Leitsatz (amtlich)

1. Die Verfahrensregelungen in § 319 Abs. 6 Satz 7 und 9 AktG i.d.F. des am 4.8.2009 verkündeten Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie vom 30.7.2009 sind verfassungsgemäß.

2. Ein Aktionär ist auf der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft dann nicht "erschienen" i.S.v. § 245 Nr. 1 AktG, wenn er dem für ihn teilnehmenden Dritten im Rahmen der sog. Legitimationsübertragung gem. § 129 Abs. 3 Satz 1 AktG nur das Stimmrecht übertragen, nicht jedoch den Besitz bzw. ein Surrogat an den Inhaberaktien übergeben hat.

3. Die Anfechtung eines "Squeeze-out-Beschlusses" aufgrund von inhaltlichen Mängeln des Prüfberichts scheidet aufgrund der Regelung in § 327 f. Satz 1 Alt. 2 AktG grundsätzlich aus.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 104 O 69/09)

 

Tenor

Es wird festgestellt, dass die vor dem LG Berlin zu 104 O 69/09 rechtshängige Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage des Antragsgegners gegen den in der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 16.6.2009 zu TOP 7 gefassten Beschluss, nämlich:

"Die auf den Inhaber lautenden Stückaktien an der J. Aktiengesellschaft mit Sitz in Berlin, die von anderen Aktionären (Minderheitsaktionäre) als der S. GmbH mit Sitz in Köln (Hauptaktionärin) gehalten werden, werden gem. §§ 327a ff. AktG gegen Gewährung einer von der S. GmbH zu zahlenden angemessenen Barabfindung i.H.v. 7,53 EUR je auf den Inhaber lautenden Stückaktien mit einem anteiligen Betrag des Grundkapitals i.H.v. 1 EUR auf die S. GmbH übertragen."

der Eintragung dieses Beschlusses in das Handelsregister gem. § 327e AktG nicht entgegensteht.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 50.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die 1992 gegründete Antragstellerin, eine ab 1.11.2005 börsennotierte Aktiengesellschaft der Pharmabranche mit Sitz in Berlin, begehrt mit ihrem Antrag die Freigabe des Beschlusses der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 16.6.2009 zu TOP 7, durch den die Aktien der Minderheitsaktionäre der Antragstellerin gem. §§ 327a ff. AktG auf die S. GmbH (im Folgenden S. GmbH), welche nach Behauptung der Antragstellerin zu mehr als 95 % an dem Grundkapital der Antragstellerin beteiligt sein soll, übertragen werden sollen. Vor dem LG Berlin ist die Hauptsacheklage (Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage) des hiesigen Antragsgegners unter dem Aktenzeichen 104 O 69/09 rechtshängig. Die Akte ist zu Informationszwecken beigezogen.

Das Grundkapital der Antragstellerin beträgt 58.942.179 EUR und ist eingeteilt in 58.942.179 auf den Inhaber lautenden Stückaktien mit einem anteiligen Betrag des Grundkapitals von 1 EUR je Aktie. Unternehmensgegenstand der Antragstellerin ist die Entwicklung, die Herstellung und der Vertrieb von chemischen und biochemischen Produkten und Wirkstoffen und von Pharmazeutika und Diagnostika, und zwar von neuartigen Arzneimitteln auf Peptid-Basis insbesondere zur Behandlung akuter Attacken des heriditären Angioödems (HAE). Unter dem 24.4.2008 gab der Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittelagentur im Rahmen des Verfahrens zur Zulassung des von der Antragstellerin entwickelten Medikaments F. eine positive Stellungnahme ab, und die Kommission der europäischen Union erteilte der Antragstellerin am 15.7.2008 die Zulassung für diese Medikament (Anlage Ast 17).

Anders stellte sich die Sachlage auf dem US-amerikanischen Arzneimittelmarkt dar. Von der dortigen Zulassungsbehörde erhielt die Antragstellerin ebenfalls am 24.4.2008 einen Bescheid über die Nichtzulassung dieses Medikaments, da die Ergebnisse der - in den USA - durchgeführten klinischen Phase-III-Studie nicht hinreichend dessen Wirksamkeit gezeigt hätten. Im Dezember 2008 verlangte die amerikanische Zulassungsbehörde eine neue klinische Phase-III-Studie.

Aufgrund der für die Forschung und Entwicklung der Medikamente erforderlichen erheblichen Investitionen erfolgte am 1.11.2005 der Börsengang der Antragstellerin. In einem Beschluss der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 13. 06 2007 wurde der Vorstand ermächtigt, das Grundkapital der Antragstellerin mit Zustimmung des Aufsichtsrats durch Ausgabe von bis zu 26.213.135 (heute gem. § 6 Abs. 6 der Satzung: 26.267.352) neue Stammaktien gegen Bar- oder Sacheinlage einmalig oder mehrmalig um insgesamt bis zu 26.213.135 EUR (heute gem. § 6 Abs. 6 der Satzung: 26.267.352 EUR) zu erhöhen (im Folgenden: Genehmigtes Kapital 2005/II). Zugleich war der Vorstand ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats das Bezugsrecht auszuschließen, wenn die Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen 10 Prozent des Grundkapitals nicht übersteigt und der Ausgabebetrag den Börsenpreis der bereits börsennotierten Aktien gleicher Art zum Zeitpunkt der endgültigen Festlegung des Ausgabebetrages nicht wesentlich unterschreitet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Satzung der Antragstellerin in der Fassung gemäß Hauptversammlungsbeschluss vom 13.6.2007 (Anlage ASt 13) und auf die aktuelle Satzung der Antragstellerin (Anlage ASt 2) Bezug...

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