Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Wettbewerb. Ersatz des durch ein nach diesem Artikel verbotenen Kartell entstandenen Schadens. Bestimmung der Schadensersatzpflichtigen. Nachfolge rechtlicher Einheiten. Begriff des Unternehmens. Kriterium der wirtschaftlichen Kontinuität

 

Normenkette

AEUV Art. 101

 

Beteiligte

Skanska Industrial Solutions u.a

Vantaan kaupunki

Skanska Industrial Solutions Oy

NCC Industry Oy

Asfaltmix Oy

 

Tenor

Art. 101 AEUV ist dahin auszulegen, dass in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens, in der alle Aktien der Gesellschaften, die an einem durch diesen Artikel verbotenen Kartell teilgenommen hatten, von anderen Gesellschaften erworben wurden, die die zuerst genannten Gesellschaften beendet und deren Geschäftstätigkeit fortgesetzt haben, die erwerbenden Gesellschaften für die durch dieses Kartell verursachten Schäden haftbar gemacht werden können.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Korkein oikeus (Oberster Gerichtshof, Finnland) mit Entscheidung vom 19. Dezember 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Dezember 2017, in dem Verfahren

Vantaan kaupunki

gegen

Skanska Industrial Solutions Oy,

NCC Industry Oy,

Asfaltmix Oy

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev (Berichterstatter) sowie der Vizepräsidentin des Gerichtshofs R. Silva de Lapuerta in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Zweiten Kammer, des Richters E. Levits, der Richterin M. Berger und des Richters P. G. Xuereb,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. Januar 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Vantaan kaupunki, vertreten durch N. Mickelsson und O. Hyvönen, asianajajat,
  • der Skanska Industrial Solutions Oy, vertreten durch A. P. Mentula und T. Väätäinen, asianajajat,
  • der NCC Industry Oy, vertreten durch I. Aalto-Setälä, M. Kokko, M. von Schrowe und H. Koivuniemi, asianajajat,
  • der Asfaltmix Oy, vertreten durch S. Hiltunen, A. Laine und M. Blomfelt, asianajajat,
  • der finnischen Regierung, vertreten durch J. Heliskoski und S. Hartikainen als Bevollmächtigte,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Fiorentino, avvocato dello Stato,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Vollrath, H. Leupold, G. Meessen und M. Huttunen als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. Februar 2019

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Art. 101 AEUV und des Grundsatzes der Effektivität des Unionsrechts im Hinblick auf die Bestimmungen, die in der finnischen Rechtsordnung für Schadensersatzklagen wegen Verletzung des Wettbewerbsrechts der Union gelten.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Vantaan kaupunki (Stadt Vantaa, Finnland) und der Skanska Industrial Solutions Oy, der NCC Industry Oy und der Asfaltmix Oy über den Ersatz des durch ein Kartell auf dem Asphaltmarkt in Finnland entstandenen Schadens.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Nach Abschnitt 2 § 1 des Vahingonkorvauslaki 412/1974 (Schadensersatzgesetz 412/1974) ist derjenige, der einem anderen vorsätzlich oder fahrlässig einen Schaden zufügt, zum Ersatz verpflichtet.

Rz. 4

Wenn ein Schaden durch zwei oder mehrere Personen verursacht wurde oder wenn zwei oder mehrere Personen denselben Schaden ersetzen müssen, gilt nach Abschnitt 6 § 2 dieses Gesetzes, dass sie gesamtschuldnerisch haften.

Rz. 5

Nach den finnischen Rechtsvorschriften über die Aktiengesellschaft ist jede Aktiengesellschaft eine eigenständige juristische Person mit eigenem Vermögen und eigener Haftung.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

Rz. 6

Von 1994 bis 2002 war auf dem Asphaltmarkt in Finnland ein Kartell tätig (im Folgenden: betroffenes Kartell). Dieses Kartell, das Absprachen über die Aufteilung des Marktes, über Preise und über die Abgabe von Angeboten betraf, erstreckte sich auf das gesamte Gebiet dieses Mitgliedstaats und war geeignet, sich auch auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten auszuwirken. Beteiligt an diesem Kartell waren u. a. die Lemminkäinen Oyj, die Sata-Asfaltti Oy, die Interasfaltti Oy, die Asfalttineliö Oy und die Asfaltti-Tekra Oy.

Rz. 7

Am 22. März 2000 erwarb Asfaltti-Tekra, die am 1. November 2000 in Skanska Asfaltti Oy umbenannt wurde, sämtliche Aktien von Sata-Asfaltti. Am 23. Januar 2002 wurde Sata-Asfaltti nach einem freiwilligen Liquidationsverfahren, in dem ihre Geschäftstätigkeit am 13. Dezember 2000 auf Skanska Asfaltti übertragen wurde, beendet. Letztere beteiligte sich ebenfalls an dem betreffenden Kartell. Am 9. August 2017 wurde diese Gesellschaft in Skanska Industrial Solutions (im Folgenden: SIS) umbenannt.

Rz. 8

Interasfaltti war eine 100%ige Tochtergesellschaft der Oy Läntinen Te...

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