Entscheidungsstichwort (Thema)

Richtlinie 2003/10/EG. Expositionswerte. Lärm. Gehörschutz. Praktische Wirksamkeit

 

Beteiligte

David Barcenilla

David Barcenilla Fernández

Pedro Antonio Macedo Lozano

Gerardo García SL

 

Tenor

1. Die Richtlinie 2003/10/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Februar 2003 über Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch physikalische Einwirkungen (Lärm) (17. Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) in der durch die Richtlinie 2007/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass ein Arbeitgeber, in dessen Betrieb der Tages-Lärmexpositionspegel, dem seine Arbeitnehmer ausgesetzt sind, 85 dB(A), gemessen ohne Berücksichtigung der Wirkungen der Benutzung des persönlichen Gehörschutzes, übersteigt, die Verpflichtungen aus dieser Richtlinie nicht durch die bloße Zurverfügungstellung von persönlichem Gehörschutz, mit dem sich der Tages-Lärmexpositionspegel auf unter 80 dB(A) senken lässt, erfüllt, da dieser Arbeitgeber verpflichtet ist, ein Programm mit technischen und/oder organisatorischen Maßnahmen zur Verringerung der Lärmexposition auf unter 85 dB(A), gemessen ohne Berücksichtigung der Wirkungen der Benutzung des persönlichen Gehörschutzes, durchzuführen.

2. Die Richtlinie 2003/10 in der durch die Richtlinie 2007/30 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass sie von einem Arbeitgeber nur deswegen, weil er kein Programm mit technischen und/oder organisatorischen Maßnahmen zur Verringerung des Tages-Lärmexpositionspegels durchgeführt hat, nicht verlangt, dass er Arbeitnehmern, die einem Lärmpegel ausgesetzt sind, der 85 dB(A), gemessen ohne Berücksichtigung der Wirkungen der Benutzung des persönlichen Gehörschutzes, übersteigt, einen Lohnzuschlag zahlt. Das nationale Recht muss jedoch geeignete Mechanismen vorsehen, die gewährleisten, dass ein Arbeitnehmer, der einem Lärmpegel ausgesetzt ist, der 85 dB(A), gemessen ohne Berücksichtigung der Wirkungen der Benutzung des persönlichen Gehörschutzes, übersteigt, die Beachtung der in Art. 5 Abs. 2 dieser Richtlinie vorgesehenen Vorbeugungspflichten durch den Arbeitgeber geltend machen kann.

 

Tatbestand

In den verbundenen Rechtssachen

betreffend zwei Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Superior de Justicia de Castilla y León (Spanien) mit Entscheidungen vom 21. April 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Mai 2010, in den Verfahren

David Barcenilla Fernández (C-256/10),

Pedro Antonio Macedo Lozano (C-261/10)

gegen

Gerardo García SL

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten D. Šváby sowie der Richter E. Juhász und T. von Danwitz (Berichterstatter),

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der spanischen Regierung, vertreten durch B. Plaza Cruz als Bevollmächtigte,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch T. Materne und M. Jacobs als Bevollmächtigte,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch M. Russo als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Rozet und G. Valero Jordana als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Art. 3 und 5 bis 7 der Richtlinie 2003/10/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Februar 2003 über Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch physikalische Einwirkungen (Lärm) (17. Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) (ABl. L 42, S. 38) in der durch die Richtlinie 2007/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 (ABl. L 165, S. 21) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2003/10).

Rz. 2

Diese Ersuchen ergehen im Rahmen zweier Rechtsstreitigkeiten, in denen Herr Barcenilla Fernández (C-256/10) und Herr Macedo Lozano (C-261/10) der Gerardo García SL (im Folgenden: Gerardo) gegenüberstehen und die die Verpflichtung dieses Unternehmens betreffen, einen Lohnzuschlag aufgrund einer Bestimmung des nationalen Rechts zu zahlen, die einen solchen Zuschlag vorsieht, wenn die Bedingungen des Arbeitsplatzes besonders beschwerlich sind.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Der zehnte Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/10 lautet:

„Eine Verringerung der Exposition gegenüber Lärm lässt sich wirkungsvoller dann erreichen, wenn bereits bei der Planung der Arbeitsplätze und Arbeitsstätten Präventivmaßnahmen ergriffen werden und die Arbeitsmittel sowie die Arbeitsverfahren und -methoden so gewählt werden, dass die Gefahren vorrangig bereits am Entstehungsort verringert werden. Bestimmungen über Arbeitsmittel und Arbeitsmethoden tragen somit zum Schutz der Arbeitnehmer bei, die si...

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