Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungsbestimmungsrecht eines Drittbegünstigten § 328 BGB. Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen § 315 BGB

 

Leitsatz (amtlich)

Auf das Leistungsbestimmungsrecht eines Drittbegünstigten (§ 328 Abs. 1 BGB) finden die Regeln zur Leistungsbestimmung durch eine Partei (§ 315 BGB), und nicht die Vorschriften zur Leistungsbestimmung durch einen Dritten (§§ 317 ff. BGB) Anwendung.

 

Normenkette

BGB § 315

 

Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 11.04.2002; Aktenzeichen 24 U 442/99)

LG München II

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 19. Zivilsenats des OLG München v. 11.4.2002 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Mit notariellem Vertrag v. 29.3.1989 kaufte die Klägerin von der damaligen D. B. die Grundstücke des "Euro-Industrieparks" in M. zum Preis von 390 Mio. DM. Der Kauf umfasste neben verschiedenen bebauten Grundstücken, die mit Erbbaurechten und dinglichen Vorkaufsrechten zugunsten der Erbbauberechtigten belastet waren, sämtliche Flächen eines privaten Erschließungssystems. Außerdem übertrug die D. B. der Klägerin ihre gegenüber der Landeshauptstadt M. übernommene Verpflichtung, das private Erschließungssystem zu erhalten und zu unterhalten. Die Klägerin verpflichtete sich, die erforderlichen infrastrukturellen Maßnahmen "federführend" für alle Käufer auf deren Rechnung durchzuführen. Dafür sollten die Käufer eine angemessene Vergütung zahlen. Als Federführende durfte die Klägerin "alles ... noch Offene" nach billigem Ermessen bestimmen. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben als Federführende erhielt die Klägerin von der D. B. einen einmaligen Zuschuss i. H. v. 29 Mio. DM. Nach Abschnitt B § 4 der Urkunde darf die Klägerin die Käufer erst dann in Anspruch nehmen, wenn der Zuschuss von 29 Mio. DM zzgl. aufgelaufener Zinsen von 4 % p.a. verbraucht ist.

Die Beklagte, die Erbbauberechtigte eines der Grundstücke war, übte in der Folgezeit ihr Vorkaufsrecht aus. Die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten übertrug sie anschließend auf ihren Sohn, der im Dezember 1989 - ohne Zwischenerwerb der Beklagten - als Eigentümer des Grundstücks eingetragen wurde.

Die Klägerin behauptet, der von der D. B. gewährte Zuschuss zzgl. der vertraglichen Zinsgutschriften sei in Erfüllung der Federführungsaufgaben bereits bis zum April 1994 vollständig verbraucht worden. Über diesen Betrag hinaus sei sie weiter mit insgesamt 23.066.579 DM zugunsten der Grundstückseigentümer in Vorlage getreten. Auf dieser Grundlage hat die Klägerin in einer Zwischenabrechnung zum 30.9.1997 die auf die Beklagte entfallenden Kosten der Federführung einschließlich ihrer Vergütung ("Federführungsgebühren") mit zunächst 107.347,01 DM errechnet und diesen Betrag im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemacht. Nach Abweisung der Klage durch das LG hat die Klägerin in zweiter Instanz ihre Forderung auf 85.131,03 DM reduziert. Das OLG hat die Berufung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie ihren zuletzt gestellten Klageantrag weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht meint, die Beklagte sei allein wegen der Ausübung des Vorkaufsrechts gegenüber der Klägerin als Federführender verpflichtet. Die Übertragung der Rechte aus dem Kaufvertrag auf ihren Sohn habe hieran nichts geändert, weil die Beklagte aus dem Vertragsverhältnis mit der Klägerin nicht entlassen worden sei. Allerdings habe die Klägerin hinsichtlich der Federführungsgebühren von dem ihr eingeräumten Leistungsbestimmungsrecht nicht wirksam Gebrauch gemacht. Es fehle an einer ausreichenden Bestimmtheit, weil sie sich eine rückwirkende Erhöhung vorbehalten habe. Außerdem habe sie nicht hinreichend dargetan, dass der von der D. B. gewährte Zuschuss verbraucht sei und in welcher Höhe ihr ein etwaiger Ausgleichsanspruch zustehe. Die Klägerin sei nicht Dritte i. S. d. § 317 BGB, so dass ihre Leistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 BGB nur dann verbindlich sei, wenn sie der Billigkeit entspreche. Für die Federführungsgebühr sei die Bestimmung der Klägerin unwirksam, weil sie für deren Billigkeit nicht ausreichend vorgetragen habe; ihre Ausführungen seien zum Teil unklar und unvollständig. Die Klägerin habe auch zu Unrecht Zinsen für die Federführungsgebühr in ihre Abrechnung eingestellt; Fälligkeit habe insoweit erst mit einer wirksamen Leistungsbestimmung eintreten können. Eine richterliche Ersatzleistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 BGB sei nicht zu treffen. Einen dahingehenden Willen habe die Klägerin nicht zum Ausdruck gebracht; im Übrigen könne eine solche Gestaltung nur einheitlich gegenüber allen Verkäufern erfolgen.

