Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit von Außenbereichsvorhaben. Widerspruch zu Zielen der Raumordnung. Regionalplan. Vorranggebiet für die Erholung. Gipsabbau im Außenbereich

 

Leitsatz (amtlich)

  • § 35 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BauGB 1987 verleiht den Zielen der Raumordnung und Landesplanung bei der Entscheidung über die Zulässigkeit eines raumbedeutsamen Außenbereichsvorhabens keinen strikten und unabdingbaren Geltungsanspruch.
  • Ob ein Außenbereichsvorhaben einem Raumordnungsziel widerspricht, ist unter der Geltung des BauGB 1987 auf Grund einer die gesetzlichen Vorgaben “nachvollziehenden Abwägung” zu entscheiden, in der das konkrete Vorhaben den berührten raumordnerischen Zielen gegenüberzustellen ist. Diese konkretisierende Rechtsanwendung unterliegt uneingeschränkt der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle.
  • Ein im Außenbereich privilegiertes Gipsabbauvorhaben kann dem in einem Regionalplan festgelegten Ziel “Vorranggebiet für Erholung” widersprechen und unzulässig sein, wenn dieses Ziel räumlich und sachlich hinreichend bestimmt ist.
 

Normenkette

BauGB 1987 § 35 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 S. 3 Hs. 1; ROG 1965 §§ 4-5

 

Verfahrensgang

VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 18.05.1999; Aktenzeichen 10 S 1443/97)

VG Stuttgart (Urteil vom 08.06.1988; Aktenzeichen 16 K 3422/87)

 

Tenor

Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 18. Mai 1999 wird zurückgewiesen.

Die Klägerinnen tragen die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerinnen begehren die Feststellung, dass die Versagung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage zum Abbau von Gipsgestein sie in ihren Rechten verletzt hat. Ihren 1985 gestellten Antrag, den Gipsabbau auf einer etwa 20 ha großen Fläche im Außenbereich der beigeladenen Gemeinde zu genehmigen, lehnte der Beklagte ab; ihr Widerspruch blieb erfolglos. Der auf Neubescheidung gerichteten Verpflichtungsklage der Klägerinnen gab das Verwaltungsgericht statt. Gegen dieses Urteil haben der Beklagte und die Beigeladene Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahrens beschloss die Beigeladene die Aufstellung eines Bebauungsplans für den Bereich, in dem das Abbaugebiet liegt, sowie den Erlass einer Veränderungssperre, die im Februar 1989 in Kraft trat. Die Klägerinnen haben an ihrem Verpflichtungsbegehren festgehalten und hilfsweise die Feststellung begehrt, dass die Ablehnung des Genehmigungsantrages rechtswidrig gewesen ist. Das Berufungsgericht hat die Klagen mit Urteil vom 6. Juli 1989 abgewiesen.

Auf die Revision der Klägerinnen hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 29. April 1992 – BVerwG 4 C 29.90 – (Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 247 = DVBl 1992, 1230) das Berufungsurteil insoweit aufgehoben, als es die Klagen mit ihrem Hilfsantrag abgewiesen hat, und die Rechtssache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, weil dieses das Bestehen eines Feststellungsinteresses (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) zu Unrecht verneint habe. In der Folgezeit geführte Vergleichsverhandlungen, während der das Verfahren ruhte, blieben ergebnislos. Mit Urteil vom 18. Mai 1999 (ZfBR 2000, 63) hat das Berufungsgericht das Feststellungsbegehren der Klägerinnen abgewiesen. Wegen des ursprünglich zu Grunde liegenden Verpflichtungsbegehrens hat es dabei auf die Sach- und Rechtslage bei Eintritt des erledigenden Ereignisses (In-Kraft-Treten der Veränderungssperre im Februar 1989) abgestellt und im Wesentlichen ausgeführt: In diesem Zeitpunkt sei das Abbauvorhaben der Klägerinnen nach § 35 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BauGB 1987 unzulässig und deshalb immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsfähig gewesen (§ 6 Nr. 2 BImSchG a.F.). Das vorgesehene Abbaugebiet liege in einem Bereich, den der Regionalplan Franken 1980 als Vorrangbereich für die Erholung festgelegt habe, und widerspreche daher einem Ziel der Raumordnung und Landesplanung. Die Zielaussage begründe einen absoluten Vorrang für die Erholung. Sonstige Nutzungen seien danach nur zulässig, wenn und soweit sie mit der Vorrangfunktion vereinbar seien. Dieser Zielaussage, die keinen rechtlichen Bedenken begegne, hätte der geplante Gipsabbau wegen seines räumlichen und zeitlichen Umfangs “diametral” entgegengestanden. § 35 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BauGB 1987 habe eine “echte” Raumordnungsklausel eingeführt, nach der die Ziele der Raumordnung und Landesplanung in Abkehr von der früheren Rechtslage strikte Verbindlichkeit beanspruchten und im Rahmen einer “nachvollziehenden Abwägung” nicht mehr zugunsten eines privilegierten Abbauvorhabens überwunden werden konnten. Hilfsweise führt das Berufungsgericht aus, dass das Abbauvorhaben auch nach den Maßstäben einer “nachvollziehenden Abwägung” nicht genehmigungsfähig gewesen wäre.

Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision gegen dieses Urteil verfolgen die Klägerinnen ihr Feststellungsbegehren weiter. Sie rügen die Verletzung von § 35 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BauGB 1987. Diese Vorschrift verleihe den Zielen der Raumordnung und Landesplanung keine strikte Rechtsverbindlichkeit. Sie gebiete vielmehr eine “nachvollziehende Abwägung”, in der die landesplanerischen Ziele und die mit dem Abbauvorhaben verfolgten privaten Belange vor dem Hintergrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu gewichten seien. Im maßgeblichen Zeitpunkt (Februar 1989) hätte diese Abwägung zugunsten der Klägerinnen ausfallen müssen.

