Leitsatz (amtlich)

Im Fall einer weiten Sicherungszweckerklärung im Verhältnis zwischen dem Schuldner und dem erstrangigen Grundpfandgläubiger kann dem dem zweitrangigen Grundpfandgläubiger zur Sicherung abgetretenen Anspruch auf Auskehrung des Übererlöses infolge der Verwertung des belasteten Grundstücks die Insolvenzfestigkeit fehlen.

 

Normenkette

InsO §§ 50, 51 Nr. 1, § 91 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Stade (Urteil vom 07.01.2010; Aktenzeichen 3 O 102/09)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 10.11.2011; Aktenzeichen IX ZR 142/10)

OLG Hamm (Urteil vom 25.11.2010; Aktenzeichen I-27 U 191/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Stade vom 7.1.2010 abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung um 10 % übersteigenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Auszahlung eines aufgrund eines Teilungsplans erlangten Betrages.

Die Beklagte ist Insolvenzverwalterin über das Vermögen des G. H. (im Folgenden nur noch Insolvenzschuldner oder Schuldner).

Die Klägerin gewährte dem Insolvenzschuldner mit Vertrag vom 2.8.1999 ein Darlehen über 400.000 DM, zu dessen Sicherung am 2.3.2000 zu ihren Gunsten eine zweitrangige Grundschuld an einem dem Insolvenzschuldner und seiner Ehefrau je zur ideellen Hälfte gehörenden Grundstück eingetragen wurde. Erstrangige Grundschuldgläubigerin war zuletzt die Y. Bank (im Folgenden:

Y. Bank), die eine ursprünglich zugunsten der Z. Bank eingetragene Grundschuld über 300.000 DM zzgl. 15 % Zinsen durch Abtretung erworben hatte (Bl. 14 GA; Bl. 38 der beigezogenen Akten des AG Langen - 9 K 56/04, im Folgenden Beiakten oder BA).

Als weitere Sicherheit vereinbarten die Klägerin und der Insolvenzschuldner gem. Nr. 2.1.2 des Darlehensvertrages die Abtretung der Rückgewähransprüche vor-/gleichrangiger Grundschulden. Dort heißt es im Einzelnen:

"Falls der/den Grundschuld(en) gegenwärtig oder künftig andere Grundschulden im Rang vorgehen oder gleichstehen, werden in Verbindung mit der jeweils den betreffenden Sicherungsnehmer gem. Ziff. 2.1.1. bestellten, abgetretenen Grundschuld(en) hiermit diesem Sicherungsnehmer jeweils abgetreten:

  • die Ansprüche auf Rückübertragung vor- und gleichrangiger Grundschulden und Grundstücksteile nebst Zinsen und Nebenrechten, die Ansprüche auf Erteilung einer Löschungsbewilligung, einer Verzichtserklärung, einer Nichtvalutierungserklärung sowie die Ansprüche auf Auszahlung des Übererlöses im Verwertungsfalle;
  • (...).

Die vorstehend aufgeführten Ansprüche werden zusammenfassend auch als Rückgewähranspruch/Rückgewähransprüche bezeichnet.

Diese Abtretung erfolgt mit der Maßgabe, dass der Sicherungsnehmer sich bei Fälligkeit des Rückgewähranspruchs/der Rückgewähransprüche auch aus der ihm dann abzutretenden Grundschuld(en) sowie aus einem auszuzahlenden Übererlös befriedigen darf, wobei er zusätzlich zu der/den unter Ziff. 1.1. genannten Grundschuld(en) die abzutretende(en) Grundschuld(en) zur Sicherung seiner Forderungen im Rahmen des unter Ziff. 3 vereinbarten Sicherungszweckes und den Übererlös heranziehen darf.

(...)"

Nachdem der Insolvenzschuldner seinen Zahlungsverpflichtungen aus den Darlehen der Klägerin und der Y. Bank nicht mehr nachkam, stellten beide Banken ihre Kredite durch Kündigungen fällig und versuchten, den schuldnerischen Grundbesitz im Wege der Zwangsversteigerung zu verwerten. Das Zwangsversteigerungsverfahren wurde eingeleitet und ein entsprechender Versteigerungsvermerk am 15.7.2004 im Grundbuch eingetragen (Bl. 12 GA). Nach Anzeige der Abtretung des Rückgewähranspruchs der Grundschuld ggü. der Y. Bank stimmte diese mit Schreiben vom 11.2.2005 der Abtretung zu. Zu diesem Zeitpunkt valutierte der von ihr gewährte Kredit noch i.H.v. 84.386,37 EUR.

Am 29.12.2005 wurde über das Vermögen des Insolvenzschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet und die Beklagte zur Insolvenzverwalterin bestimmt.

Die Y. Bank meldete für den für den 22.11.2006 anberaumten Zwangsversteigerungstermin Ansprüche i.H.v. insgesamt 155.370,09 EUR (Grundschuldkapital einschließlich Zinsen und Nebenleistungen, Bl. 112 BA) an, die Klägerin solche i.H.v. 426.316,64 EUR (Bl. 115 BA). Im Zwangsversteigerungstermin wurde der Zuschlag über das belastete Grundstück auf das Meistgebot von 142.000 EUR erteilt (Bl. 125, 128 BA). Als Teil des geringsten Gebots gem. § 52 ZVG blieb ein Recht aus Abteilung II Nr. 1 des Grundbuchs bestehen. Die Verhandlung über den Teilungsplan, zu der auch die Klägerin ihre Ansprüche angemeldet hatte (Bl. 154 BA), fand am 3.1.2007 statt (Bl. 159 f. BA). Der Erlösbetrag wurde i.H.v. 138.078,81 EUR an die erstrangige Grundschuldgläubigerin, die Y. Bank, ausgezahlt; die K...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt VerwalterPraxis Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge