eines Beschlusses der Mitgliederversammlung der beklagten Genossenschaft sowie Auszahlung eines Auseinandersetzungsguthabens.

Am 2.1.1997 erklärte der Kläger seinen Beitritt zu der Beklagten. Die Beteiligung an der Beklagten umfasste zwei Pflichtanteile sowie 23 weitere Geschäftsanteile. Da der Kläger mit seiner Familie im April 1998 eine größere Wohnung der Beklagten bezog, verpflichtete er sich, weitere zwei Genossenschaftsanteile zu erwerben, so dass er insgesamt 10.800,– DM auf die Geschäftsanteile einzahlte. Durch Schreiben vom 2.11.2000 kündigte der Kläger seine Mitgliedschaft bei der Beklagten zum 31.12.2001. Mit Schreiben vom 16.5.2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens werde sich voraussichtlich bis Oktober 2002 verschieben. Am 24.10.2002 bestätigte die Mitgliederversammlung der Beklagten den Jahresabschluss zum 31.12.2001. Dieser wurde mit einer Bilanzsumme von 59.096.857,08 DM und einem Jahresfehlbetrag in Höhe von 3.604.576,75 DM festgestellt. Der Bilanzverlust des Geschäftsjahres 2001 betrug 5.345.004,75 DM. Gleichzeitig beschloss die Mitgliederversammlung, die Auseinandersetzungsguthaben der zum 31.12.2001 ausscheidenden Mitglieder unter Schonung der Geschäftsguthaben der zum 31.12.2001 verbleibenden Mitglieder zur Verlustdeckung (vollständig) heranzuziehen und den verbleibenden Verlust auf neue Rechnung vorzutragen. Mit Schreiben vom 30.10.2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sein Auseinandersetzungsguthaben aufgrund der Heranziehung zur Deckung des Jahresfehlbetrages nicht zur Auszahlung gebracht werde.

Der Kläger trägt vor, dass der Beschluss zur Verlustdeckung vom 24.10.2002 nichtig sei, weil er gegen die Satzung der Beklagten und das Gesetz verstoße. Der Beschluss verletze insbesondere das genossenschaftliche Gleichheitsgebot, das eine solidarische Haftung der Genossen vorsehe.

Der Kläger beantragt,

  1. festzustellen, dass der Beschluss der Mitgliederversammlung der Beklagten vom 24.10.02, wonach die Auseinandersetzungsguthaben der ausgeschiedenen Mitglieder der Beklagten zur Deckung des Jahresfehlbetrages herangezogen und nicht ausgezahlt werden, nichtig ist;
  2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.510,20 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank nach § 1 DÜG hieraus seit dem 1.7.02 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass der Beschluss wirksam sei. Ein ausgeschiedener Genosse könne sich insoweit nicht auf den Gleichheitsgrundsatz berufen, als er infolge seines Ausscheidens schon gegenüber den Verbleibenden ungleich sei. Von den verbleibenden Genossen habe niemand den Beschluss der Mitgliederversammlung angefochten. Die schwierige wirtschaftliche Lage der Beklagten erfordere es, alle möglichen Maßnahmen zur Erhaltung der Genossenschaft und zur Vermeidung einer Insolvenz zu ergreifen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle vom 18.3.2003 und 12.6.2003 verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

1. Das Zahlungsbegehren ist überwiegend begründet.

Der Kläger kann von der Beklagten gemäß § 73 Abs. 2 GenG i. V. mit §§ 12, 17 Abs. 6 der Satzung der Beklagten einen Betrag von 5.510,20 EUR verlangen.

a) Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 der Satzung wird das Auseinandersetzungsguthaben nach dem Geschäftsguthaben des Mitgliedes berechnet. Gemäß § 17 Abs. 6 der Satzung bilden die Einzahlungen auf die Geschäftsanteile, vermehrt um zugeschriebene Gewinnanteile und vermindert um abgeschriebene Verlustanteile das Geschäftsguthaben des Mitgliedes. Gewinnzuschreibungen auf den vom Kläger eingezahlten Betrag von 10.800,– DM sind während seiner Mitgliedschaft bei der Beklagten nicht erfolgt. Entsprechendes gilt auch für die Verlustabschreibungen. Denn der Beschluss der Mitgliederversammlung vom 24.10.2002 zur Verlustdeckung ist nichtig. Nichtig sind nämlich Beschlüsse, die gegen zwingende und sachlich unverzichtbare gesetzliche Vorschriften (namentlich solcher, die dem Schutz der Genossenschaftsgläubiger oder sonstiger öffentlicher Interessen dienen) verstoßen oder dem Wesen der eingetragenen Genossenschaft widersprechen oder durch ihren Inhalt gegen die guten Sitten verstoßen (vgl. z.B. BGHZ 18, 334/338; 32, 318/323).

b) Der Beschluss vom 24.10.2002 verstößt gegen das genossenschaftliche Gleichheitsgebot sowie gegen §§ 19, 73 GenG. Gemäß § 73 Abs. 2 GenO entsteht ein Auseinandersetzungsguthaben des ausscheidenden Genossen, wenn – wie im vorliegenden Fall – die Bilanz für den Zeitpunkt der...

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