Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit. Effektivitätsgrundsatz. Von einem Mitgliedstaat unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobene Steuer. Aufgrund eines Urteils des Gerichtshofs festgestellter Verstoß. Anspruch auf Zahlung von Zinsen auf die Überzahlung. Nationale Regelung, die den Anspruch auf Zahlung von Zinsen auf den Zeitraum bis zum 30. Tag nach der Veröffentlichung des Urteils des Gerichtshofs im Amtsblatt der Europäischen Union begrenzt

 

Beteiligte

Dyrektor Izby Administracji Skarbowej we Wrocławiu

E.

Dyrektor Izby Administracji Skarbowej we Wrocławiu

 

Tenor

Der Effektivitätsgrundsatz in Verbindung mit dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die, wenn ein Antrag auf Erstattung einer überzahlten Steuer mehr als 30 Tage nach der Veröffentlichung eines Urteils des Gerichtshofs, aus dem sich die Feststellung der Unvereinbarkeit der in Rede stehenden Besteuerung mit dem Unionsrecht ergibt, imAmtsblatt der Europäischen Uniongestellt wird, das Anfallen von dem betreffenden Steuerpflichtigen zustehenden Zinsen auf den überzahlten Betrag auf den 30. Tag nach dieser Veröffentlichung begrenzt und für den Fall, dass der Steuerpflichtige die Überzahlung nach diesem 30. Tag geleistet hat, Zinsen sogar ganz ausschließt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache C-322/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht, Polen) mit Entscheidung vom 15. März 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Mai 2022, in dem Verfahren

E.

gegen

Dyrektor Izby Administracji Skarbowej we Wrocławiu,

Beteiligter:

Rzecznik Małych i Řrednich Przedsiębiorców,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin M. L. Arastey Sahún sowie der Richter F. Biltgen und J. Passer (Berichterstatter),

Generalanwältin: T. Ćapeta,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • –        von E., vertreten durch M. Kułagowski und M. Niżnik, Radcowie prawni, sowie K. Trzópek-Piskorz, Doradca podatkowy,
  • –        des Dyrektor Izby Administracji Skarbowej we Wrocławiu, vertreten durch K. Zygadło, Radca prawny,
  • –        des Rzecznik Małych i Řrednich Przedsiębiorców, vertreten durch P. Chrupek, Radca prawny,
  • –        der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • –        der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Herrmann und W. Roels als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Grundsätzen des Unionsrechts, insbesondere der Grundsätze der loyalen Zusammenarbeit, der Äquivalenz und der Effektivität im Kontext des Anspruchs Einzelner auf Zahlung von Zinsen bei der Erstattung einer unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Steuer durch einen Mitgliedstaat.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen E., einem Investmentfonds mit Sitz in den Vereinigten Staaten von Amerika, und dem Dyrektor Izby Administracji Skarbowej we Wrocławiu (Direktor der Steuerverwaltung Wrocław, Polen) (im Folgenden: Direktor) wegen einer Entscheidung der polnischen Steuerverwaltung, die Zahlung von Zinsen auf unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobene überzahlte Steuern zu begrenzen und zu verweigern.

Rechtlicher Rahmen

Polnisches Recht

Updop

Rz. 3

Art. 3 der Ustawa o podatku dochodowym od osób prawnych (Gesetz über die Körperschaftsteuer) vom 15. Februar 1992 in konsolidierter Fassung (Dz. U. 2011, Nr. 74, Position 397) mit späteren Änderungen (im Folgenden: Updop) bestimmt:

„1.      Steuerpflichtige sind für ihre gesamten Einkünfte unbeschränkt steuerpflichtig, unabhängig davon, wo die Einkünfte erzielt werden, wenn sie ihren Sitz oder ihre Hauptverwaltung im Hoheitsgebiet der Republik Polen haben.

2.      Steuerpflichtige, die ihren Sitz oder ihre Hauptverwaltung nicht im Hoheitsgebiet der Republik Polen haben, sind beschränkt auf die Einkünfte, die sie im Hoheitsgebiet der Republik Polen erzielen, steuerpflichtig.

…“

Rz. 4

Art. 22 der Updop sieht vor:

„1.      Die Körperschaftsteuer auf Erträge (Einnahmen) aus Dividenden und andere Einnahmen aus der Beteiligung an Gewinnen juristischer Personen mit Sitz oder Hauptverwaltung in der Republik Polen wird auf 19 % der erzielten Einnahmen festgesetzt. …

…“

Rz. 5

In Art. 26 der Updop heißt es:

„1.      Juristische Personen, Organisationseinheiten ohne Rechtspersönlichkeit sowie als Unternehmer tätige natürliche Personen, die Zahlungen vornehmen, die aus den in … Art. 22 Abs. 1 genannten Gründen geschuldet werden, sind als Steuerentrichtungspflichtige verpflichtet, … am Zahlungstag eine pauschale Körperschaftsteuer auf diese Zahlungen … vorgesehenen Abzüge einzubehalten.

3.      Die Steuerentrichtungspflichtigen nach Abs. 1 leite...

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