Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz. Beamtin, die aus persönlichen Gründen freigestellt ist, um eine Beschäftigung im Angestelltenverhältnis auszuüben. Weigerung, ihr eine Mutterschaftsleistung zu gewähren, weil sie als Angestellte die Wartezeit nicht absolviert hat, die einen Anspruch auf bestimmte Sozialleistungen begründet

 

Normenkette

Richtlinie 92/85/EWG Art. 11 Nrn. 2; Richtlinie 92/85/EWG Art. 11 Nrn. 4

 

Beteiligte

Rosselle

Charlotte Rosselle

Institut national d'assurance maladie-invalidité (INAMI)

Union nationale des mutualités libres (UNM)

 

Tenor

Art. 11 Nr. 4 Satz 2 der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (zehnte Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verwehrt, einer Arbeitnehmerin eine Mutterschaftsleistung zu versagen, weil sie als Beamtin, die aus persönlichen Gründen freigestellt ist, um eine Beschäftigung im Angestelltenverhältnis auszuüben, im Rahmen dieser Beschäftigung die im nationalen Recht für einen Anspruch auf diese Mutterschaftsleistung vorgesehene Wartezeit nicht absolviert hat, selbst wenn sie unmittelbar vor dem voraussichtlichen Zeitpunkt der Entbindung bereits eine Erwerbstätigkeit von mehr als zwölf Monaten ausgeübt hat.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Ersuchen um Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal du travail de Nivelles (Belgien) mit Entscheidung vom 20. Dezember 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Februar 2014, in dem Verfahren

Charlotte Rosselle

gegen

Institut national d'assurance maladie-invalidité (INAMI),

Union nationale des mutualités libres (UNM),

Beteiligte:

Institut pour l'égalité des femmes et des hommes (IEFH),

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, der Richterin K. Jürimäe, der Richter J. Malenovský und M. Safjan (Berichterstatter) sowie der Richterin A. Prechal,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Frau Rosselle, vertreten durch L. Markey, avocate,
  • der Union nationale des mutualités libres (UNM), vertreten durch A. Mollu,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs und C. Pochet als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Martin als Bevollmächtigten,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 18. Dezember 2014

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Ersuchen um Vorabentscheidung betrifft die Auslegung der Richtlinien 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (zehnte Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) (ABl. L 348, S. 1) und 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (ABl. L 204, S. 23).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Rosselle auf der einen und dem Institut national d'assurance maladie-invalidité (INAMI) und der Union nationale des mutualités libres (UNM) auf der anderen Seite wegen der Weigerung, ihr eine Mutterschaftsleistung zu gewähren, weil sie das im nationalen Recht vorgesehene Praktikum nicht absolviert hat.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 89/391/EWG

Rz. 3

Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (ABl. L 183, S. 1) bestimmt:

„Diese Richtlinie findet Anwendung auf alle privaten oder öffentlichen Tätigkeitsbereiche (gewerbliche, landwirtschaftliche, kaufmännische, verwaltungsmäßige sowie dienstleistungs- oder ausbildungsbezogene, kulturelle und Freizeittätigkeiten usw.).”

Rz. 4

Art. 3 Buchst. a der Richtlinie bestimmt:

„Für die Zwecke dieser Richtlinie gilt als:

a) Arbeitnehmer: jede Person, die von einem Arbeitgeber beschäftigt wird, einschließlich Praktikanten und Lehrlingen, jedoch mit Ausnahme von Hausangestellten”.

Rz. 5

Art. 16 Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:

„Der Rat erlässt auf der Grundlage eines auf Artikel 118 a des Vertrags beruhenden Vorschlags der Kommission Einzelrichtlinien, unter anderem für die im Anhang aufgeführten Bereiche.”

Richtlinie 92/85

Rz. 6

Die Erwägungsgründe 9 und 17 der Richtlinie 92/85 lauten:

„Der Schu...

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