Entscheidungsstichwort (Thema)

Mindestbesteuerungsgrundlage, Verbot einer Mindestbesteuerung nur für gebietsfremde Steuerpflichtige

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Art. 43 EG) steht einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der sich aus Art. 342 § 2 des Code des impôts sur les revenus 1992 und Art. 182 des Arrêté royal du 27 août 1993 d’exécution du code des impôts sur les revenus 1992 ergebenden entgegen, die Mindestbemessungsgrundlagen nur für gebietsfremde Steuerpflichtige vorsieht.

 

Normenkette

EGVtr Art. 43

 

Beteiligte

Talotta

Raffaele Talotta

État Belge

 

Verfahrensgang

Cour de Cassation (Urteil vom 07.10.2005)

 

Tatbestand

„Niederlassungsfreiheit ‐ Art. 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Art. 43 EG) - Gebietsfremder Steuerpflichtiger, der eine selbständige Tätigkeit ausübt - Festlegung von Mindestbemessungsgrundlagen nur für gebietsfremde Steuerpflichtige - Rechtfertigung durch Gründe des Allgemeininteresses - Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle - Kein Rechtfertigungsgrund“

In der Rechtssache C-383/05

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht von der Cour de cassation (Belgien) mit Entscheidung vom 7. Oktober 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Oktober 2005, in dem Verfahren

Raffaele Talotta

gegen

État belge

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter R. Schintgen, A. Borg Barthet, M. Ilešič (Berichterstatter) und E. Levits,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: R. Grass,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ von Herrn Talotta, vertreten durch X. Thiebaut und X. Pace, avocats,

‐ der belgischen Regierung, vertreten durch M. Wimmer als Bevollmächtigten im Beistand von B. van de Walle de Ghelcke, avocat,

‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und D. Martin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. November 2006

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Art. 43 EG).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Talotta und dem belgischen Staat über die Anwendung einer Mindestbemessungsgrundlage für den Veranlagungszeitraum 1992 auf ihn als gebietsfremden Steuerpflichtigen.

Rechtlicher Rahmen

3

Die Einkommensteuer für natürliche und juristische Personen ist in Belgien im Code des impôts sur les revenus 1992 (Einkommensteuergesetz 1992) (Moniteur belge vom 30. Juli 1992) (im Folgenden: CIR 1992) geregelt, der in der zur maßgeblichen Zeit anwendbaren Fassung in Art. 341 Abs. 1 bestimmt:

„Außer bei Beweis des Gegenteils kann die Feststellung der Besteuerungsgrundlage für juristische und natürliche Personen anhand von Umständen und Indizien durchgeführt werden, aus denen ein größerer Wohlstand hervorgeht als aus den angegebenen Einkünften.“

4

Art. 342 CIR bestimmt:

„§ 1. In Ermangelung beweiskräftiger Angaben, die entweder von den Betreffenden oder der Verwaltung beigebracht werden, werden in Art. 23 § 1 Nr. 1 und 2 erwähnte Gewinne oder Profite für jeden Steuerpflichtigen bestimmt unter Berücksichtigung der normalen Gewinne oder Profite von mindestens drei vergleichbaren Steuerpflichtigen und gegebenenfalls unter Berücksichtigung des investierten Kapitals, des Umsatzes, der Zahl der Arbeitnehmer, der verwendeten Antriebskraft, des Mietwerts der genutzten Flächen und aller anderen zweckdienlichen Auskünfte.

§ 2. Der König bestimmt unter Berücksichtigung der in § 1 Abs. 1 erwähnten Angaben den Mindestbetrag der Gewinne, die für die in Belgien tätigen ausländischen Betriebe steuerpflichtig sind.“

5

Art. 182 des Arrêté royal du 27 août 1993 d’exécution du code des impôts sur les revenus 1992 (Königliche Verordnung vom 27. August 1993 zur Durchführung des CIR 1992) (Moniteur belge vom 13. September 1993) (im Folgenden: Königliche Verordnung vom 27. August 1993) sieht vor:

„§ 1. Der Mindestbetrag steuerpflichtiger Gewinne der in Belgien tätigen ausländischen Betriebe, die nach dem auf einen Vergleich abstellenden Verfahren des Art. 342 § 1 Abs. 1 [CIR] 1992 besteuert werden, wird wie folgt festgelegt:

3. Unternehmen des Handels- und des Dienstleistungssektors:

a) … Horeca [(Hotel-, Restaurant- und Cafébereich)] …: 100 [BEF] pro 1 000 [BEF] Umsatz, bei einem Mindestbetrag von 300 000 [BEF] pro Betriebsangehörigen (durchschnittliche Zahl in dem betreffenden Jahr);

§ 2. Der nach § 1 bestimmte Betrag der steuerpflichtigen Gewinne kann nicht unter 400 000 [BEF] liegen.

…“

6

Nach Art. 24 § 5 des Abkommens zwischen Belgien und Luxemburg zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen und zur Regelung verschiedener anderer Fragen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, das am 17. September 1970 in Luxemburg unterzeichnet wurde (im Folgenden: Abkommen), gilt:

„Die Besteuerung einer Betriebstätte, die ein Unternehmen eines Vertragsstaats im anderen Vertragsstaat hat, darf im anderen Staat nicht ungünstiger sein als die Besteuerung von Unternehme...

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