Dies hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

II.

1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass die Beklagte, obwohl sie nicht Eigentümerin des im "Euro-Industriepark" gelegenen Grundstücks wurde, gegenüber der Klägerin zur Zahlung der Kosten der Federführung verpflichtet ist.

a) Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Beklagte ist gem. § 505 Abs. 2 BGB a. F. mit ihr als Käuferin ein Kaufvertrag zustande gekommen. Dieser Vertrag verpflichtet die Beklagte auch, die näher bezeichneten Infrastrukturaufgaben durch die Klägerin als der von der Verkäuferin bestellten Federführenden erledigen zu lassen (BGH, Urt. v. 14.7.1995 - V ZR 31/94, MDR 1995, 1209 = NJW 1995, 3183 [3184]). Diese Verpflichtung umfasst nach A § 15 des Kaufvertrages auch die Übernahme der Kosten der Federführung einschließlich einer "angemessenen Vergütung" der Klägerin. Da hiernach allein die Ausübung des Vorkaufsrechts die Verpflichtung der Beklagten begründete, bleibt - auch für § 242 BGB - der Umstand ohne Bedeutung, dass sie zu keiner Zeit Eigentümerin des von der Federführung betroffenen Grundstücks war.

b) Von dieser Verpflichtung ist die Beklagte nicht infolge des Eigentumserwerbs ihres Sohnes frei geworden. Dies wäre nur auf dem Wege einer befreienden Schuldübernahme möglich gewesen, was im vorliegenden Fall an der fehlenden Genehmigung des Gläubigers scheitert (vgl. § 415 BGB). Zwar mag jedenfalls unter den gegebenen Umständen - nach dem Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen und der Interessenlage - eine Mitwirkung der Verkäuferin als Versprechensempfängerin nicht erforderlich sein, unverzichtbar ist aber eine Genehmigung der Klägerin als derjenigen, die als Dritte den Leistungsanspruch gegen die Beklagte nach § 328 Abs. 1 BGB erworben hat (vgl. für den Erlassvertrag, Gottwald in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., Bd. 2a, § 328 Rz. 29, § 335 Rz. 15 jew. m. w. N.; Staudinger/Jagmann, BGB [2001], § 328 Rz. 43, § 335 Rz. 20). Eine solche Genehmigung der Schuldübernahme durch den Sohn der Beklagten hat die Klägerin nicht erteilt. Auf eine ausdrückliche Zustimmung verweist die Beklagte nicht; sie ergibt sich auch nicht aus den Umständen. Dass die Klägerin mit dem Sohn der Beklagten als dem Grundstückseigentümer Vereinbarungen aus Anlass der Übergabe der Erschließungseinrichtungen an die Landeshauptstadt M. geschlossen hat, womit wechselseitig eigene Rechte und Pflichten begründet wurden, und ihn deshalb in einem anderen Rechtsstreit in Anspruch nimmt, lässt noch nicht den Schluss darauf zu, dass sie für den streitgegenständlichen, aus einem anderen Rechtsgrund folgenden Anspruch die Beklagte aus ihrer Verpflichtung entlassen wollte. In dieser Hinsicht unterscheidet sich der vorliegenden Fall von dem Sachverhalt, der den - in der Revisionserwiderung zitierten - Entscheidungen des OLG München (OLG München, Urt. v. 5.3.2001 - 17 U 4446/00) und des Senats (BGH, Beschl. v. 21.3.2002 - V ZR 142/01) zugrunde lag. Dort hatte die Klägerin ihre Genehmigung zur Schuldübernahme durch die Landeshauptstadt M. konkludent erteilt.