Der Beklagte und die Beigeladene verteidigen das angefochtene Urteil.

Der Oberbundesanwalt beteiligt sich an dem Verfahren. Er ist ebenfalls der Ansicht, dass § 35 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BauGB 1987 eine “echte” Raumordnungsklausel darstelle, nach der Ziele der Raumordnung im Genehmigungsverfahren für Außenbereichsvorhaben strikt zu beachten und einer (nachvollziehenden) Abwägung nicht zugänglich seien.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerinnen ist zulässig, aber unbegründet. Das Berufungsgericht hat zu Recht entschieden, dass das Vorhaben der Klägerinnen bei Eintritt des erledigenden Ereignisses (In-Kraft-Treten der Veränderungssperre im Februar 1989) immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsfähig war, weil ihm eine “andere” öffentlich-rechtliche Vorschrift im Sinne von § 6 Nr. 2 BImSchG a.F. entgegenstand. Das Abbauvorhaben war zu diesem Zeitpunkt nach § 35 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BauGB 1987 unzulässig. Den tragenden Urteilsgründen des Berufungsgerichts liegt zwar ein unrichtiges Verständnis dieser Vorschrift zu Grunde. Das Urteil erweist sich jedoch aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO).

Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz diente das Abbauvorhaben im Außenbereich der Beigeladenen einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB 1987. Nach § 35 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BauGB 1987 (= § 35 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 BauGB 1998) durften raumbedeutsame Vorhaben nach Absatz 1 der Vorschrift den Zielen der Raumordnung und Landesplanung nicht widersprechen. Das Berufungsgericht hat den umstrittenen Gipsabbau wegen seiner erheblichen Flächenausdehnung und der mit ihm verbundenen Auswirkungen auf die Umgebung als raumbedeutsame Maßnahme im Sinne von § 3 Abs. 1 des Raumordnungsgesetzes (ROG) vom 8. April 1965 (BGBl I S. 306) angesehen. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Abbauvorhaben widersprach auch einem Ziel der Raumordnung und Landesplanung.

1. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts liegt das Abbauvorhaben in einem Wald- und Wiesengebiet (“Streifleswald”), das im Regionalplan Franken 1980 als ein Bereich mit “Vorrang für die Erholung” festgelegt war. Plansatz 15.1.4 bestimmte, dass in Bereichen mit Vorrang für die Erholung “größere Besucherzahlen in einer schönen, natürlichen und gesunden Umgebung Erholung finden (sollen)”. In der Planbegründung heißt es hierzu: “Vorrang für die Erholung schließt andere Arten der Raumnutzung nicht aus; er bedeutet aber, dass bei jeder raumbedeutsamen Maßnahme in einem solchen Bereich auf die Belange der Erholung Rücksicht zu nehmen ist und dass im Konfliktfalle dem Erholungszweck des Bereichs größeres Gewicht zukommt als anderen Nutzungen”. Diesen Planaussagen hat das Berufungsgericht Zielqualität im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BauGB 1987 beigemessen. Das steht im Einklang mit Bundesrecht.

2.1 Mit “den Zielen der Raumordnung und Landesplanung” knüpfte das Baugesetzbuch an die Vorschrift des § 5 Abs. 2 Satz 1 ROG a.F. an. Danach kam diesen Zielen die Funktion zu, räumlich und sachlich die zur Verwirklichung der Grundsätze der Raumordnung nach § 2 ROG a.F. notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. Der erkennende Senat hat diese Ziele in seinem Beschluss vom 20. August 1992 – BVerwG 4 NB 20.91 – (BVerwGE 90, 329 ≪334 f.≫) als landesplanerische Letztentscheidungen gekennzeichnet, die auf einer Abwägung landesplanerischer Interessen und Gesichtspunkte beruhen, auf landesplanerischer Ebene keiner Ergänzung mehr bedürfen und im mehrstufigen System räumlicher Gesamtplanung (Landes- und Regionalplanung, Bauleitplanung) tendenziell auf weitere Konkretisierung in der nachgeordneten Planungsebene angelegt sind. Die Ausführungen hierzu betreffen das Verhältnis zwischen der Landes- und Regionalplanung einerseits und der gemeindlichen Bauleitplanung andererseits, die der Anpassungspflicht nach § 1 Abs. 4 BauGB unterliegt. Im Anwendungsbereich von § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB 1987 entfällt die Zwischenebene der gemeindlichen Planung. Die landesplanerischen Ziele werden ohne konkretisierenden Zwischenschritt in den Tatbestand der Zulassungsregelung inkorporiert und schlagen damit unmittelbar auf die Vorhabenzulassung im Einzelfall durch. Das erfordert eine besondere inhaltliche Qualität und Bestimmtheit der Zielaussagen. Sie können nur dann als Beurteilungsmaßstab für die Zulässigkeit eines raumbedeutsamen Außenbereichsvorhabens dienen, wenn sie sachlich, räumlich und zeitlich hinreichend konkret sind. Sie müssen inhaltlich so bestimmt sein, dass sie der unmittelbaren Rechtsanwendung im Einzelfall zugänglich sind. Diese Kriterien hat der Senat bereits zur Auslegung von § 35 Abs. 3 Satz 1, 1. Spiegelstrich BBauG entwickelt (BVerwG, Urteile vom 20. Januar 1984 – BVerwG 4 C 43.81 – BVerwGE 68, 311, und – BVerwG 4 C 70.79 – BVerwGE 68, 319). Für die Auslegung von § 35 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BauGB 1987 gilt nichts anderes.

