Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsmittel. Nichtigkeitsklage gegen eine Entscheidung der Kommission über die Verhängung einer Geldbuße wegen Siegelbruch. Beweislast. Verfälschung von Beweisen. Begründungspflicht. Höhe der Geldbuße. Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

 

Beteiligte

E.ON Energie / Kommission

E.ON Energie AG

Europäische Kommission

 

Tenor

1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2. Die E.ON Energie AG trägt die Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 25. Februar 2011,

E.ON Energie AG mit Sitz in München (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. Röhling, F. Dietrich und R. Pfromm,

Klägerin,

andere Partei des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch A. Bouquet, V. Bottka und R. Sauer als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung der Richterin R. Silva de Lapuerta in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer sowie der Richter K. Lenaerts (Berichterstatter), G. Arestis, J. Malenovský und D. Šváby,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. April 2012,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 21. Juni 2012

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Die E.ON Energie AG (im Folgenden: E.ON Energie) beantragt mit ihrem Rechtsmittel die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 15. Dezember 2010, E.ON Energie/Kommission (T-141/08, Slg. 2010, II-5761, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung C(2008) 377 endg. der Kommission vom 30. Januar 2008 zur Festsetzung einer Geldbuße gemäß Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates wegen Siegelbruch (Sache COMP/B-1/39.326 – E.ON Energie AG) (im Folgenden: streitige Entscheidung), von der eine Zusammenfassung im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden ist (ABl. C 240, S. 6), abgewiesen hat.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 2

Art. 20 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) bestimmt: „Die mit den Nachprüfungen beauftragten Bediensteten der Kommission und die anderen von ihr ermächtigten Begleitpersonen sind befugt, … betriebliche Räumlichkeiten und Bücher oder Unterlagen jeder Art für die Dauer und in dem Ausmaß zu versiegeln, wie es für die Nachprüfung erforderlich ist.”

Rz. 3

Nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. e dieser Verordnung kann die Kommission „gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen bis zu einem Höchstbetrag von 1 % des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes festsetzen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig … die von Bediensteten der Kommission oder anderen von ihr ermächtigten Begleitpersonen nach Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe d) angebrachten Siegel erbrochen haben”.

Rz. 4

Gemäß Art. 23 Abs. 2 der Verordnung kann die Kommission gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung u. a. dann Geldbußen verhängen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig gegen Art. 81 EG oder Art. 82 EG verstoßen, wobei die Geldbuße für jedes an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen oder jede beteiligte Unternehmensvereinigung 10 % seines bzw. ihres jeweiligen im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes nicht übersteigen darf.

Vorgeschichte des Rechtsstreits

Rz. 5

Mit Entscheidung vom 24. Mai 2006 ordnete die Kommission nach Art. 20 der Verordnung Nr. 1/2003 eine Nachprüfung in den Räumlichkeiten der E.ON AG und der von ihr kontrollierten Unternehmen an, um dem Verdacht der Beteiligung an wettbewerbswidrigen Absprachen nachzugehen. Die Nachprüfung bei der Rechtsmittelführerin E.ON Energie begann am Nachmittag des 29. Mai 2006 in ihren Geschäftsräumen in München (Deutschland). Nachdem E.ON Energie von der Nachprüfungsentscheidung Kenntnis erlangt hatte, erklärte sie, dass sie die Nachprüfung dulden wolle.

Rz. 6

Die Nachprüfung wurde durch vier Vertreter der Kommission und sechs Vertreter des Bundeskartellamts durchgeführt. Die bei der Nachprüfung am 29. Mai 2006 von diesen Vertretern für eine nähere Prüfung herausgesuchten Dokumente wurden in den Raum G.505 gebracht, der der Kommission von E.ON Energie zur Verfügung gestellt worden war. Da die Nachprüfung nicht am selben Tag abgeschlossen werden konnte, verschloss der Leiter des Nachprüfungsteams die aus lackierten Schalldämmtürblättern und einem Türrahmen aus eloxiertem Aluminium bestehende Tür dieses Raums und brachte ein amtliches Siegel in der Größe von 90 × 60 mm an (im Folgenden: streitiges Siegel). Dieses wurde zu etwa zwei Dritteln auf das Türblatt und im Übrigen auf den Türrahmen geklebt. Es...

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