2. Zutreffend nimmt das Berufungsgericht ferner an, dass ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Erstattung der Kosten der Federführung einschließlich einer "angemessenen Vergütung" nur dann besteht, wenn der von der Verkäuferin geleistete Zuschuss nebst den aufgelaufenen Zinsen und Verkaufserlösen für Infrastrukturmaßnahmen aufgebraucht ist (so bereits BGH, Urt. v. 14.7.1995 - V ZR 31/94, MDR 1995, 1209 = NJW 1995, 3185 [3184]). In diesem Zusammenhang ist insbesondere die von der Klägerin hinsichtlich ihrer Vergütung ("Federführungsgebühren") getroffene Leistungsbestimmung von Bedeutung.

3. Fehl geht hingegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Leistungsbestimmung der Klägerin sei mangels ausreichender Bestimmtheit unwirksam (vgl. BGH, Urt. v. 21.3.1961 - I ZR 133/59, NJW 1961, 1251 zur Bestimmung eines Mindestbetrages). Zwar hat die Klägerin in ihrer Abrechnung zum 30.9.1997, mit der sie ihr Leistungsbestimmungsrecht ausübte, ausdrücklich den Vorbehalt einer Nachforderung erklärt. Das nimmt ihrer Erklärung aber nicht die Wirksamkeit.

a) Durch den Vorbehalt wird die Bestimmtheit des derzeit geforderten Betrages, der allein Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist, nicht infrage gestellt; die Beklagte ist nicht im Ungewissen darüber, was sie in jedem Fall schulden soll. Hinsichtlich des hier geltend gemachten Betrages hat die Klägerin von ihrem Gestaltungsrecht ohne den Widerrufsvorbehalt und - falls dieses Erfordernis zu beachten sein sollte (bejahend Staudinger/Rieble, BGB, 2001, § 315 Rz. 68; a. A. Gottwald in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., Bd. 2a, § 315 Rz. 36) - auch ohne Bedingung Gebrauch gemacht. Fraglich kann nur sein, ob die Klägerin künftig, wenn sie ihren Vorbehalt umsetzen will, eine Nachforderung zu begründen vermag. Dies beantwortet sich danach, ob ihr Gestaltungsrecht als einmaliges Recht mit seiner Ausübung erloschen ist, oder ob es mit einem Inhalt vereinbart wurde, der eine mehrmalige Ausübung ermöglicht (vgl. Gottwald in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., Bd. 2a, § 315 Rz. 34; auch Staudinger/Rieble, BGB, 2001, § 315 Rz. 210). Für den vorliegenden Rechtsstreit ist diese Frage unerheblich; über sie ist erst dann zu entscheiden, wenn die Klägerin tatsächlich eine Nachzahlung fordert.

b) Es liegt auch keine nur teilweise Leistungsbestimmung vor, so dass es keiner Entscheidung darüber bedarf, ob dieser Umstand eine Unwirksamkeit der Leistungsbestimmung begründen kann (bejahend Staudinger/Rieble, BGB, 2001, § 315 Rz. 217). Eine Teilleistungsbestimmung ist nur dann gegeben, wenn die Bestimmung nicht alle Unbestimmtheitslücken erfasst, die nach dem Regelungsprogramm des Vertrages geschlossen werden sollen (Staudinger/Rieble, BGB, 2001, § 315 Rz. 217). Demgegenüber betrifft die Leistungsbestimmung der Klägerin ihrem Gegenstand nach all das, was nach der einschlägigen Regelung unter A § 15 des Kaufvertrages v. 29.3.1989 geregelt werden sollte. Danach konnte die Klägerin über die Federführungskosten einschließlich ihrer Vergütung bestimmen und diesen Rahmen schöpfte sie auch aus. Ihr Vorbehalt bezieht sich lediglich auf das Ergebnis der umfassenden Leistungsbestimmung.