Nicht alle Ziele der Raumordnung und Landesplanung erfüllen diese inhaltlichen Voraussetzungen. Als Ziele der übergeordneten, überörtlichen und zusammenfassenden Planung schaffen sie typischerweise relativ offene Rahmenbedingungen, die in der Bauleitplanung zielkonform ausgestaltet werden. Es liegt in der Logik der großräumigen Landes- und Regionalplanung, dass sie in ihren Planaussagen abstrakter und genereller ist als die Bauleitplanung und die konkreten Fachplanungen. Trotz ihrer tendenziell auf Rahmensetzung angelegten Rechtswirkung können Raumordnungsziele jedoch zulässigerweise auch flächenkonkrete und relativ funktionsscharfe Raumfunktionsbestimmungen treffen, wenn dies im überörtlichen Interesse erforderlich ist (so zutreffend Paßlick, Die Ziele der Raumordnung und Landesplanung, 1986, S. 287; Wahl, in: Hoppe/Kauch ≪Hrsg.≫, Raumordnungsziele nach Privatisierung öffentlicher Aufgaben, 1996, S. 29). Solchen Raumordnungszielen können dann auch ohne weitere konkretisierende Bauleitplanung Aussagen über die Zulässigkeit einzelner Vorhaben entnommen werden. So gehört es zu den herkömmlichen Mitteln überörtlicher Koordination, Raumfunktionen zu sichern, die an besondere Lage- oder Standortvorteile geknüpft sind. Der Zugriff auf Gemeindegebiet kann sich bei solchen Flächensicherungen insbesondere aus naturräumlichen Gegebenheiten rechtfertigen. Auf diese Weise können orts- oder standortspezifische Nutzungsarten privilegiert werden.

Zielqualität im Sinne der Raumordnungsklausel des § 35 Abs. 3 BauGB kommt jedoch nur solchen Planaussagen zu, die über den Regelungsgehalt des § 35 Abs. 2 und 3 BauGB hinausgehen, sich also nicht in allgemeinen Standortzuweisungen erschöpfen, die der Gesetzgeber bereits dem Grunde nach selbst für den Außenbereich vorgenommen hat. Ein Träger der Regionalplanung kann daher ein Gebiet dem Vorrang einer dominanten Funktion (z.B. Erholung) mit der Maßgabe vorbehalten, dass andere Nutzungen zwar nicht ausgeschlossen sind, jedoch nur dann zugelassen werden dürfen, wenn sie die vorrangige Nutzung nicht beeinträchtigen (vgl. Senatsbeschluss vom 20. August 1992, a.a.O., S. 336). Ein solcher Vorrang bewirkt, dass sich die weitere Entwicklung in dem Gebiet nur noch in dem durch die Vorrangfunktion abgesteckten Nutzungsrahmen vollziehen darf. In diesem Punkt ist dann auf der Ebene der Raumordnung und Landesplanung (vgl. Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG) eine Letztentscheidung gefallen, die aufgrund ihrer Übernahme (Inkorporation) in die städtebauliche Raumordnungsklausel eine bodenrechtliche Funktion (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG) erhält.

2.2 Nach Ansicht des Berufungsgerichts erfüllt die Zielaussage des hier betroffenen “Vorranggebietes für die Erholung” die inhaltlichen Anforderungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BauGB 1987. Es verweist hierzu auf Plansatz Nr. 15.1.4; in diesem heißt es u.a., dass Bereiche mit Vorrang für die Erholung vor allem in Waldgebieten und nach den Kriterien der natürlichen Eignung wie Geländeform (Reliefunterschiede), Bioklima und Vegetationstyp, das Vorhandensein stehender oder fließender Gewässer sowie die Erreichbarkeit, Ausstattung und messbare Besucherhäufigkeit festgelegt worden seien. In Verbindung mit der zeichnerischen Darstellung des Regionalplans (Raumnutzungskarte 2) sind diese Kriterien durchaus geeignet, den erforderlichen räumlichen und sachlichen Konkretisierungsgrad der Zielaussage herzustellen. Der Einwand der Revision, das Vorranggebiet sei in den Randbereichen nicht parzellenscharf abgegrenzt, mag zutreffen, ist jedoch unerheblich, da das Abbauvorhaben der Klägerinnen nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts im Vorranggebiet liegt (§ 137 Abs. 2 VwGO).

Das Berufungsgericht legt Plansatz 15.1.4 des Regionalplans ferner dahin aus, dass der hier betroffene Bereich “mit Vorrang für die Erholung” ein verbindliches Ziel der Raumordnung und Landesplanung darstellt, und zwar ein Gebiet mit einem “absoluten Vorrang” für die Erholung. Es versteht die Zielaussage und ihre Begründung dahin, dass der Plangeber die potenziell konkurrierenden Ansprüche an die Raumnutzung in diesem Gebiet abschließend zu Gunsten des Erholungsziels abgewogen und für den Fall des Konfliktes mit anderen Nutzungsansprüchen dem Erholungszweck einen unbedingten (absoluten) Nutzungsvorrang zugewiesen habe. Das entspricht den vom Senat in seinem Beschluss vom 20. August 1992 (a.a.O., S. 336 f.) entwickelten bundesrechtlichen Vorgaben.

