Entscheidungsstichwort (Thema)

Freier Kapitalverkehr. Art. 56 EG. Beschränkungen. Rechtfertigungsgründe. Wohnungspolitik. Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse

 

Beteiligte

Woningstichting Sint Servatius

Minister voor Wonen, Wijken en Integratie

Woningstichting Sint Servatius

 

Tenor

Art. 56 EG ist dahin auszulegen, dass er nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren streitigen entgegensteht, die die Ausübung grenzüberschreitender Tätigkeiten durch zugelassene Einrichtungen auf dem Gebiet des Wohnungswesens im Sinne von Art. 70 Abs. 1 der Woningwet von der Einholung einer vorherigen behördlichen Genehmigung abhängig machen, sofern diese Rechtsvorschriften nicht auf objektiven, nicht diskriminierenden im Voraus bekannten Kriterien beruhen, die geeignet sind, der Ermessensausübung durch die nationalen Behörden hinreichende Grenzen zu setzen, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Raad van State (Niederlande) mit Entscheidung vom 19. Dezember 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Dezember 2007, in dem Verfahren

Minister voor Wonen, Wijken en Integratie

gegen

Woningstichting Sint Servatius

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter A. Tizzano (Berichterstatter), A. Borg Barthet, E. Levits und J.-J. Kasel,

Generalanwalt: M. Poiares Maduro,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. März 2009,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Woningstichting Sint Servatius, vertreten durch M. de Boer, J. de Pree und P. Slot, advocaten,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und Y. de Vries als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma als Bevollmächtigten,
  • der irischen Regierung, vertreten durch D. O'Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von M. Gray, Barrister,
  • der ungarischen Regierung, vertreten durch J. Fazekas, R. Somssich und K. Borvölgyi als Bevollmächtigte,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch M. Dowgielewicz, P. Kucharski und K. Majcher als Bevollmächtigte,
  • der schwedischen Regierung, vertreten durch S. Johannesson als Bevollmächtigte,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa, V. Di Bucci, H. van Vliet und A. Nijenhuis als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 56 EG, 58 EG, 86 Abs. 2 EG, 87 EG und 88 EG.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Minister voor Wonen, Wijken en Integratie (Minister für Wohnen, Bezirke und Integration, im Folgenden: Minister) und der Woningstichting Sint Servatius (im Folgenden: Servatius) über die Weigerung des Ministers, Servatius, einer zugelassenen Einrichtung, die auf dem Gebiet des sozialen Wohnungswesens in den Niederlanden tätig ist, die Investition in ein Bauvorhaben in Lüttich (Belgien) zu genehmigen.

Nationaler rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Nach Art. 22 Abs. 2 der Grondwet (niederländisches Grundgesetz) ist „[d]ie Förderung der Bereitstellung ausreichenden Wohnraums … Aufgabe des Staates”. Wesen und Umfang dieser Aufgabe sind in der Woningwet (Wohngesetz) sowie im Besluit beheer sociale-huursector (Verordnung über die Verwaltung des Sektors der Sozialmieten, im Folgenden: BBSH) umschrieben.

Rz. 4

Art. 70 Abs. 1 der Woningwet bestimmt:

„Vereinigungen mit unbeschränkter Rechtsfähigkeit und Stiftungen, die sich zum Ziel setzen, ausschließlich auf dem Gebiet des Wohnungswesens tätig zu sein, und nicht bezwecken, Ausschüttungen für andere als die Belange des Wohnungswesens vorzunehmen, können durch Koninklijk Besluit [Königliche Verordnung] als ausschließlich für die Belange des Wohnungswesens tätige Einrichtungen zugelassen werden.”

Rz. 5

In Art. 70c der Woningwet heißt es:

„Die zugelassenen Einrichtungen stellen Wohnraum vorrangig den Personen zur Verfügung, die aufgrund ihres Einkommens oder anderer Umstände Schwierigkeiten haben, für sie geeigneten Wohnraum zu finden. …”

Rz. 6

Art. 70d der Woningwet sieht vor:

  1. „Die zugelassenen Einrichtungen unterstehen der Aufsicht des Ministers gemäß Art. 71a Abs. 1 Buchst. b.
  2. Durch oder aufgrund Verordnung werden die Aufsicht betreffende Durchführungsbestimmungen erlassen. …”

Rz. 7

Art. 120a Abs. 1 der Woningwet lautet:

„Durch oder aufgrund Verordnung kann bestimmt werden, dass der Minister versuchsweise befristet von durch oder aufgrund Verordnung erlassenen Vorschriften abweichen oder eine solche Abweichung genehmigen darf.”

Rz. 8

Änderungen der Satzung einer zugelassenen Einrichtung, einschließlich der Änderung ihres räumlichen Tätigkeitsbereichs, bedürfen nach Art. 9 BBSH der Genehmigung durch den Minister.

Rz. 9

Art. 11 Abs. 1 BBSH sieht vor, dass „[d]ie zugelassene Einric...

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