Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer. Arbeit an Bildschirmgeräten. Schutz der Augen und des Sehvermögens der Arbeitnehmer. Spezielle Sehhilfen. Brillen. Erwerb durch den Arbeitnehmer. Modalitäten der Kostenübernahme durch den Arbeitgeber

 

Normenkette

Richtlinie 90/270/EWG Art. 9 Abs. 3

 

Beteiligte

Inspectoratul General pentru Imigrări

TJ

Inspectoratul General pentru Imigrări

 

Tenor

1. Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 90/270/EWG des Rates vom 29. Mai 1990 über Mindestvorschriften bezüglich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit an Bildschirmgeräten (Fünfte Einzelrichtlinie im Sinne von Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG)

ist dahin auszulegen, dass

„spezielle Sehhilfen” im Sinne dieser Bestimmung Korrekturbrillen einschließen, die spezifisch darauf gerichtet sind, Sehbeschwerden im Zusammenhang mit einer Arbeit, bei der ein Bildschirmgerät involviert ist, zu korrigieren und diesen vorzubeugen. Im Übrigen beschränken sich diese „speziellen Sehhilfen” nicht auf Sehhilfen, die ausschließlich im Beruf verwendet werden.

2. Art. 9 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 90/270

ist dahin auszulegen, dass

die in dieser Bestimmung vorgesehene Verpflichtung des Arbeitgebers, den betroffenen Arbeitnehmern eine spezielle Sehhilfe zur Verfügung zu stellen, entweder dadurch erfüllt werden kann, dass dem Arbeitnehmer die Sehhilfe vom Arbeitgeber unmittelbar zur Verfügung gestellt wird, oder dadurch, dass die vom Arbeitnehmer getätigten notwendigen Aufwendungen erstattet werden, nicht aber dadurch, dass ihm eine allgemeine Gehaltszulage gezahlt wird.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Curtea de Apel Cluj (Berufungsgericht Cluj [Klausenburg], Rumänien) mit Entscheidung vom 12. April 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Juni 2021, in dem Verfahren

TJ

gegen

Inspectoratul General pentru Imigrări,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richterin M. L. Arastey Sahún (Berichterstatterin) sowie der Richter F. Biltgen, N. Wahl und J. Passer,

Generalanwältin: T. Ćapeta,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von TJ, vertreten durch I. Kis, Avocat,
  • des Inspectoratul General pentru Imigrări, vertreten durch M.-G. Creţu, C. Vasilache und S.-I. Voicu als Bevollmächtigte,
  • der rumänischen Regierung, vertreten durch E. Gane als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsberaterin L. Baţagoi,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Garofoli, Avvocato dello Stato,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Armenia und D. Recchia als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 14. Juli 2022

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 9 der Richtlinie 90/270/EWG des Rates vom 29. Mai 1990 über die Mindestvorschriften bezüglich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit an Bildschirmgeräten (Fünfte Einzelrichtlinie im Sinne von Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) (ABl. 1990, L 156, S. 14).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen TJ und dem Inspectoratul General pentru Imigrări (Generalinspektorat für Einwanderung, Rumänien) (im Folgenden: Generalinspektorat) wegen der Ablehnung des Antrags von TJ auf Erstattung der Kosten für den Erwerb einer Brille.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 89/391/EWG

Rz. 3

Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (ABl. 1989, L 183, S. 1) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1137/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 (ABl. 2008, L 311, S. 1) lautet:

„Der Rat erlässt auf der Grundlage eines auf Artikel [153 AEUV] des Vertrages beruhenden Vorschlags der Kommission Einzelrichtlinien, unter anderem für die im Anhang aufgeführten Bereiche.”

Richtlinie 90/270

Rz. 4

Der vierte Erwägungsgrund der Richtlinie 90/270 hat folgenden Wortlaut:

„Die Einhaltung der Mindestvorschriften zur Sicherstellung eines höheren Maßes an Sicherheit an Bildschirmarbeitsplätzen ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Gewährleistung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer.”

Rz. 5

Art. 1 („Zielsetzung”) Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Diese Richtlinie ist die fünfte Einzelrichtlinie im Sinne von Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG. Sie legt Mindestvorschriften in Bezug auf die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Arbeit an Bildschirmgeräten im Sinne von Artikel 2 fest.”

Rz. 6

Art. 9 („Schutz der Augen und des Sehvermögens der Arbeitnehmer”) der Richtlinie lautet:

„(1) Die Arbeitnehmer haben das Recht auf eine angemessene Untersuchung der Augen un...

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