Die dagegen erhobenen Einwände der Revision greifen nicht durch. Die Auslegung und Anwendung des Regionalplans Franken 1980, der nichtrevisibles Landesrecht darstellt, obliegt dem Berufungsgericht. Die Revision greift dennoch die vorinstanzliche Auslegung des Regionalplans an. Sie versucht, einen bundesrechtlichen Bezug herzustellen, indem sie dem Berufungsgericht vorwirft, es habe den bundesrechtlich geprägten Begriff des “absoluten Vorranggebietes” verkannt, weil es den Unterschied zwischen “Sollformulierungen” und strikten Zielen (“Muss”-Bestimmungen) nicht beachtet habe. Die Revision schließt aus der Formulierung im Plansatz 15.1.4 (“in Bereichen mit Vorrang für die Erholung … sollen größere Besucherzahlen … Erholung finden”), dass hier eine Sollvorschrift vorliegt, die den inhaltlichen Anforderungen an die Ziele der Raumordnung und Landesplanung im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 ROG a.F. nicht genügt. Damit wirft die Revision die umstrittene bundesrechtliche Frage auf, ob eine “Sollformulierung” den für Ziele der Raumordnung erforderlichen Verbindlichkeitsanspruch besitzt (vgl. dazu Hoppe, DVBl 2001, 81 m.w.N.). Diese Frage stellt sich vorliegend jedoch nicht. Das Berufungsgericht hat der Zielaussage im Plansatz 15.1.4 (“Bereich mit Vorrang für die Erholung”) einen strikten Verbindlichkeitsanspruch beigemessen. Nach seiner Auslegung liegt insoweit also gerade keine Zielaussage in der Form einer Sollvorschrift vor. Von seinem Rechtsstandpunkt aus hatte das Berufungsgericht deshalb keinen Anlass, sich mit der Frage auseinander zu setzen, in welchem Umfang regionalplanerische Zielaussagen in Gestalt von Sollvorschriften rechtlich verbindlich sein können. Im Übrigen bezieht sich das “Sollen” im Plansatz 15.1.4 ersichtlich nicht auf den Grad der rechtlichen Verbindlichkeit der Zielaussage, sondern auf die Raumfunktion der Erholung für größere Besucherzahlen, die es näher umschreibt.

Die Revision macht ferner geltend, der Regionalplan Franken 1980 schreibe für einige Gebiete mit “Vorrang für die Erholung” ausdrücklich vor, dass neue Abbaumaßnahmen in jedem Einzelfall auf ihre Verträglichkeit mit den ökologischen Belangen geprüft werden müssten (vgl. Plansatz 9.1.7: Lagerstätten von Steinen und Erden). Sie folgert darauf verallgemeinernd, dass der Plangeber auch für die Bereiche mit Vorrang für die Erholung im Sinne von Plansatz 15.1.4 “die zwingende Anordnung eines absoluten Vorranges nicht gewollt” habe. Auch dieser Angriff richtet sich gegen die vorinstanzliche Auslegung von nichtrevisiblem Landesrecht und kann im Revisionsverfahren nicht durchgreifen. Er ist auch in der Sache unberechtigt, da der Regionalplan für das Gipsabbauvorhaben der Klägerinnen im erfassten Gebiet gerade keine vergleichbare Einschränkung des “Vorrangs für die Erholung” getroffen hat.

3. Dem Berufungsgericht ist im Ergebnis auch darin zuzustimmen, dass das Abbauvorhaben der Klägerinnen der für das Abbaugebiet getroffenen regionalplanerischen Zielaussage “Bereich mit Vorrang für die Erholung” im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BauGB 1987 widersprochen hat. Bei Anwendung dieser Vorschrift ist der Vorinstanz allerdings ein Rechtsfehler unterlaufen. Die urteilstragende Erwägung, § 35 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BauGB 1987 habe die Funktion einer “echten” Raumordnungsklausel, die den Zielen der Raumordnung und Landesplanung strikte Rechtsverbindlichkeit verleihe und eine Abwägung von Raumordnungszielen und dem zur Genehmigung gestellten privilegierten Außenbereichsvorhaben ausschließe, ist mit Bundesrecht nicht vereinbar. Es ist schon sehr zweifelhaft, ob sich das Normverständnis des Berufungsgerichts so eindeutig aus dem Wortlaut der Vorschrift und ihrer gesetzessystematischen Stellung ablesen lässt, wie das Berufungsgericht dies annimmt (3.1). Entscheidend gegen die Auffassung der Vorinstanz sprechen jedenfalls die verfassungsrechtlichen Anforderungen des Eigentumsschutzes in Art. 14 Abs. 1 GG (3.2).

3.1 Die Tragweite von § 35 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BauGB 1987 ist vor dem Hintergrund der Rechtslage zu bestimmen, die vor seinem In-Kraft-Treten bestanden hat.

Bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Vorhabens im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 und 2 BBauG bedurfte es stets (und nicht etwa nur bei privilegierten Vorhaben) einer die gesetzlichen Vorgaben und Wertungen konkretisierenden nachvollziehenden Abwägung, ob die in § 35 Abs. 3 Satz 1 BBauG beispielhaft genannten öffentlichen Belange dem Vorhaben entgegenstehen oder durch dieses beeinträchtigt werden. “Nachvollziehende Abwägung” meint hier einen gerichtlich uneingeschränkt überprüfbaren Vorgang der Rechtsanwendung, der eine auf den Einzelfall ausgerichtete Gewichtsbestimmung verlangt: Ob sich die öffentlichen Belange im Einzelfall durchsetzten, war eine Frage ihres jeweiligen Gewichts und der Abwägung mit dem Vorhaben, zu dem es konkret in Beziehung zu setzen war. Innerhalb dieser Beziehung war dem gesteigerten Durchsetzungsvermögen privilegierter Außenbereichsvorhaben (§ 35 Abs. 1 BBauG) gebührend Rechnung zu tragen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 1967 – BVerwG 4 C 86.66 – BVerwGE 28, 148 ≪151≫; Weyreuther, Bauen im Außenbereich, 1979, S. 159 f. m.w.N.; seitdem stRspr auch zu § 35 BauGB). Seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Januar 1984 – BVerwG 4 C 43.81 – (BVerwGE 68, 311) war ferner geklärt, dass die in § 35 Abs. 3 Satz 1, 1. Spiegelstrich BBauG genannten Ziele der Raumordnung und Landesplanung als öffentliche Belange nicht nur sonstigen Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BBauG, sondern auch privilegierten Vorhaben nach § 35 Abs. 1 BBauG entgegengehalten werden konnten (anders noch Senatsurteil vom 25. Oktober 1967, a.a.O., S. 151 ff.). Unter der Geltung des Bundesbaugesetzes lösten Raumordnungsziele keine strikte Bindungswirkung aus: Sie repräsentierten das hinter ihnen stehende Interesse als öffentlichen Belang, welches sodann dem Abwägungsregime der nachvollziehenden Gewichtung im Einzelfall unterlag. Die zu § 35 BBauG entwickelte Rechtsfigur der sog. “nachvollziehenden Abwägung” gewährleistete, dass sich die Ziele der Raumordnung und Landesplanung als öffentliche Belange nicht unverhältnismäßig auf ein konkretes (Abbau-)Vorhaben im Außenbereich auswirkten.

§ 35 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BauGB 1987 schließt seinem Wortlaut nach ein Normverständnis, nach dem sich der “Widerspruch” zwischen einem Raumordnungsziel und einem konkreten Außenbereichsvorhaben als das Ergebnis einer “nachvollziehenden Abwägung” herausstellt, nicht aus. So liegt z.B. nach § 35 Abs. 3 Satz 1, 1. Spiegelstrich BauGB 1987 eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange vor, wenn das Vorhaben den Darstellungen des Flächennutzungsplans “widerspricht”. Ungeachtet dieser Wortwahl unterliegen jedoch die Darstellungen des Flächennutzungsplans als “Träger” bestimmter öffentlicher Belange dem Regime der “nachvollziehenden Abwägung” (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 6. Oktober 1989 – BVerwG 4 C 28.86 – Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 258).

§ 35 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BauGB 1987 löste die Ziele der Raumordnung und Landesplanung allerdings aus dem Katalog der öffentlichen Belange in Absatz 3 Satz 1 der Vorschrift heraus. Das kann bedeuten, dass der Gesetzgeber den Zielen der Raumordnung und Landesplanung im Unterschied zu den zuvor genannten öffentlichen Belangen eine im Wege der (nachvollziehenden) Abwägung nicht mehr überwindbare Sperrwirkung hat beimessen wollen. Die Neuregelung kann jedoch auch auf die Aussage beschränkt werden, dass die Ziele der Raumordnung nunmehr für Vorhaben nach Absatz 1 und 2 gleichermaßen in Ansatz zu bringen sind und dass für beide Arten von Vorhaben das Erfordernis der Unvereinbarkeit (“Widerspruch”) mit diesen Zielen gilt, ohne damit vom bisherigen Regime der “nachvollziehenden Abwägung” Abstand zu nehmen. Die Gesetzesmaterialien geben hierzu keinen hinreichenden Aufschluss. Nach den Stellungnahmen des Bundesrates und der Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren sollte der Neuregelung lediglich eine “klarstellende” Bedeutung im Hinblick auf die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Januar 1984 – BVerwG 4 C 43.81 und BVerwG 4 C 70.89 – a.a.O. zukommen (vgl. BTDrucks 10/4630, S. 89; 10/5027, S. 9; 10/5111, S. 7). In dieser Hinsicht “klargestellt” werden konnte bei In-Kraft-Treten des Baugesetzbuches nur zweierlei: Die Wirkung der Raumordnungsziele auch gegenüber privilegierten Außenbereichsvorhaben und das Erfordernis ihrer hinreichenden sachlichen und räumlichen Konkretisierung. Nur die erste Klarstellung findet sich im Gesetzeswortlaut wieder. Die Anordnung einer strikten Bindungswirkung der Raumordnungsziele hätte gegenüber dem bisherigen Rechtszustand eine durchgreifende Rechtsänderung dargestellt.

Das Berufungsgericht verweist darauf, dass die Gemeinden die Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen haben (§ 1 Abs. 4 BauGB), diese Ziele also nicht im Wege der Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB überwinden dürfen. Es folgert hieraus, dass sinngemäß nichts anderes für die sog. “negative” Funktion (Sperrfunktion) der Raumordnungsziele nach § 35 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BauGB 1987 gelten dürfe. Auch dieser teleologische Ansatz gebietet jedoch nicht, den Zielen der Raumordnung und Landesplanung eine strikte rechtliche Sperrwirkung beizulegen. Dem Berufungsgericht ist zwar einzuräumen, dass das Bedürfnis nach einer zielkonformen räumlichen Entwicklung des Gemeindegebiets sich nicht nur auf die beplanten Flächen beschränkt, sondern gerade auch hinsichtlich des Außenbereichs besteht, der den weitaus größeren Teil des Planungsraums im Bundesgebiet einnimmt. Die im Außenbereich privilegierten Vorhaben sind häufig mit weitreichenden Umweltbelastungen für die Umgebung verbunden, die den Zielen der Raumordnung und Landesplanung zuwider laufen können. Auch eine die Umstände des Einzelfalls in den Blick nehmende “nachvollziehende Abwägung” auf der Ebene der Vorhabenzulassung kann jedoch zur Unzulässigkeit eines Vorhabens führen und so verhindern, dass raumordnerisch abgewogene Zielaussagen unterlaufen werden. Das angebliche “Gebot einer notwendigen Kongruenz” zwischen der Anpassungspflicht nach § 1 Abs. 4 BauGB und der (strikten) Bindung an die Ziele der Raumordnung im Außenbereich überzeugt ferner auch deshalb nicht, weil es die Ebene der gemeindlichen Bauleitplanung in eine Beziehung zur Vorhabenzulassung im Einzelfall stellt. Dabei wird übersehen, dass die Anpassungspflicht, die für die planende Gemeinde gilt, durch das Instrument der Befreiung vom Bebauungsplan nach Maßgabe des § 31 Abs. 2 BauGB abgeschwächt wird.

