Leitsatz (amtlich)

Ein Rechtsanwalt, der sich zur Übermittlung fristwahrender Schriftsätze eines Telefaxgerätes bedient, genügt seiner Verpflichtung, für eine wirksame Ausgangskontrolle zu sorgen, nur dann, wenn er anordnet, dass im Anschluss an den Sendevorgang ein Einzelausdruck des Sendeberichts erstellt wird, auf dessen Grundlage die ordnungsgemäße Übermittlung geprüft wird. Ein lediglich handschriftlicher Vermerk der mit der Übermittlung betrauten Mitarbeiterin, dass und zu welchem Zeitpunkt die Übermittlung erfolgt ist, erfüllt diese Anforderungen nicht.

 

Normenkette

ZPO § 233

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Urteil vom 18.05.2006; Aktenzeichen 6 O 717/05)

 

Tenor

I. Der Antrag der Klägerin vom 17.11.2006 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Berufungsfrist wird zurückgewiesen.

II. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des LG Bremen vom 18.5.2006 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

 

Gründe

I. Durch Urteil des LG Bremen vom 18.5.2006 ist die Klage der Klägerin auf Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung abgewiesen worden. Gegen dieses Urteil, das ihrem Prozessbevollmächtigten am 22.6.2006 zugestellt wurde, hat die Klägerin mit am 25.7.2006 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Auf den am 7.11.2006 zugestellten Hinweis des Senats vom 1.11.2006, dass die Berufungsschrift verspätet eingegangen und die Berufung deshalb unzulässig sei, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 17.11.2006 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass die Berufungsschrift am 20.7.2006 per E-Mail von ihrem Prozessbevollmächtigten an sie, die Klägerin, gesandt worden sei. Auf der ausgedruckten E-Mail habe der sachbearbeitende Rechtsanwalt am gleichen Tage handschriftlich verfügt, dass die Berufung vorab per Telefax und im Original über die Anwaltszentrale an das Gericht zu senden sei. Die Bearbeitung der Verfügung habe die ansonsten zuverlässige Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte Frau Behrends vorgenommen, die den Vorgang mit dem Vermerk "Gesendet am 20.7.2006 um 17.44 Uhr" abgeschlossen habe. Der sachbearbeitende Rechtsanwalt habe sich dann durch Kenntnisnahme des sich in der Akte befindlichen Vermerks von Frau Behrends von der weisungsgemäßen Erledigung des Fristablaufs noch am selben Tage überzeugt. Ein entsprechendes Telefax ist bei Gericht jedoch nicht eingegangen. Es befindet sich nicht in der Akte und auch nach der Überprüfung der Telefaxnummern des Gerichts ist ausweislich des Vermerks der zuständigen Beamtin der Geschäftsstelle vom 20.11.2006 ein Eingang nicht festzustellen.

II.1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Berufungsfrist ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Klägerin hat keine Tatsachen i.S.v. § 233 ZPO vorgetragen, wonach sie ohne Verschulden an der Wahrung der Frist gehindert war, denn ihr Prozessbevollmächtigter hat die Berufungsfrist von einem Monat (§ 517 ZPO) schuldhaft versäumt. Sein Verschulden muss sich die Klägerin gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist der Anwalt gehalten, durch entsprechende organisatorische Maßnahmen Fehlerquellen bei der Behandlung von Fristsachen in größtmöglichem Umfang auszuschließen. Dazu gehört insb. eine wirksame Ausgangskontrolle, die vor allem erfordert, dass Notfristen erst dann im Fristenkalender gelöscht werden, wenn das fristwahrende Schriftstück tatsächlich abgesandt worden ist oder zumindest sicher Vorsorge dafür getroffen ist, dass es tatsächlich rechtzeitig hinausgeht. Für die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax bedeutet dies, dass die Pflicht des Anwalts zur Ausgangskontrolle erst dann endet, wenn feststeht, dass der Schriftsatz wirklich übermittelt worden ist. Mit Rücksicht auf die Risiken beim Einsatz eines Telefaxgerätes kommt der Rechtsanwalt seiner Verpflichtung, für eine wirksame Ausgangskontrolle zu sorgen, nur dann nach, wenn er seinen dafür zuständigen Mitarbeitern die Weisung erteilt, sich einen Einzelnachweis ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen und die Notfrist erst nach Kontrolle des Sendeberichts zu löschen (BGH v. 16.9.1993 - V ZB 33/93, BRAK 1994, 54 = CR 1994, 164 = NJW 1993, 3140; v. 24.3.1993 - XII ZB 12/93, BRAK 1993, 231 = MDR 1993, 580 = BRAK 1994, 54 = CR 1993, 547 = NJW 1993, 1655 [1656]; BFH v. 19.11.1997 - VIII ZB 33/97, NJW 1998, 907; BGH v. 23.10.2003 - V ZB 28/03, BGHReport 2004, 266 = MDR 2004, 408 = NJW 2004, 367 [368 f.]; BGH v. 21.7.2004 - XII ZB 27/03, BGHReport 2004, 1580 = MDR 2004, 1433 = NJW 2004, 3490; v. 26.1.2006 - I ZB 64/05, MDR 2006, 900 = BGHReport 2006, 746 = NJW 2006, 1519 f., jeweils m.w.N.). Diese Anforderungen sind hier nicht erfüllt.

Aus den im Wiedereinsetzungsgesuch mitgeteilten Umständen ergibt sich schon nicht, dass im Büro des Klägervertreters die generelle Anweisung best...

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