Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterliche Sorge: Anspruch eines nichtehelichen Vaters auf ein (Mit-)Sorgerecht

 

Normenkette

BGB § 1626a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, § 1687 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Bad Liebenwerda (Beschluss vom 10.07.2014; Aktenzeichen 22 F 17/14)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Kindesvaters wird der Beschluss des AG Bad Liebenwerda vom 10.7.2014 - Az. 22 F 17/14 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Dem Kindesvater wird das elterliche Sorgerecht für P. R., geboren am ... Februar 2010, zur gemeinsamen Ausübung mit der Kindesmutter übertragen.

II. Es bleibt bei der Kostenentscheidung erster Instanz.

Die im Beschwerdeverfahren entstandenen Gerichtskosten tragen die Kindeseltern je zur Hälfte. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 3.000 EUR.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 1. und 2. sind die Eltern des am ... Februar 2010 geborenen P. R. Eine gemeinsame Sorgeerklärung gem. § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB haben sie nicht abgegeben. Die Kindeseltern haben nicht über einen längeren Zeitraum einen gemeinsamen Hausstand geführt. Die Mutter lebte bis Weihnachten 2012 ganz überwiegend im Haushalt der Großeltern väterlicherseits, die umfänglich in die Betreuung P. eingebunden waren. Die persönlichen Kontakte zwischen der Mutter und dem - seinerzeit auswärtig einer Ausbildung nachgehenden - Vater waren eher sporadischer Natur; eine längere beständige Paarbeziehung der Eltern gab es zu keiner Zeit. Seit Weihnachten 2012 - in dieser Zeit begann der inzwischen verfestigte Bruch der Mutter mit den Großeltern väterlicherseits und nach endgültiger Trennung vom Vater - führt die Mutter einen eigenen Hausstand allein mit P. Zwischen Vater und Sohn konnten nach Anbahnung in begleiteter Form zwischenzeitlich regelmäßige Wochenendumgänge mit Übernachtung realisiert werden.

Der Vater hat die Begründung gemeinsamen elterlichen Sorgerechts beantragt. Anlass hierfür war ein (erneuter) stationärer Aufenthalt der Mutter wegen psychischer Beeinträchtigungen vom 8. bis 29.1.2014 mit der Folge einer Unterbringung des Kindes in einer Kurzzeitpflege und des Ausfalls des regulären Umgangswochenendes ab 10.1.2014 und insbesondere der Umstand, dass der Vater darüber nicht vorab informiert worden oder gar in die Betreuung des Sohnes eingebunden worden ist.

Die Mutter hat gegen die Übertragung des (Mit-)Sorgerechts auf den Vater Bedenken erhoben. Sie hat ihren Ängsten dahin Ausdruck verliehen, dass der Vater nicht aus persönlichem Interesse am Kind agiere und selbst an der Übernahme väterlicher Verantwortung gar nicht interessiert sei, sondern durch den - sehr dominanten - Großvater väterlicherseits motiviert werde mit dem Ziel, dass P. unter Trennung und Entfremdung von der Mutter letztlich im großelterlichen Haushalt aufwachsen solle. Sie hat ferner mit der Behauptung, der Vater könne es gelegentlich der Begegnungen zur Umgangsübergabe nicht unterlassen, "die Kindesmutter permanent zu kritisieren und lautstark verbal zu beschimpfen", das Fehlen eines Mindestmaßes an Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern geltend gemacht.

Das AG hat - die Bedenken der Mutter aufgreifend und in Übereinstimmung mit den Empfehlungen von Verfahrensbeistand und Jugendamt - mit Beschluss vom 10.7.2014 den Antrag des Kindesvaters zurückgewiesen, weil es an einer ausreichenden Gesprächsbasis der Eltern fehle und beim Vater kaum echte Eigeninitiative zur Übernahme elterlicher Verantwortung erkennbar sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kindesvater mit seiner Beschwerde, mit der er unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens aus erster Instanz weiterhin eine uneingeschränkte Beteiligung am elterlichen Sorgerecht für P. erstrebt.

Die Kindesmutter, der Verfahrensbeistand und das Jugendamt verteidigen die angefochtene Entscheidung mit näherer Darlegung.

Der Senat hat die Beteiligten im Anhörungstermin am 12.3.2015 eingehend angehört und sich einen persönlichen Eindruck von P. verschafft.

II. Die gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und gem. §§ 59 Abs. 1, 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 und 2, 65 Abs. 1 FamFG in zulässiger Weise eingelegte Beschwerde des Kindesvaters ist begründet.

Nach der mit Wirkung vom 19.5.2013 in Kraft getretenen Neuregelung von § 1626a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB ist die gemeinsame elterliche Sorge herzustellen, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht. Der gegenüber der einstweiligen Anordnung des BVerfG vom 21.7.2010 veränderte Wortlaut verleiht in Gestalt der nunmehr maßgeblichen negativen Kindeswohlprüfung einem neuen Leitbild gesetzlicher Sorgegemeinsamkeit Ausdruck (BT-Drucks. 17/11048, 17). Einer positiven Feststellung der Kindeswohldienlichkeit und dafür erforderlicher Tatsachen bedarf es genauso wenig wie einer besonderen Begründung für einen auf die Einrichtung gemeinsamen elterlichen Sorgerechts gerichteten Antrag des nichteheliche...

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