3.2 Die Auffassung, § 35 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BauGB 1987 habe hinreichend konkreten Zielen der Raumordnung und Landesplanung nach Art einer “echten” Raumordnungsklausel einen strikten und unabdingbaren Geltungsanspruch beigemessen und sie dem Regime der “nachvollziehenden Abwägung” entzogen, begegnet durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Auffassung ist mit der Eigentumsgarantie in Art. 14 Abs. 1 GG nicht vereinbar.

§ 35 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BauGB 1987 bestimmt Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Regelungen, die Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmen, sind mit Art. 14 Abs. 1 GG unvereinbar, wenn sie unverhältnismäßige Belastungen des Eigentümers nicht ausschließen und keinerlei Vorkehrungen zur Vermeidung derartiger Eigentumsbeschränkungen enthalten (BVerfG, Beschluss vom 2. März 1999 – 1 BvL 7/91 – BVerfGE 100, 226 – rh.pf. Denkmalschutz- und PflegeG). Die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verlangt, dass in erster Linie Vorkehrungen getroffen werden, die eine unverhältnismäßige Belastung des Eigentümers real vermeiden und die Privatnützigkeit so weit wie möglich erhalten. Als Instrumente stehen dem Gesetzgeber hierfür Übergangsregelungen, Ausnahme und Befreiungsvorschriften sowie der Einsatz sonstiger administrativer und technischer Mittel zur Verfügung (BVerfG, Beschluss vom 2. März 1999, a.a.O., S. 245; BVerwG, Urteil vom 24. Juni 1993 – BVerwG 7 C 26.92 – BVerwGE 94, 1 ≪7≫ m.w.N.). Eigentum im Sinne von Art. 14 Abs. 1 GG ist auch das der Klägerin zu 1 von der Grundstückseigentümerin eingeräumte und durch eine Grunddienstbarkeit gesicherte Recht zum Gipsabbau im vorgesehenen Abbaugebiet. Zu einer entsprechenden dinglichen Sicherung hat sich die Eigentümerin in dem Abbauvertrag mit der Klägerin zu 1 vom 5. November 1985 verpflichtet; das ergibt sich aus den vom Berufungsgericht beigezogenen Akten des zuständigen Landratsamts, auf die das Berufungsurteil Bezug nimmt.

Unter der Geltung des Bundesbaugesetzes (und seitdem) gewährleistete die zu § 35 BBauG entwickelte Rechtsfigur der “nachvollziehenden Abwägung” im Einklang mit der Eigentumsgarantie, dass sich Ziele der Raumordnung und Landesplanung nicht in unverhältnismäßiger oder gleichheitswidriger Weise auf ein im Außenbereich privilegiertes (Abbau )Vorhaben auswirkten. Diese eigentumssichernde Funktion der (nachvollziehenden) Abwägung wäre möglicherweise verzichtbar gewesen, wenn die durch das Außenbereichsvorhaben berührten privaten Belange bereits bei der Zielfestlegung auf der Ebene der raumplanerischen Abwägung ausreichende Berücksichtigung hätten finden können und müssen. Die Vorverlagerung des Eigentumsschutzes auf die Abwägungsebene der Raumordnung wäre dann die Kehrseite der Einführung einer “strikten” Raumordnungsklausel für den Außenbereich. Damit wären Raumordnungsziele, die als Beurteilungsmaßstab für die Vorhabenzulassung im Einzelfall hinreichend konkret und bestimmt waren, auf der Ebene der Landes- und Regionalplanung allerdings unter Rechtfertigungsbedingungen geraten, die für Bodennutzungsregelungen gelten, denen sie aber in ihrem primären und eigenständigen Regelungsbereich typischerweise bisher gerade nicht unterworfen waren (so mit Recht Wahl, in: Hoppe/Kauch ≪Hrsg.≫, a.a.O., S. 29). Eine derartige raumordnerische Einbindung privater Eigentumsbelange, die mit einem raumbedeutsamen privilegierten Außenbereichsvorhaben verbunden waren, lässt sich jedenfalls für den Geltungszeitraum des § 35 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BauGB 1987 nicht feststellen. Die Überantwortung dieser eigentumssichernden Aufgabe an die Träger der Landes- und Regionalplanung hätte einer klaren und unmissverständlichen Anordnung des Gesetzgebers bedurft. Das war ein Gebot des effektiven Eigentumsschutzes. Eine dahin gehende eindeutige Aussage hat der Bundesgesetzgeber 1987 jedoch nicht getroffen:

§ 35 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BauGB 1987 signalisierte den Trägern der Landes- und Regionalplanung nicht in der gebotenen Klarheit, dass die raumplanerische Abwägung nunmehr erhöhten eigentumssichernden Anforderungen unterliegen sollte. Wortlaut, Systematik und teleologische Auslegung der Norm lassen, wie bereits (vgl. oben 3.1) ausgeführt, keine eindeutige Abkehr von dem zu § 35 BBauG entwickelten Regime der “nachvollziehenden Abwägung” erkennen. Rechtsprechung und Schrifttum sind in dieser Frage geteilter Ansicht (vgl. Hoppe, DVBl 1993, 1109; Ingo Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen auf die Zulässigkeit privilegierter Außenbereichsvorhaben, 1997, 32 ff.; M. f Spiecker, Raumordnung und Private, 1999, S. 292 ff. – jeweils m.w.N.).