4. Auch mit der weiteren von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung, die Klägerin habe zur Billigkeit ihrer Leistungsbestimmung nicht hinreichend vorgetragen, kann das angefochtene Urteil nicht bestehen bleiben. Zwar kann der Senat die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB im konkreten Fall nur daraufhin überprüfen, ob der rechtliche Ansatz zutreffend gewählt ist, alle wesentlichen Umstände Beachtung gefunden haben, die Grenzen der Ermessensausübung eingehalten sind und von der Ermächtigung in einer ihrem Zweck entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. BGH v. 10.10.1991 - III ZR 100/90, BGHZ 115, 311 [321] = MDR 1992, 84; auch Urt. v. 24.11.1995 - V ZR 174/94, MDR 1996, 355 = NJW 1996, 1054 [1055]). Das Berufungsurteil hält jedoch auch diesen Prüfungsmaßstäben nicht stand.

a) Allerdings ist der rechtliche Ansatz des Berufungsgerichts zutreffend. Das Leistungsbestimmungsrecht der Klägerin ist nach Maßgabe des § 315 BGB und nicht, wie die Revision meint, nach den Regeln der Drittleistungsbestimmung (§§ 317 ff. BGB) auszuüben.

aa) Obwohl ihnen die Auslegungsregel zugunsten des billigen Ermessens gemeinsam ist, unterscheiden sich beide Regelungsbereiche erheblich. Zum einen ist der Prüfungsmaßstab verschieden, weil für eine Leistungsbestimmung nach § 315 BGB jede fehlende Billigkeit schadet, während eine Drittleistungsbestimmung nur im Fall offenbarer Unbilligkeit nach § 319 Abs. 1 S. 1 BGB unverbindlich ist. Zum anderen trifft die berechtigte Partei (hier also die Klägerin) bei § 315 BGB die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit der von ihr getroffenen Bestimmung (BGHZ 41, 271 [279]), während bei der einem Dritten überlassenen Leistungsbestimmung die Partei, die sich auf die offenbare Unrichtigkeit beruft (hier also die Beklagte), die hierfür maßgebenden Umstände darlegen und beweisen muss (vgl. BGH, Urt. v. 21.9.1983 - VIII ZR 233/82, MDR 1984, 224 = NJW 1984, 43 [45]).

bb) Hier ist die Klägerin, der unter A § 15 des Vertrages v. 29.3.1989 ohne weitere Maßgabe das Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt wurde, nicht als Dritte mit der Folge der Anwendung der §§ 317 ff. BGB anzusehen. Es gelten vielmehr die Regelungen aus § 315 BGB für eine Leistungsbestimmung durch eine Vertragspartei.

(1) Der Wortlaut des § 315 BGB spricht allerdings gegen seine Anwendbarkeit im vorliegenden Fall. Er geht von dem Leistungsbestimmungsrecht eines der Vertragschließenden aus, während die Klägerin nicht Partei des Vertrages wurde, der ihr das Leistungsbestimmungsrecht verschaffte. Dieser Vertrag ist vielmehr durch die Ausübung des Vorkaufsrechts zwischen der Verkäuferin und der Beklagten zustande gekommen. Die Klägerin ist jedoch Drittbegünstigte (§ 328 Abs. 1 BGB) dieses Vertrages (BGH, Urt. v. 14.7.1995 - V ZR 31/94, MDR 1995, 1209 = NJW 1995, 3184). Auf Grund dieser Rechtsstellung sind für sie nach der Systematik und insbesondere nach dem Zweck des Gesetzes die Regeln zur Leistungsbestimmung durch eine Partei (§ 315 BGB) und nicht die Vorschriften zur Leistungsbestimmung durch einen Dritten (§§ 317 ff. BGB) anzuwenden (a. A. Staudinger/Rieble, BGB, 2001, § 316 Rz. 1).

