Verfahrensgang

OLG Karlsruhe (Urteil vom 25.11.1999; Aktenzeichen 8 U 128/99)

LG Karlsruhe (Urteil vom 25.03.1999; Aktenzeichen 7 O 281/98)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Tatbestand

Die Verfassungsbeschwerde betrifft einen Zivilrechtsstreit über das Bestehen eines Pflichtteilsanspruchs.

I.

1. Die Beschwerdeführerin errichtete mit ihrem Mann im Jahre 1986 ein gemeinschaftliches Testament. In diesem setzten sie sich gegenseitig zu Erben des Erstversterbenden und ihren Sohn zum Schlusserben ein. Ihre Tochter – die Klägerin des Ausgangsverfahrens – sollte nichts aus dem Nachlass erhalten. Das Testament enthielt folgende Begründung:

Unsere Tochter … enterben wir aus folgendem Grund: Wegen schwerer Kränkung und böswilliger Verleumdung.

Nach dem Tode ihres Vaters im Jahre 1999 machte die Klägerin Pflichtteilsansprüche geltend. Die Beschwerdeführerin vertrat die Auffassung, dass der Klägerin in dem Testament auch der Pflichtteil gemäß § 2333 Nr. 3 BGB entzogen worden sei.

2. Die Klage hatte Erfolg. Die Gerichte hielten die Pflichtteilsentziehung für unwirksam, weil der Entziehungsgrund des § 2333 Nr. 3 BGB nicht hinreichend konkret in dem Testament benannt worden sei. Die Norm des § 2336 Abs. 2 BGB verlange aber die Angabe eines Kernsachverhalts, auf den sich die Entziehung stütze.

3. In ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die gerichtlichen Entscheidungen und mittelbar gegen § 2303 Abs. 1 BGB. Sie rügt unter anderem eine Verletzung des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Das Pflichtteilsrecht sei verfassungswidrig, weil es eine heute nicht mehr gerechtfertigte Einschränkung der Testierfreiheit sei. Darüber hinaus hätten die Gerichte bei der Auslegung der § 2333 Nr. 3 BGB, § 2336 Abs. 2 BGB die Anforderungen an die Konkretisierung des Pflichtteilsentziehungsgrundes in der letztwilligen Verfügung in grundrechtswidriger Weise überspannt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen.

1. Sie wirft keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Fragen im Sinne des § 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG auf. Die mit dem Pflichtteilsrecht der Kinder des Erblassers zusammenhängenden verfassungsrechtlichen Fragen hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit Beschluss vom 19. April 2005 – 1 BvR 1644/00, 1 BvR 188/03 – geklärt.

2. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt, § 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

a) Die Rüge der Beschwerdeführerin, das geltende Pflichtteilsrecht der Kinder des Erblassers in § 2303 Abs. 1 BGB verstoße gegen Art. 14 Abs. 1 GG, ist unbegründet. Die grundsätzlich unentziehbare und bedarfsunabhängige wirtschaftliche Mindestbeteiligung der Kinder des Erblassers an dessen Nachlass wird durch die Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistet. § 2303 Abs. 1 BGB ist mit dem Grundgesetz vereinbar (vgl. Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 19. April 2005 – 1 BvR 1644/00; 1 BvR 188/03 –; Umdruck S. 25, 34 f.).

b) Die von den Gerichten bei der Anwendung des § 2336 Abs. 2 BGB aufgestellten Anforderungen an die Konkretisierung des Pflichtteilsentziehungsgrundes begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie gewährleisten, dass das Pflichtteilsrecht der Kinder nur dann hinter die Testierfreiheit zurücktreten muss, wenn in der letztwilligen Verfügung eine hinreichend substanzielle Tatsachengrundlage angegeben wird, die in einem gerichtlichen Verfahren – gegebenenfalls durch eine Beweisaufnahme – überprüft werden kann. Diese Konkretisierungsanforderungen sind geeignet und erforderlich, um das Pflichtteilsrecht der Kinder zu schützen. Für den Erblasser sind sie zumutbar, auch wenn sie im Einzelfall eine gewisse Erschwerung bei der Errichtung einer letztwilligen Verfügung mit sich bringen mögen. Die Auffassung der Gerichte, dass der Pflichtteilsentziehungsgrund in dem gemeinschaftlichen Testament nicht hinreichend konkret beschrieben worden sei, ist daher von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Papier, Steiner, Gaier

 

Fundstellen

Haufe-Index 1369778

NJW 2005, 2691

FamRZ 2005, 2051

ZEV 2005, 388

DNotZ 2005, 791

NJW-Spezial 2005, 446

PA 2006, 67

EE 2006, 1

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