Das Raumordnungsgesetz vom 8. April 1965 (BGBl I S. 306) ist durch Artikel 2 des Gesetzes über das Baugesetzbuch vom 8. Dezember 1986 (BGBl I S. 2191) nur redaktionell, nicht inhaltlich geändert worden und ließ nicht erkennen, dass bei der Abwägung der Grundsätze der Raumordnung (§ 2 Abs. 2 ROG a.F.) auch die betroffenen privaten Belange insbesondere der Eigentümer von Außenbereichsgrundstücken abschließend zu berücksichtigen waren. Nach § 5 Abs. 4 i.V.m. § 4 Abs. 5 ROG a.F. richteten sich die Ziele der Raumordnung und Landesplanung an die öffentlichen Planungsträger des Bundes und der Länder, die Gemeinden und Gemeindeverbände sowie an mit Planungsaufgaben betraute Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, nicht hingegen an die im Einzelfall für die Genehmigung eines Außenbereichsvorhabens zuständigen Behörden. Das Raumordnungsgesetz 1965 verlieh diesen Zielen auch keine Rechtswirkung gegenüber dem privaten Einzelnen (BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1993 – BVerwG 4 C 15.92 – ZfBR 1993, 191 ≪192≫).

Hätte der Gesetzgeber sich in § 35 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BauGB 1987 für eine “echte” Raumordnungsklausel entschieden, nach der die Ziele der Raumordnung und Landesplanung unmittelbar und unabdingbar (strikt) auf die Zulässigkeit eines Außenbereichsvorhabens durchschlagen, wären zudem verfahrensrechtliche Vorkehrungen erforderlich gewesen, die gewährleisteten, dass eine Abwägung der Grundsätze der Raumordnung (§ 2 Abs. 1 und 2 ROG a.F.) mit den betroffenen privaten Eigentumsbelangen stattfand. Hierzu hätte es auf der Stufe der Landes- und Regionalplanung eines Verfahrens bedurft, in dem die betroffenen Privatpersonen informiert und beteiligt werden konnten. Die Eigenart der Aufgaben und Ziele der Raumordnung und ihrer Grundsätze (vgl. §§ 1, 2 ROG a.F.) verlangte die Einführung eines derartigen Verfahrens nicht. Die Revision verweist zu Recht darauf, dass die fehlende Beteiligung von Bürgern an übergeordneten Planungen mit der Erwägung gerechtfertigt werden kann, dem Gesetzgeber stehe es ungeachtet der Grundrechte und ihrer verfahrensspezifischen Garantiefunktion frei, Systeme vorausliegender Planungsstufen einzuführen und die Beteiligungsrechte Dritter auf die letzte, zur außenverbindlichen Entscheidung führende Verfahrensstufe zu begrenzen (mit Hinweis auf Papier, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 14, Rn. 55). Dies setzt jedoch voraus, dass von den vorgelagerten Planungsstufen keine irreversiblen, nachteiligen Rechtswirkungen für den Einzelnen ausgehen (so mit Recht Papier a.a.O.). Eine strikte Rechtsbindung Privater an Zielaussagen eines Regionalplans kann deshalb nur dann in Betracht gezogen werden, wenn auf der Stufe der Regionalplanung verfahrensrechtlich sichergestellt ist, dass die betroffenen Privatpersonen ihre Eigentumsbelange geltend machen können. Ein derartiges Beteiligungserfordernis sahen weder das Raumordnungsgesetz a.F. noch das baden-württembergische Landesplanungsgesetz vom 10. Oktober 1983 (GVBl S. 621) vor. Einem Träger der Regionalplanung blieb es allerdings unbenommen, im Interesse einer erhöhten Richtigkeitsgewähr seiner raumordnerischen Zielaussagen ihm bekannte oder an ihn herangetragene raumbedeutsame Eigentumsbelange privater Einzelner bei der Abwägung zu berücksichtigen.

Nach alledem scheidet die Auslegung von § 35 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BauGB 1987 im Sinne einer “echten” (strikten) Raumordnungsklausel aus. Der vorliegende Streitfall bietet keinen Anlass, der Frage nachzugehen, wie sich die Neufassung des Raumordnungsgesetzes (insbesondere § 7 Abs. 6 und 7 Satz 2 ROG) durch Art. 2 des Bau- und Raumordnungsgesetzes 1998 vom 18. August 1997 (BGBl I S. 2081) auf das Verständnis von § 35 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 BauGB in der Fassung des BauROG 1998, dessen Wortlaut gegenüber § 35 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BauGB 1987 im Wesentlichen unverändert geblieben ist, ausgewirkt hat.

4. Das angefochtene Urteil stellt sich aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Das Berufungsgericht hat in einer Hilfsbegründung unterstellt, dass § 35 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BauGB 1987 den Zielen der Raumordnung und Landesplanung keine strikte Rechtsbindung zuerkennt, und ausgeführt, dass eine nachvollziehende Abwägung, in der die Zielaussage des Regionalplans “Vorrangbereich für die Erholung” der Bedeutung des privilegierten Abbauvorhabens der Klägerinnen gegenüberzustellen sei, zu Ungunsten des umstrittenen Abbauvorhabens hätte ausfallen müssen. Diese Einschätzung beruht auf der Feststellung von Tatsachen und deren tatrichterlichen Würdigung, die im Revisionsverfahren für eine Entscheidung in der Sache ausreichen. Danach muss das Feststellungsbegehren der Klägerinnen erfolglos bleiben.