(2) Aus § 316 BGB, der als Auslegungsregel § 315 BGB ergänzt (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 316 Rz. 1), lässt sich schließen, dass derjenige, der eine Leistung "zu fordern hat", nicht Dritter i. S. d. § 317 BGB sein kann. Im Fall eines berechtigenden oder "echten" Vertrages zugunsten Dritter ist der Drittbegünstigte, obgleich nicht Vertragspartei, derjenige, dem das hier entscheidende, aus dem Vertragsverhältnis abgespaltene Forderungsrecht gegenüber dem Versprechenden zusteht (vgl. BGHZ 54, 145 [147]; BGH, Beschl. v. 10.2.1993 - XII ZB 80/88, MDR 1993, 651 = NJW-RR 1993, 770 [771]). Zwar sieht § 335 BGB vor, dass auch dem Versprechensempfänger (Gläubiger) ein Forderungsrecht (auf Leistung an den Dritten) zusteht, diese Regelung ist aber nicht zwingend (vgl. Gottwald in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., Bd. 2a, § 335 Rz. 5 m. w. N.). Wird Abweichendes vereinbart, so würde § 316 BGB bei (echten) Verträgen zugunsten Dritter ins Leere gehen, wenn nicht der Drittbegünstigte für die Leistungsbestimmung als Gläubiger behandelt wird.

(3) Vor allem aber spricht der Zweck des für die Drittleistungsbestimmung durch § 319 Abs. 1 S. 1 BGB im Vergleich zu § 315 Abs. 3 BGB gelockerten Prüfungsmaßstabes dagegen, den Drittbegünstigten als Dritten i. S. d. § 317 BGB anzusehen. Der abgeschwächten Kontrolle auf offenbare Unbilligkeit der Leistungsbestimmung durch einen Dritten liegt ein Richtigkeitsvertrauen zugrunde, das nur gegenüber einem neutralen Dritten gerechtfertigt ist (vgl. Staudinger/Rieble, BGB, 2001, § 317 Rz. 2; auch BGH, Urt. v. 18.2.1955 - V ZR 110/53, NJW 1955, 665 für die Gefahr einer Interessenkollision bei Behörde als Schiedsgutachter). Bei ihm können Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Objektivität vorausgesetzt werden, so dass durch ihn eher als bei der Entscheidung einer Partei eine ausgewogene Leistungsbestimmung zu erwarten ist (vgl. Gottwald in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., Bd. 2a, § 319 Rz. 2). Für diese Erwartung fehlt aber jedenfalls dann die Grundlage, wenn der Dritte über eine Leistung zu bestimmen hat, die ihm selbst durch einen Vertrag zugunsten Dritter zugewandt worden ist und von ihm nach § 328 Abs. 1 BGB gegenüber dem Schuldner geltend gemacht werden kann. Er entscheidet hier über eine Leistung, die von ihm einzufordern ist, ihm selbst zufließt und bei ihm verbleibt. In wirtschaftlicher Hinsicht ist seine Position die eines Gläubigers und sein hierdurch geprägtes Interesse rechtfertigt ebenso wenig wie bei einer Vertragspartei ein erhöhtes Vertrauen in die Ausgewogenheit der von ihm getroffenen Leistungsbestimmung.

b) Das Berufungsgericht hat jedoch bei Überprüfung der Billigkeit der Leistungsbestimmung durch die Klägerin die wesentlichen Umstände nicht hinreichend beachtet. Zu Recht beanstandet die Revision, dass im Berufungsurteil nur die Darlegungen der Klägerin Berücksichtigung gefunden haben, die sie zusätzlich als Kontrollüberlegungen zur Angemessenheit ihrer Leistungsbestimmung angestellt hat. Diese erachtet das Berufungsgericht als unklar und unvollständig, während es das Hauptvorbringen der Klägerin nur im Überblick darstellt, eine Würdigung im Hinblick auf die geltend gemachte Forderung jedoch unterlässt.

