Entscheidungsstichwort (Thema)

Freizügigkeit. Öffentliche Ordnung. Richtlinie 64/221/EWG. Artikel 8 und 9. Aufenthaltsverbot und Entscheidung über die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet aufgrund von strafrechtlichen Verstößen. Gerichtlicher Rechtsbehelf, der nur die Gesetzmäßigkeit der Maßnahme zur Beendigung des Aufenthalts des Betroffenen betrifft. Rechtsbehelf ohne aufschiebende Wirkung. Recht des Betroffenen, Zweckmäßigkeitserwägungen vor einer Stelle geltend zu machen, die dazu berufen ist, eine Stellungnahme abzugeben. Assoziierungsabkommen EWG-Türkei. Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Artikel 6 Absatz 1 und 14 Absatz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates

 

Beteiligte

Dörr und Ünal

Georg Dörr

Ibrahim Ünal

Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten

Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg

 

Tenor

1. Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der gerichtliche Rechtsbehelfe gegen eine Entscheidung über die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats, die gegenüber einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats ergeht, keine aufschiebende Wirkung haben und die genannte Entscheidung im Rahmen dieser Rechtsbehelfe nur auf ihre Gesetzmäßigkeit hin überprüft werden kann, wenn keine zuständige Stelle im Sinne der genannten Bestimmung eingerichtet worden ist.

2. Die Rechtsschutzgarantien der Artikel 8 und 9 der Richtlinie 64/221 gelten für türkische Staatsangehörige, denen die Rechtsstellung nach Artikel 6 oder Artikel 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation zukommt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 18. März 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 26. März 2003, in den Verfahren

Georg Dörr

gegen

Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten

und

Ibrahim Ünal

gegen

Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas (Berichterstatter) sowie der Richter A. Borg Barthet, S. von Bahr, J. Malenovský und U. Lõhmus,

Generalanwalt: M. Poiares Maduro,

Kanzler: M. Múgica Arzamendi, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. September 2004,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Herren Dörr und Ünal, vertreten durch W. Weh, Rechtsanwalt, und M. Alge,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch H. Dossi und M. Burgstaller als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch A. Tiemann als Bevollmächtigte,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Condou-Durande, D. Martin und H. Kreppel als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 21. Oktober 2004

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (ABl. 1964, Nr. 56, S. 850), sowie der Artikel 6 und 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (im Folgenden: Beschluss Nr. 1/80). Der Assoziationsrat wurde durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichtet, das am 12. September 1963 in Ankara von der Republik Türkei einerseits und den Mitgliedstaaten der EWG und der Gemeinschaft andererseits unterzeichnet und durch den Beschluss 64/732/EWG des Rates vom 23. Dezember 1963 (ABl. 1964, Nr. 217, S. 3685, im Folgenden: Assoziierungsabkommen) im Namen der Gemeinschaft geschlossen, gebilligt und bestätigt wurde.

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem deutschen Staatsangehörigen G. Dörr und der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten und eines zweiten Rechtsstreits zwischen dem türkischen Staatsangehörigen I. Ünal und der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg, nachdem die genannten nationalen Behörden aufgrund von strafrechtlichen Verstößen der Betroffenen entschieden haben, deren Aufenthalt im österreichischen Hoheitsgebiet zu beenden.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrechtliche Regelung

Die Richtlinie 64/221

3 Die Richtlinie 64/221 gilt nach ihrem Artikel 1 Absatz 1 für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, die sich in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft aufhalten oder sich dorthin begeben, um eine selbständige oder unselbständige Erwerbstätigke...

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