Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,00, Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre) zu unterlassen,

für Presse-Grossisten in Deutschland einheitliche Grosso-Konditionen (insbesondere Handelsspannen und Laufzeiten) mit bzw. gegenüber den Verlagen/Vertriebsgesellschaften/Nationalvertrieben zu verhandeln und/oder zu vereinbaren,

und/oder

Presse-Grossisten aufzufordern, individuelle Verhandlungen mit der Klägerin über Grosso-Konditionen zu verweigern.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 25.000,00 € (insgesamt 50.000,00 €), im Übrigen in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte betreibe und koordiniere unter den Presse-Grossisten ein kartellrechtswidriges Preis- und Konditionenkartell und verlangt dies zu unterlassen.

Die Klägerin ist die Vertriebsgesellschaft der L Media Group, neben der T2 AG, der K Gruppe, der H-Gruppe und der J-Gruppe einer der fünf größten deutschen Verlagshäuser. Die L Media Group ist im deutschen Markt Marktführer im Bereich Programm- und Frauenzeitschriften. Der Umsatz betrug 2009 2.107 Mio. €. Der Marktanteil am gesamten Pressemarkt beläuft sich auf 15 %.

Bei dem Beklagten handelt es sich um die bundesweite Vereinigung von Presse-Grossisten. Ihm gehören alle verlagsunbeteiligten Presse-Grossisten an, die also weder direkt noch indirekt mit überregionalen Verlagen oder Lieferanten verbunden sind. Neben 55 verlagsunbeteiligten Presse-Grossisten gibt es 15 weitere Grossisten, an denen Verlage beteiligt sind.

Ein verlagsbeteiligter Grossist ist die O GmbH (O), die der L Media Group konzernangehörig ist.

In Deutschland werden nahezu alle Zeitungen, Zeitschriften und sonstigen Publikationen des typischen Zeitschriftensortiments im sog. Presse-Grosso über die Verlage, Vertriebsgesellschaften und Nationalvertriebe an die Presse-Grossisten und von diesen an den Einzelhandel geliefert. Ausgenommen hiervon ist lediglich der Bahnhofsbuchhandel sowie der Abonnoment-Vertrieb und die Belieferung von Lesezirkeln. Die Klägerin verhandelte in der Vergangenheit Handelsspannen mit dem Verband der Bahnhofsbuchhandlungen.

Kennzeichnend für das Presse-Grosso sind das Dispositionsrecht der Verlage, also das Recht der Verlage, das Sortiment der Presseerzeugnisse eigenständig zu gestalten und die Abnahmeverpflichtung der Presse-Grossisten, das Remissionsrecht des Handels, also das Recht der Einzelhändler und der Presse-Grossisten, die nicht verkauften Exemplare wieder an die Verlage gegen Erstattung des Preises zurückzugeben, die Neutralitätspflicht, also die Pflicht der Presse-Grossisten, alle Verlagserzeugnisse im Zugang zum Markt gleich und diskriminierungsfrei zu behandeln sowie das in § 30 GWB geregelte Preisbindungsrecht der Verlage für den Endverkauf. Die Preisbindung gilt nur für den Endverkaufspreis, nicht aber für die Preisbildung zwischen Verlagen und Presse-Grossisten (Handelsspannen).

Im Presse-Grosso sind die Presse-Grossisten ihrerseits berechtigt, über die Auswahl der Lieferungen an den Einzelhandel zu disponieren.

Eine Besonderheit des Presse-Grosso ist die Herausbildung von Gebietsmonopolen für die einzelnen Presse-Grossisten entsprechend der Gebietskarte (Anlage K 6), mit Ausnahme von vier Grossogebieten, u.a. E und F, wo jeweils zwei Presse-Grossisten (sog. Doppel-Grosso) tätig sind. Die Presse-Grossisten gewähren danach untereinander absoluten Gebietsschutz. Diese Gebietsmonopole sind 1972 festgelegt und seither bis 2009 allseits, einschließlich der Klägerin bzw. ihrer Rechtsvorgänger, einvernehmlich praktiziert worden.

Die Vertragsbeziehungen zwischen Verlagen und Presse-Grossisten werden neben den Lieferungs- und Zahlungsbedingungen der Verlage sowie den Preisbindungsvereinbarungen mit den Verlagen geregelt durch Branchenbestimmungen, nämlich KVM "Koordiniertes Vertriebsmanagement" (Anlage B 27), MBR "Marktgerechte Bezugsregulierung" (Anlage B 28), KR "Körperlose Remission" (Anlage B 29) sowie u.a. der EHASTRA, einer von den Presse-Grossisten ständig aktualisierten Vollerhebung des Presse führenden Einzelhandels.

Die Vorgängerin der Klägerin, die L Verlag KG, gründete ihr Vertragsverhältnis zu den Presse-Grossisten auf Allgemeine Lieferungs- und Zahlungsbedingungen aus 1966. Wechsel in den Vertriebsunternehmen oder die Einführung der Gebietsmonopole wurden nicht schriftlich dokumentiert.

Der Beklagte führte - und führt bis auf das Verhältnis zur Klägerin weiterhin - für die Presse-Grossisten die Preis- und Konditionenverhandlungen mit den Verlagen. Das Verhandlungsergebnis mit einem Verlag wurde sodann von den anderen Verlagen übernommen und inhaltsgleich ...

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