aa) Die Klägerin hat die Bestimmung des Entgelts für ihre Federführungstätigkeit ("Federführungsgebühr") auf vier Gesichtspunkte gestützt, die sämtlich als Kriterien billigen Ermessens in Betracht zu ziehen sind. Das gilt, weil es um die Bemessung eines Entgelts für die Dienste der Klägerin geht, namentlich für die Bedeutung ihrer Tätigkeit (vgl. BGH, Urt. v. 21.3.1961 - I ZR 133/59, NJW 1961, 1252). Insoweit hat die Klägerin zu dem angeblich drohenden Wertverfall von Grundstücken im Umfang von mindestens 1 Mrd. DM wegen der faktischen Bausperre infolge unzulänglicher Erschließung vorgetragen. Weiter sind Schwierigkeit, Ungewöhnlichkeit, Umfang und Dauer der Tätigkeit der Klägerin zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urt. v. 21.3.1961 - I ZR 133/59, NJW 1961, 1252). Hierfür hat die Klägerin zunächst auf die Größe der betroffenen Grundstücke sowie die Vielzahl der Eigentümer und Mieter hingewiesen, was - auch wenn die Klägerin nicht schlechthin mit der Verwaltung des Euro-Industrieparks beauftragt war - Rückschlüsse auf die Anforderungen bei Erledigung der übernommenen Infrastrukturaufgaben zulässt. Insbesondere aber hat sie zur Notwendigkeit vorgetragen, die Infrastruktureinrichtungen des Euro-Industrieparks auf die Landeshauptstadt M. zu überführen. Auf diese Übernahme hinzuwirken, gehörte nach A § 15 Nr. 2 des Vertrages v. 29.3.1989 zu den Aufgaben der Klägerin im Rahmen der Federführung. Ein erheblicher Gesichtspunkt ist ferner der geltend gemachte Erfolg der Tätigkeit der Klägerin und die damit für die Beklagte bzw. deren Rechtsnachfolger verbundenen Vorteile (vgl. Gottwald in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., Bd. 2a, § 315 Rz. 30) in Gestalt der behaupteten Kostenersparnis gegenüber den üblichen Erschließungskosten und der angeblich erweiterten baulichen Nutzbarkeit. Die zudem noch geltend gemachten Risiken, die die Klägerin mit ihrer Federführungstätigkeit verbunden sehen will, können ebenfalls für die Billigkeit des Ermessens Bedeutung erlangen (vgl. Gottwald in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., Bd. 2a, § 315 Rz. 30).

bb) Ob diese Kriterien, nachdem die unter Berücksichtigung des Beklagtenvorbringens erforderlichen Feststellungen getroffen sind, in tatsächlicher Hinsicht einer Nachprüfung standhalten, kann der Senat im vorliegenden Revisionsverfahren nicht entscheiden. Auch die Auswirkungen der genannten Umstände auf die Kontrolle der von der Klägerin getroffenen Leistungsbestimmung muss zunächst umfassender tatrichterlicher Würdigung vorbehalten bleiben (vgl. BGH, Urt. v. 7.4.1978 - V ZR 141/75, BGHZ 71, 276 [283] = MDR 1978, 913). Dies ändert jedoch nichts daran, dass es sich um wesentliche Umstände handelt, die das Tatsachengericht bei der ihm obliegenden Kontrolle der Leistungsbestimmung anhand der Grundsätze billigen Ermessens nicht unbeachtet lassen darf.

