12.1 Begriff

Der Insolvenzverwalter kann ein Wohnungseigentum freigeben.[1] Diese Freigabe ist eine einseitige, empfangsbedürftige, konstitutiv wirkende Willenserklärung gegenüber dem Insolvenzschuldner[2], einen zur Insolvenzmasse zählenden Gegenstand, etwa das Wohnungseigentum, aus dem Haftungsverband der Insolvenzmasse und damit aus dem Insolvenzbeschlag zu lösen. Die Freigabe wird mit Zugang der Erklärung beim Schuldner wirksam.[3] Eine Freigabe wird in der Regel dann erklärt, wenn sich aus der Verwertung des Wohnungseigentums keine Vermehrung der Aktivmasse erwarten lässt, z. B. weil es über den Verkehrswert hinaus belastet ist und nicht vermietet werden kann, etwa weil es der Insolvenzschuldner selbst bewohnt.[4] Eine Freigabe überführt einen zur Masse gehörenden Vermögensgegenstand in das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners, der damit wieder in vollem Umfang in seine Rechte eintritt.[5]

 

Keine Pflicht zur Freigabe

Unterlässt der Insolvenzverwalter eine mögliche Freigabe, schuldet er der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer weder aus § 61 InsO noch aus § 60 InsO Schadensersatz wegen entgangenen Hausgeldes.[6] Es besteht keine "Pflicht zur Freigabe".[7]

12.2 Wirkungen

12.2.1 Hausgeldschuldner

Wie sich eine Freigabe auf die Frage auswirkt, wer Hausgeldschuldner ist, ist streitig. Relativ geklärt scheint zu sein, dass der Insolvenzverwalter für diejenigen Forderungen haftet, die während der Dauer der Insolvenzverstrickung des Wohnungseigentums fällig geworden sind.[1] Die Freigabe von Vermögensgegenständen aus der Insolvenzmasse wirkt nämlich nur für die Zukunft.[2] Noch etwas umstritten ist hingegen, ob das auch für die nach dieser Zeit fällig werdenden Hausgelder gilt.[3] Zutreffend ist wohl, dass der Hausgeldanspruch an das Bestehen von Miteigentum am Grundstück anknüpft und dieses nach Herauslösen aus der Insolvenzmasse Haftungsmasse sein muss.[4] Damit schuldet nach einer Freigabe allein der Wohnungseigentümer das Hausgeld.[5]

[1] LG Kassel, Beschluss v. 12.4.2007, 3 T 30/07, ZIP 2007 S. 2370; Cranshaw, ZfIR 2015, S. 461, 470.Bergerhoff in Bärmann/Seuß, Praxis des Wohnungseigentums, § 93 Rn. 46.
[4] Vallender, NZI 2004, S. 401.
[5] KG, Beschluss v. 20.8.2003, 24 W 142/02, NZM 2004 S. 383; AG Halle (Saale), Urteil v. 8.3.2011, 120 C 4271/10; Lüke, ZWE 2010, S. 62, 66; Bergerhoff in Bärmann/Seuß, Praxis des Wohnungseigentums, § 93 Rn. 47; Keller in Elzer/Fritsch/Meier, Wohnungseigentumsrecht, Teil 5 Rn. 371.

12.2.2 Vollstreckungsverbot

Grundsatz

Gibt der Insolvenzverwalter oder Treuhänder einen dem Schuldner gehörenden Gegenstand, z. B. das Wohnungseigentum, aus der Insolvenzmasse frei, unterliegt dieser Gegenstand als sonstiges Vermögen des Schuldners grundsätzlich dem Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO.[1] Ein Insolvenzgläubiger kann daher ungeachtet der Freigabe erst nach Abschluss des Insolvenzverfahrens gegen den Wohnungseigentümer im Wege der Vollstreckung, etwa durch einen Antrag auf Anordnung der Zwangsverwaltung, wegen des freigegebenen Wohnungseigentums vorgehen.[2] Nach Freigabe stehen die Einnahmen aus dem Wohnungseigentum dem Schuldner zu.[3] Er tritt in vollem Umfang in seine Rechte als Wohnungseigentümer ein.[4]

Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat allerdings die Möglichkeit, sich einen Vollstreckungstitel in Bezug auf die in § 10 Abs. 1 Nr. 2, § 155 Abs. 2 Satz 2 ZVG aufgeführten Hausgeldansprüche zu verschaffen (Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung) und gestützt auf diesen Titel zu vollstrecken, z. B. die Zwangsverwaltung des Wohnungseigentums zu beantragen.[5] Bleibt der Schuldner nach der F...

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