Nachgehend

OLG Naumburg (Urteil vom 13.11.2008; Aktenzeichen 6 U 63/08)

 

Tenor

  • 1.

    Es wird festgestellt, dass die durch die Beklagte vorgenommene Anpassung des monatlichen Grundpreises für die Trinkwasserversorgung für den Zeitraum ab Januar 2006 gegenüber der Klägerin unwirksam ist.

  • 2.

    Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  • 3.

    Das Urteil ist für die Klägerin wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

und beschlossen:

  • 4.

    Der Streitwert wird auf 206 607,42 Euro festgesetzt (3,5 mal 59 030,69 Euro).

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um eine von der Beklagten mit Wirkung zum 01.01.2006 vorgenommene Veränderung des Grundpreises für Trinkwasser.

Die Klägerin ist eine der größten Wohnungsbaugenossenschaften in Naumburg, die überwiegend größere Mehrfamilienhäuser unterhält und von der Beklagten Trinkwasser bezieht. Die Beklagte ist das einzige örtliche Trinkwasserunternehmen. Ihr gegenüber besteht Anschluss- und Benutzungszwang. Zwischen den Parteien besteht ein Wasserversorgungsvertrag, auf den gemäß § 1 Abs. 1 AVBWasserV die §§ 2 bis 34 AVBWasserV Anwendung finden. Jedenfalls bis zum 01.01.2006 galten die Preise gemäß Tarifblatt vom 01.01.2002, für dessen Inhalt auf Bl. 17 d.A. verwiesen wird. Das Tarifblatt vom 01.01.2002 sieht einen monatlichen Grundpreis für die Bereitstellung des Trinkwassers und einen Arbeitspreis vor, der nach der verbrauchten Menge an Trinkwasser berechnet wird. Der monatliche Grundpreis wird nach Zählergröße und Durchflussmenge bestimmt, wobei insgesamt 7 Zählergrößen zur Verfügung stehen. Dabei reicht der kleinste Zähler Qn 2,5 (zu einem monatlichen Grundpreis von 10,95 Euro brutto) für die Versorgung eines Hauses mit bis zu 3 Wohneinheiten aus. Teilweise hatte die Klägerin in Absprache mit der Beklagten auch für Häuser mit mehr als 3 Wohneinheiten nur einen Zähler von der Größe 2,5 Qn, um den Wasserpreis niedrig zu halten. Hierfür nahm sie in Kauf, dass dann in Spitzenversorgungszeiten das Wasser nicht in vollen Strömen aus der Leitung floss.

Mit Schreiben vom 17.08.2005 teilte die Beklagte der Klägerin die allgemeine Anpassung des monatlichen Grundpreises für die Trinkwasserversorgung ab 01.01.2006 mit, wobei der Arbeitspreis unverändert blieb. Demgemäß sollte für Haushaltskunden der Grundpreis ab 01.01.2006 nicht mehr nach Zählergröße, sondern nach Anzahl der Wohneinheiten bemessen werden und pro Wohneinheit 7,29 Euro brutto betragen. Mit Schreiben vom 10.10.2005, Anlage B 7, Bl. 203 d.A., dessen Zugangszeitpunkt bei der Klägerin aber zwischen den Parteien streitig ist, werden leer stehende Wohneinheiten unter bestimmten Bedingungen von der Zahlung des Grundpreises ausgenommen. Mit Schreiben vom 06.12.2005, Bl. 10 d.A., teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie die Anpassung der Wasserpreise zum 01.01.2006 für unwirksam halte, und behielt sich den Klageweg vor.

Zu den Kosten, die ein Wasserversorgungsunternehmen mit den Wasserpreisen abdecken muss, gehören die Fixkosten (Personal, Bau und Unterhaltung des Leitungssystems und der Trinkwasseraufbereitungsanlagen, Bereitstellung von genügend Wasser für Zeiten des Spitzenverbrauchs etc.) und die wasserabgeabeabhängigen, variablen Kosten. Die Fixkosten belaufen sich bei Wasserversorgungsunternehmen auf 80 bis 90 % der Gesamtkosten. Dies ist bei der Beklagten nicht anders. Dennoch deckt die Beklagte auch mit ihrem zum 01.01.2006 eingeführten Tarif die Fixkosten mit dem Grundpreis nicht vollständig ab. Der Rest wird über den Arbeitspreis abgedeckt, so dass nach wie vor eine sogenannte Mischkalkulation vorliegt. Der Wasserverbrauch der privaten Haushalte ist in den letzten Jahren insbesondere in Ostdeutschland zurückgegangen (sogenannter Wasserspareffekt).

Die Klägerin behauptet, die von der Beklagten vorgenommene Änderung des Grundpreises zum 01.01.2006 führe für sie für das Jahr 2006 zu einem Anstieg der Wasserkosten um insgesamt 70 % im Vergleich zum Jahr 2004. Der Grundpreis im Jahr 2004 habe 9 893,55 Euro betragen, mit der streitgegenständlichen Veränderung betrage er 68 924,24 Euro jährlich. Insgesamt (einschließlich des Arbeitspreises von folglich 73 370,83 Euro) habe sie im Jahre 2004 83 264,38 Euro an Wasserkosten bezahlt. Lege man den Verbrauch des Jahres 2004 auch für das Jahr 2006 zu Grunde, würden sich ihre Wasserkosten für das Jahr 2006 auf insgesamt rund 142 305,07 Euro belaufen. Sie ist der Meinung, die streitgegenständliche Tarifgestaltung verletze den Gleichheitssatz und verstoße gegen das Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip. Statistisch sei belegt, dass der Mensch die dominierende Einflussgröße für den Spitzendurchfluss sei und nicht etwa die Anzahl der Verbrauchseinrichtungen (Bl. 104 f.d.A.). Die Preisstrukturänderung sei eine missbräuchliche Preiserhöhung. Zwar würden Einfamilienhäuser entlastet (Senkung der Grundgebühr von monatlich 10,95 Euro auf 7,29 Euro), aber alle anderen Eigentümer mit 2 oder mehr Wohneinheiten müssten ein...

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