cc) Dem kann sich das Berufungsgericht nicht dadurch entziehen, dass es sich sogleich der Prüfung der Plausibilität der Kontrollüberlegungen der Klägerin zuwendet. Hierbei bedarf es zum gegenwärtigen Stand des Verfahrens keiner Entscheidung darüber, ob die Überlegungen der Klägerin für den angestellten Vergleich taugen und ihr hierzu gehaltener Vortrag nachvollziehbar ist. Die Kontrollüberlegungen können nämlich ihrer Funktion nach erst dann Bedeutung erlangen, wenn das Tatsachengericht nicht bereits nach dem Hauptvorbringen der Klägerin und einer ggf. erforderlichen Beweisaufnahme bei seiner Überprüfung der Leistungsbestimmung auf Grund der Billigkeitsgrundsätze hinsichtlich des gesamten eingeklagten Betrages zu einer abschließenden positiven Einschätzung gelangen kann. Es handelt sich mithin um eine besondere Form hilfsweisen Vorbringens. Beschränkt sich die gerichtliche Prüfung auf diesen Teil der Behauptungen einer Partei, so bleibt das Hauptvorbringen außer Betracht und der Prozess-Stoff wird nur unvollständig zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen.

Die Klägerin hat keinen Zweifel daran gelassen, dass das - von dem Berufungsgericht gewürdigte - Vorbringen nur im geschilderten Sinne zur Plausibilitätskontrolle Berücksichtigung finden sollte. Ein entsprechender Hinweis findet sich bei ihren Darlegungen zur Anlehnung der geforderten Vergütung an die Konstituierungs- und Verwaltungsgebühr eines Testamentsvollstreckers sowie ausdrücklich auch bei der Schätzung der anteiligen Personal- und Sachkosten der Behne-Gruppe. Auch die weiteren in der Abrechnung nicht erfassten "Aufwendungen für die Federführung" und den Gewinnzuschlag auf den - von dem Berufungsgericht für nicht überprüfbar erachteten - Leistungsumsatz hat die Klägerin zu keinem anderen Zweck vorgetragen. In der Anlage, die das Berufungsurteil zitiert, wird hierzu nämlich klargestellt, dass all diese Kosten von den Federführungsgebühren gedeckt sein müssten.

5. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen das Berufungsurteil auch insoweit, als es der Klägerin verwehrt, im Rahmen ihrer Abrechnung einen Teil der Federführungsgebühren rückwirkend geltend zu machen und hierfür Fälligkeitszinsen (§ 353 HGB) von dem Zuschuss der Verkäuferin in Abzug zu bringen. Zwar ist es zutreffend, dass eine Leistungsbestimmung nur ex nunc wirkt (vgl. BGH, Urt. v. 24.11.1995 - V ZR 174/94, MDR 1996, 355 = NJW 1996, 1054 [1055] für eine gerichtliche Leistungsbestimmung ohne weitere Vereinbarung), so dass auch erst ab Zugang der entsprechenden Erklärung Fälligkeitszinsen geschuldet sind (Staudinger/Rieble, BGB, 2001, § 315 Rz. 219). Das Berufungsgericht hat jedoch nicht beachtet, dass die Parteien nicht gehindert sind, eine Rückwirkung zu vereinbaren (Staudinger/Rieble, BGB, 2001, § 315 Rz. 220; Soergel/Wolf, BGB, 2001, § 315 Rz. 44). Eine solche Abrede muss nicht ausdrücklich getroffen sein, sondern kann sich nach den allgemeinen Grundsätzen auch aus den Umständen ergeben (vgl. BGH, Urt. v. 1.3.1996 - V ZR 327/94, MDR 1996, 571 = NJW 1996, 1748). Da mangels Feststellungen des Berufungsgerichts für das Revisionsverfahren davon auszugehen ist, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für Fälligkeitszinsen nach § 353 HGB erfüllt sind, hat das Berufungsgericht die hiernach erforderliche Auslegung unterlassen.