4.1 Bei Anwendung von § 35 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BauGB 1987 darf nicht außer Acht bleiben, dass der Gesetzgeber die Wirkungskraft der Raumordnungsziele hat stärken wollen, indem er in Anknüpfung an die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Januar 1984 a.a.O. regelte, dass diese Ziele grundsätzlich auch privilegierten Außenbereichsvorhaben entgegenstehen können. Insoweit wird das Durchsetzungsvermögen der in § 35 Abs. 1 BauGB privilegierten Außenbereichsvorhaben nach der erkennbaren Absicht des Gesetzgebers durch § 35 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BauGB 1987 abgeschwächt. Die raumbedeutsamen Funktionen einer Außenbereichsfläche, die wie hier in einer gebietsförmigen Vorrangausweisung der Regionalplanung erfasst werden, und das Bedürfnis nach einer überörtlichen raumordnerischen Gesamtplanung werden die Versagung einer Vorhabengenehmigung im Hinblick auf die Sozialbindung des Eigentums in aller Regel auch als verhältnismäßig erscheinen lassen. Durch die Festlegung eines Vorrangbereiches wird die Privatnützigkeit eines betroffenen Grundstücks zwar eingeschränkt, aber in der Regel nicht beseitigt. Ein Eigentümer muss es grundsätzlich hinnehmen, dass ihm eine möglicherweise rentablere Nutzung des Grundstücks verwehrt wird. Art. 14 Abs. 1 GG schützt nicht die einträglichste Nutzung des Eigentums (BVerfGE 100, 226 ≪242 f.≫).

Eine abwägende Überwindung der raumplanerischen Zielaussagen auf der Ebene der Vorhabenzulassung im Einzelfall kommt vor allem für zwei Fallgruppen in Betracht. Ein zielwidriges privates Abbauvorhaben im Außenbereich kann sich als zulässig erweisen, wenn oder soweit der Träger der Regionalplanung bei der Festlegung eines Vorranggebiets z.B. für die Erholung potenzielle Abbau- oder Abgrabungsflächen nicht berücksichtigt hat, weil sie ihm nicht bekannt waren oder ihre Raumbedeutsamkeit verkannt worden ist. Eine weitere (wenn auch eher seltene) Fallgruppe betrifft die raumbedeutsame Modernisierung und Erweiterung im Außenbereich bereits vorhandener Betriebsgebäude oder Abbauflächen. Die (nachvollziehende) Abwägung im Rahmen von § 35 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BauGB 1987 eröffnete die Möglichkeit, dass sich raumbedeutsame Vorhaben dieser Art aus Gründen der Verhältnismäßigkeit je nach den Umständen des Einzelfalls gegenüber zuwiderlaufenden raumordnerischen Zielaussagen durchsetzen konnten und damit einen gesetzlich vermittelten eigentumsrechtlichen Bestandsschutz erhielten (vgl. zu Letzterem BVerwG, Urteil vom 12. März 1998 – BVerwG 4 C 10.97 – BVerwGE 106, 228 ≪234 f.≫).

4.2 Die tatsächlichen, nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben, dass sich die regionalplanerische Festlegung des “Vorrangbereichs für die Erholung” im Konflikt mit den Interessen der Klägerinnen am Abbau des Gipsvorkommens in diesem Bereich durchsetzt. Das Berufungsgericht leitet dieses Ergebnis (hilfsweise) aus der Lage, dem erheblichen Umfang des Abbauvorhabens (ca. 22 ha einschließlich Deponie) und seiner Laufzeit (15-jährige Abbau- und Rekultivierungsphase, 20 bis 30 weitere Jahre einer deutlichen Minderung des Erholungswerts) ab. Dabei schätzt es den Erholungswert des betroffenen Wald- und Wiesengeländes auf Grund der bei der Einnahme des Augenscheins gewonnenen Eindrucks als hoch ein. Auch gegen diese Einschätzung erhebt die Revision keine durchgreifenden Verfahrensrügen. Auf der Grundlage der dem Tatrichter vorbehaltenen Sachverhaltswürdigung ist der den Genehmigungsantrag der Klägerinnen ablehnende Erstbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides daher rechtmäßig gewesen.

Den im Berufungsverfahren erhobenen Einwand, das Abbauvorhaben sei für sie existenziell notwendig gewesen, haben die Klägerinnen im Revisionsverfahren nicht wiederholt. Das von der Revision geltend gemachte volkswirtschaftliche Interesse an dem Gipsabbau brauchte das Berufungsgericht nicht gesondert hervorzuheben; es ist Teil der Privilegierung ortsgebundener Außenbereichsvorhaben im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB 1987, die das Berufungsgericht in Rechnung gestellt hat.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO sowie auf § 162 Abs. 3 VwGO.

 

Unterschriften

Berkemann, Lemmel, Halama, Rojahn

Vorsitzender Richter, Dr. Gaentzsch ist in den Ruhestand getreten.

Berkemann

 

Fundstellen

Haufe-Index 1349584

BVerwGE, 17

BauR 2002, 41

NVwZ 2002, 476

IBR 2002, 165

DÖV 2002, 76

NuR 2002, 49

ZfBR 2002, 65

BRS 2002, 411

DVBl. 2001, 1855

UPR 2002, 33

BRS-ID 2001, 7

FSt 2002, 657

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