Leitsatz (amtlich)

Bei einem Bausparvertrag stellt der Eintritt der Zuteilungsreife keinen vollständigen Empfang des Darlehens im Sinne des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB dar und vermag deshalb eine darauf gestützte Kündigung nicht zu rechtfertigen (Anschluss an OLG Stuttgart, Urteil vom 30.03.2016 - 9 U 171/15 = WM 2016, 742 = ZIP 2016, 910 = BKR 2016, 247; entgegen OLG Köln, Urteil vom 15.02.2016 - 13 U 151/15 -, OLG Hamm, Beschluss vom 30.12.2015 - 31 U 191/15 u.a.).

 

Normenkette

BGB § 489 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Würzburg (Urteil vom 04.02.2016; Aktenzeichen 63 O 1317/15)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des LG Würzburg vom 04.02.2016, Az.: 63 O 1317/15, abgeändert.

1. Es wird festgestellt, dass die Kündigungen der Bausparverträge der Kläger mit der Beklagten Nrn. 001, 002 und 003 vom 16.02.2015 unwirksam sind.

2. Die Beklagte trägt die Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung i.H.v. 958,19 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 04.08.2015.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und bleibt die Klage abgewiesen.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über den Fortbestand von drei Bausparverträgen und die Wirksamkeit von Kündigungen der Beklagten, die diese mehr als zehn Jahre nach Eintritt der Zuteilungsreife, gestützt auf § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB, erklärt hat.

Die Kläger schlossen mit der Beklagten, einer Bausparkasse, die nachfolgenden drei Bausparverträge:

1. Bausparvertrag Nr. 001; Laufzeitbeginn: 30.03.1985 mit einem festen Guthabenszins von 3 % p.a.

Mit der Währungsumstellung wurde die Bausparsumme/Zuteilungssumme auf 10.225,84 Euro umgerechnet. Die Mindestansparung von 4.090,34 Euro wurde im Juli 1996 erreicht. Der Saldo betrug zum 31.12.2014 6.955,65 Euro.

2. Bausparvertrag Nr. 002; Laufzeitbeginn: 25.04.1996 mit einem festen Guthabenszins von 2,5 % p.a.

Mit der Währungsumstellung wurde die Bausparsumme auf 5.112,92 Euro umgerechnet. Die Mindestansparung/Zuteilungssumme von 2.045,17 Euro wurde im Dezember 2002 erreicht. Der Saldovortrag zum 31.12.2014 betrug 2.760,88 Euro.

3. Bausparvertrag Nr. 003; Laufzeitbeginn: 18.12.1987 mit einem festen Guthabenszins von 3 % p.a.

Mit der Währungsumstellung wurde die Bausparsumme auf 15.338,76 Euro umgerechnet. Die Mindestansparung/Zuteilungssumme von 6.135,50 Euro wurde Ende 1997 erreicht. Der Saldovortrag zum 31.12.2014 betrug 12.622,88 Euro.

Die dem Vertrag zugrunde liegenden allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (ABB) enthalten u.a. folgende Bedingungen:

§ 1 Vertragszweck

(1) Zweck des Bausparvertrages ist die Erlangung eines unkündbaren, in der Regel zweitstellig zu sichernden Tilgungsdarlehens (Bauspardarlehen) aufgrund planmäßiger Sparleistungen nach Maßgabe dieser Allgemeinen Bedingungen.

§ 5 Sparzahlungen

(1) Der monatliche Bausparbeitrag beträgt 4,17 (Tarif 1) bzw. 4,2 (Tarif 2) vom Tausend der Bausparsumme (Regelsparbeitrag). Er ist bis zur ersten Auszahlung aus der zugeteilten Bausparsumme am Ersten jeden Monats kostenfrei an die Bausparkasse zu entrichten.

(2) Sonderzahlungen sind grundsätzlich zulässig. Die Bausparkasse kann deren Annahme von ihrer Zustimmung abhängig machen.

(3) Ist der Bausparer unter Anrechnung von Sonderzahlungen mit mehr als 6 Regelsparbeiträgen rückständig und hat er der schriftlichen Aufforderung der Bausparkasse, nicht geleistete Bausparbeiträge zu entrichten, länger als 2 Monate nach Zugang der Aufforderung nicht entsprochen, so kann die Bausparkasse den Bausparvertrag kündigen. Im Fall der Kündigung gilt § 9 Abs. 2 entsprechend.

(4) Ist der Bausparvertrag zugeteilt, so tritt an die Stelle des Rechtes der Bausparkasse, den Bausparvertrag zu kündigen, das Recht, das dem Bausparer bereitgestellte (§ 13) oder bereitzustellende (§ 14) Bauspardarlehen um die rückständigen Bausparbeiträge samt deren Zinsen zu kürzen.

§ 12 Zuteilungsnachricht

(1) Die Zuteilung wird dem Bausparer unverzüglich schriftlich mitgeteilt mit der Aufforderung, binnen 4 Wochen ab Datum der Zuteilung zu erklären, ob er die Zuteilung annimmt.

(2) Der Bausparer kann die Annahme der Zuteilung widerrufen, solange die Auszahlung der Bausparsumme noch nicht begonnen hat.

§ 13 Bereithaltung der Bausparsumme

(1) Mit Annahme der Zuteilung stellt die Bausparkasse dem Bausparer sein Bausparguthaben und ein Bauspardarlehen in Höhe des das Bausparguthaben übersteigenden Teiles der Bausparsumme bereit.

(2) (...)

§ 14 Vertragsfortsetzung

(1) Nimmt der Bausparer die Zuteilung nicht an oder gibt er die Annahmeerklärung nicht fristgemäß ab oder wird die Annahme der Zuteilung widerrufen, so wird der Bausparvertrag fortgesetzt.

(2) Setzt der Bausparer seinen Bausparvertrag fort, so kann e...

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