Verfahrensgang

Bayerischer VGH (Aktenzeichen 7 B 99.1924)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. Februar 2000 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren sowie unter Änderung der vorinstanzlichen Streitwertentscheidungen für das erstinstanzliche und das Berufungsverfahren auf je 10 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf.

Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage, was unter der Wendung „zutreffende Beantwortung der Prüfungsfrage” in § 14 Abs. 6 ÄAppO zu verstehen ist, und erläutert die Frage dahin, ob dieses Tatbestandsmerkmal „so auszulegen ist, daß – unabhängig vom objektiven Sinn der Aufgabe insgesamt – es zu jeder Frage (nicht der Aufgabe insgesamt) nur eine zutreffende, d.h. wahre Antwort gibt, oder beurteilt sich die Frage der zutreffenden Antwort nach der Sinnstellung der Aufgabe, auch wenn damit eine objektiv richtige Antwort u.U. als falsch gewertet werden müsste”. Die Beschwerde wirft diese Frage vor dem Hintergrund auf, dass der Kläger zwei Prüfungsfragen in einer bestimmten Weise verstanden und dementsprechend beantwortet hat, die nicht mit dem vom Berufungsgericht festgestellten objektiven Sinn der Fragen übereinstimmt.

Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage beruht auf der Annahme, es könne zwischen Prüfungsfrage und Aufgabenstellung unterschieden werden und deshalb sei es möglich, dass der Prüfling mit seiner Antwort zwar die Prüfungsfrage richtig beantworte, auch wenn er die Aufgabenstellung verfehle. Damit wirft die Beschwerde eine Frage auf, die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt ist und demgemäß die Zulassung der Revision nicht rechtfertigt. Lassen sich Prüfungsfrage und Aufgabenstellung, wie von der Beschwerde angenommen, unterscheiden, liegt keine Prüfungsfrage vor, die den rechtlichen Anforderungen an medizinische Prüfungsfragen im Antwort-Wahl-Verfahren genügt. Diese müssen verständlich, widerspruchsfrei und eindeutig sein (vgl. Urteile vom 17. Mai 1995 – BVerwG 6 C 8.94 – BVerwGE 98, 210 ≪216≫ und vom 17. Mai 1995 – BVerwG 6 C 12.94 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 349 S. 75). Dem Beschwerdevortrag lässt sich nicht entnehmen, inwiefern dieser Rechtsgrundsatz in einem Revisionsverfahren weiterentwickelt werden könnte. Daran ändert der Umstand nichts, dass die Beschwerde die rechtliche Problematik mehrdeutiger Prüfungsfragen anders formuliert.

2. Die Beschwerde rügt weiter, die Berufungsentscheidung weiche von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts ab. Die Rüge genügt nicht den Anforderungen an die Darlegung des Revisionszulassungsgrundes des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.

Eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Divergenz liegt nur vor, wenn das Berufungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgerückt ist; dabei müssen sich die Rechtssätze grundsätzlich auf dasselbe Gesetz beziehen. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erfordert in diesem Zusammenhang, dass in der Beschwerdebegründung ausgeführt wird, dass und inwiefern das Berufungsgericht seine Entscheidung auf einen in der genannten Weise widersprechenden Rechtssatz gestützt hat. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen nicht (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 n.F. VwGO Nr. 26 = NJW 1997, 3328).

a) Die Beschwerde legt nicht dar, mit welchem abstrakten Rechtssatz das Berufungsgericht von den im Urteil des beschließenden Senats vom 17. Mai 1995 – BVerwG 6 C 8.94 – a.a.O., aufgestellten Rechtssätzen abgewichen sein könnte. Das Berufungsurteil beruht auf der Überzeugung des Berufungsgerichts, die umstrittenen Fragen seien nach ihrem objektiven Sinn geeignet und klar gewesen und die vom Beigeladenen vorgegebene Antwort allein zutreffend. Die Beschwerde trägt vor, das Berufungsurteil sei mit dem Urteil vom 17. Mai 1995 nicht in Einklang zu bringen; es gehe davon aus, der Prüfling müsse im Rahmen der Prüfung einen objektiven übergeordneten Sinn der Aufgabe insgesamt erfassen und dürfe die Fragen nur unter Beachtung dieser Sinngebung beantworten, auch wenn die Antwort – wie im vorliegenden Fall – dann fachlich objektiv unzutreffend sei. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerde das Berufungsurteil, das einen entsprechenden Rechtssatz nicht enthält, überhaupt zutreffend erfasst hat. Jedenfalls zeigt sie nicht auf, von welchem Rechtssatz der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts das Berufungsurteil im oben dargelegten Sinn abgewichen ist.

b) Die Beschwerde legt auch eine Abweichung von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. April 1991 – 1 BvR 1529/84 und 138/87 – BVerfGE 84, 59 ≪78≫ nicht dar. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts waren die umstrittenen Prüfungsfragen ihrem objektiven Sinn nach eindeutig, sodass es für seine Entscheidung auf Irritationen des Prüflings durch eine fehlerhafte Fragestellung weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht angekommen ist. Inwiefern es dessen ungeachtet einen auf derartige Irritationen bezogenen, von der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abweichenden Rechtssatz aufgestellt und angewandt haben könnte, lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Auch insoweit rügt die Beschwerde lediglich, das Berufungsurteil werde der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht gerecht. Dies genügt nicht zur Darlegung einer Divergenz.

3. Die Verfahrensrüge unzureichender Sachaufklärung durch das Berufungsgericht gemäß § 86 Abs. 1, § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nicht ordnungsgemäß erhoben.

Wird ein Aufklärungsmangel gerügt, muss gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO substantiiert dargelegt werden, welche Beweise angetreten worden sind oder welche Ermittlungen sich dem Berufungsgericht hätten aufdrängen müssen, welche Beweismittel bzw. Aufklärungsmöglichkeiten in Betracht gekommen wären, welches Ergebnis die Beweisaufnahme bzw. weitere Aufklärung voraussichtlich gehabt hätte und inwiefern dieses Ergebnis zu einer dem Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätte führen können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Tatsachengericht seine Aufklärungspflicht grundsätzlich dann nicht verletzt, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die eine anwaltlich vertretene Partei nicht beantragt hat.

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. In ihr wird nicht dargelegt, aus welchen Gründen sich dem Berufungsgericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens hätte aufdrängen müssen, obwohl der Bevollmächtigte des Klägers dies nicht beantragt hatte. Ferner werden nicht die Tatsachen benannt, die von einem Sachverständigen zu bekunden und für die Entscheidung erheblich wären. Auf diese Darlegung kommt es hier in besonderem Maße an, weil das Berufungsgericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens mit der Begründung für entbehrlich angesehen hat, dass kein fachwissenschaftlicher Meinungsstreit vorliege, sondern die Auffassung des Klägers auf einer Fehlinterpretation der Prüfungsfragen beruhe. Der beschließende Senat ist mithin nicht in der Lage, aufgrund des Beschwerdevorbringens zu überprüfen, ob das Unterbleiben der Beweiserhebung für die Berufungsentscheidung erheblich gewesen sein kann.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 13 Abs. 1 Satz 1, § 14 Abs. 1 und 3, § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG und entspricht Nr. 35.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 1996, 563) sowie der ständigen Praxis des beschließenden Senats.

 

Unterschriften

Niehues, Eckertz-Höfer, Gerhardt

 

Fundstellen

Dokument-Index HI566477

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