Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorabentscheidungsersuchen. Marken. Rechte aus der Marke. Bekannte Marke. Auf nicht ähnliche Waren oder Dienstleistungen erweiterter Schutz. Benutzung eines mit der bekannten Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens ohne rechtfertigenden Grund durch einen Dritten. Begriff ‚rechtfertigender Grund’

 

Normenkette

Richtlinie 89/104/EWG

 

Beteiligte

Leidseplein Beheer und de Vries

Leidseplein Beheer BV

Hendrikus de Vries

Red Bull GmbH

Red Bull Nederland BV

 

Tenor

Art. 5 Abs. 2 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist dahin auszulegen, dass sich der Inhaber einer bekannten Marke wegen eines „rechtfertigenden Grundes” im Sinne dieser Bestimmung gezwungen sehen kann, zu dulden, dass ein Dritter ein dieser Marke ähnliches Zeichen für eine Ware benutzt, die mit derjenigen identisch ist, für die die Marke eingetragen ist, wenn feststeht, dass dieses Zeichen vor Hinterlegung der Marke benutzt wurde und dass seine Benutzung für die identische Ware in gutem Glauben erfolgt. Um zu beurteilen, ob dies der Fall ist, hat das nationale Gericht insbesondere folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:

  • die Verkehrsdurchsetzung und den Ruf des Zeichens bei den betroffenen Verkehrskreisen,
  • den Grad der Nähe zwischen den Waren und Dienstleistungen, für die das Zeichen ursprünglich benutzt wurde, und der Ware, für die die bekannte Marke eingetragen ist, und
  • die wirtschaftliche und handelsmäßige Erheblichkeit der Benutzung des der Marke ähnlichen Zeichens für die fragliche Ware.
 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) mit Entscheidung vom 3. Februar 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Februar 2012, in dem Verfahren

Leidseplein Beheer BV,

Hendrikus de Vries

gegen

Red Bull GmbH,

Red Bull Nederland BV

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, des Vizepräsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Ersten Kammer, der Richter A. Borg Barthet und E. Levits (Berichterstatter) sowie der Richterin M. Berger,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2013,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Leidseplein Beheer BV und von Herrn de Vries, vertreten durch T. Cohen Jehoram und L. Bakers, advocaten,
  • der Red Bull GmbH und der Red Bull Nederland BV, vertreten durch S. Klos, advocaat,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Fiorentino, avvocato dello Stato,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Wilman und F. Bulst als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 21. März 2013

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Abs. 2 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Leidseplein Beheer BV und Herrn de Vries (im Folgenden zusammen: De Vries) einerseits und der Red Bull GmbH sowie der Red Bull Nederland BV (im Folgenden zusammen: Red Bull) andererseits wegen der Herstellung und des Vertriebs von Energiegetränken mit Aufmachungen, die mit dem Zeichen „Bull Dog”, einem anderen Zeichen mit dem Wortbestandteil „Bull” oder weiteren Zeichen versehen sind, die den eingetragenen Marken von Red Bull zum Verwechseln ähnlich sind.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 5 der Richtlinie 89/104, der später im Wesentlichen in Art. 5 der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 299, S. 25) übernommen worden ist, bestimmt unter der Überschrift „Rechte aus der Marke”:

„(1) Die eingetragene Marke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr

  1. ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie eingetragen ist;
  2. ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder der Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.

(2) Die Mitgliedstaaten können ferner bestimmen, dass es dem Inhaber gestattet ist, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke identisches oder ihr ähnliches Zeich...

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