Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen. Grundsatz der Bilanzwahrheit. Erwerb einer Finanzanlage durch eine Aktiengesellschaft. Ausweisung eines Skontos für eine unverzinsliche Verbindlichkeit mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr in der Gewinn- und Verlustrechnung als Aufwendung und Ausweisung der Anschaffungskosten der Anlage auf der Aktivseite der Bilanz unter Abzug des Skontos

 

Normenkette

Richtlinie 78/660/EWG

 

Beteiligte

Wagram Invest

Wagram Invest SA

Belgischer Staat

 

Tenor

Der in Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 aufgrund von [Art. 44 Abs. 2 Buchst. g EG] über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen aufgestellte Grundsatz der Bilanzwahrheit ist in dem Fall, in dem eine Aktiengesellschaft eine Finanzanlage erwirbt, deren Bezahlung über einen längeren Zeitraum gestaffelt und zinsfrei unter Bedingungen, die denen eines Darlehens gleichen, vorgesehen ist, dahin auszulegen, dass er der Verwendung einer Buchungsmethode nicht entgegensteht, bei der ein Skonto zum marktüblichen Zinssatz für eine unverzinsliche Verbindlichkeit in Bezug auf diesen Erwerb mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr in der Gewinn- und Verlustrechnung als Aufwendung und die Anschaffungskosten dieser Anlage auf der Aktivseite der Bilanz unter Abzug des Skontos ausgewiesen werden.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour d'appel de Mons (Berufungsgericht Mons, Belgien) mit Entscheidung vom 21. September 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Oktober 2018, in dem Verfahren

Wagram Invest SA

gegen

Belgischer Staat

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev (Berichterstatter) sowie der Richter P. G. Xuereb und T. von Danwitz,

Generalanwalt: G. Pitruzzella,

Kanzler: M. Aleksejev, Referatsleiter,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. September 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Wagram Invest SA, vertreten durch B. Paquot und J. Terfve, avocats,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch C. Pochet, J.-C. Halleux und P. Cottin als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, zunächst vertreten durch J. Möller, U. Bartl, M. Hellmann und T. Henze, dann durch J. Möller, U. Bartl und M. Hellmann als Bevollmächtigte,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch J. Schmoll und G. Hesse als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Støvlbæk, N. Gossement und C. Perrin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 27. November 2019

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Vierten Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 aufgrund von [Art. 44 Abs. 2 Buchst. g EG] über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen (ABl. 1978, L 222, S. 11).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Wagram Invest SA und dem belgischen Staat über die von Wagram Invest für die Steuerjahre 2000 und 2001 geschuldete Körperschaftsteuer.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Im dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 78/660 heißt es:

„[Es ist] erforderlich, dass hinsichtlich des Umfangs der zu veröffentlichenden finanziellen Angaben in der Gemeinschaft gleichwertige rechtliche Mindestbedingungen für miteinander im Wettbewerb stehende Gesellschaften hergestellt werden.”

Rz. 4

In Art. 2 der Richtlinie heißt es:

„…

(3) Der Jahresabschluss hat ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft zu vermitteln.

(4) Reicht die Anwendung dieser Richtlinie nicht aus, um ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild im Sinne des Absatzes 3 zu vermitteln, so sind zusätzliche Angaben zu machen.

(5) Ist in Ausnahmefällen die Anwendung einer Vorschrift dieser Richtlinie mit der in Absatz 3 vorgesehenen Verpflichtung unvereinbar, so muss von der betreffenden Vorschrift abgewichen werden, um sicherzustellen, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild im Sinne des Absatzes 3 vermittelt wird. Die Abweichung ist im Anhang anzugeben und hinreichend zu begründen; ihr Einfluss auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage ist darzulegen. Die Mitgliedstaaten können die Ausnahmefälle bezeichnen und die entsprechende Ausnahmeregelung festlegen.

…”

Rz. 5

In Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie heißt es:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass für die Bewertung der Posten im Jahresabschluss folgende allgemeine Grundsätze gelten:

c) Der Grundsatz der Vorsicht muss in jedem Fall beachtet werden. Das bedeutet insbesondere:

aa) Nur die am Bilanzstichtag realisierten Gewinne werden ausgewiesen.

bb) Es müssen alle voraussehbaren Risiken und zu vermutenden Verluste berücksichtigt werden, die in dem Geschäftsjahr oder einem früheren Geschäftsjahr entstanden sind, selbst ...

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