6. Zu Recht beanstandet die Revision ferner, dass die Begründung des Berufungsgerichts eine Abweisung der Klageforderung in voller Höhe nicht trägt. Die von dem Berufungsgericht beanstandete Leistungsbestimmung der Klägerin hinsichtlich der Federführungsgebühren (i. H. v. insgesamt 70.677,06 DM) sowie die ebenfalls beanstandete Verrechnung der Fälligkeitszinsen (i. H. v. "in etwa" 2 x 5.255,37 DM = 10.510,74 DM) bleiben hinter den noch eingeklagten 85.131,03 DM zurück. Das Berufungsgericht geht selbst nur davon aus, dass wegen der - nach seiner Ansicht unberechtigten - Zinsen "möglicherweise" mehr als 10.510,74 DM von der Klageforderung in Abzug zu bringen seien, versäumt aber die erforderliche Feststellung, in welchem Umfang der verbleibende Rest der Klageforderung hiernach nicht begründet sein soll. Das Berufungsgericht hätte sich danach auch mit dem weiteren Vorbringen der Klägerin zur Begründung der Klageforderung, insbesondere mit der von ihr geforderten "Schwarzkäuferumlage" von zuletzt 29.853,05 DM auseinander setzen müssen.

III.

1. Das angefochtene Urteil kann nach alledem keinen Bestand haben (§ 564 Abs. 1 ZPO a. F.). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 ZPO a. F.). Da Feststellungen des Berufungsgerichts nicht nur zum Hauptvorbringen der Klägerin hinsichtlich der Federführungsgebühren fehlen, sondern auch zu deren Vortrag für die bei der Abrechnung berücksichtigten weiteren Positionen, ist der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif. Der Senat ist daher gehindert, in der Sache selbst zu entscheiden (§ 565 Abs. 3 ZPO a. F.).

2. Durch die Zurückverweisung erhält das Berufungsgericht - für den Fall, dass sich die erforderlichen Feststellungen zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 353 HGB treffen lassen - auch Gelegenheit, die Auslegung nachzuholen, die es im Hinblick auf eine etwa vereinbarte Rückwirkung der Leistungsbestimmung versäumt hat.

3. Falls das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Leistungsbestimmung der Klägerin nicht der Billigkeit entspricht, so wird es sich einer gerichtlichen Leistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB nicht entziehen können. Ob im Fall einer Leistungsklage auf Grund vorausgegangener Leistungsbestimmung durch den Berechtigten für eine solche richterliche Gestaltung eine eindeutige Willensentschließung der Partei erforderlich ist (so Staudinger/Rieble, BGB, 2001, § 315 Rz. 236; a. A. wohl Gottwald in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., Bd. 2a, § 315 Rz. 49), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Die Klägerin hat jedenfalls inzwischen ihrem Willen, hilfsweise ein Gestaltungsurteil anzustreben, eindeutig Ausdruck verliehen. Dem kann das Berufungsgericht nach der Zurückverweisung ebenfalls Rechnung tragen. Seine - nicht näher ausgeführten, wohl auf § 62 ZPO gestützten - Bedenken wegen einer vermeintlich notwendigen einheitlichen Leistungsbestimmung gegenüber allen Vorkäufern entbehren einer Grundlage. Da eine aus prozessualen Gründen notwendige ("uneigentliche") Streitgenossenschaft (§ 62 Abs. 1 Alt. 1 ZPO) nicht zur Unzulässigkeit der Einzelklage führt (BGHZ 30, 195 [198]; BGH, BGHZ 36, 187), könnte allenfalls eine aus materiell-rechtlichen Gründen notwendige ("eigentliche") Streitgenossenschaft (§ 62 Abs. 1 Alt. 2 ZPO) ein Gestaltungsurteil allein gegenüber der Beklagten ausschließen. Dies setzt voraus, dass der gestaltende Anspruch nach dem materiellen Recht nur von mehreren oder gegen mehrere Personen geltend gemacht werden kann (vgl. Schilken in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 62 Rz. 27). Hier haben sich die Vorkäufer jedoch in getrennten Verträgen der Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen unterworfen und sich jeweils gesondert zur Zahlung nur des Betrages verpflichtet, der für sie in dieser Weise ermittelt worden ist. Die für die Billigkeit der Leistungsbestimmung im konkreten Fall zu beachtenden Grundsätze mögen für alle Vorkäufer von Bedeutung sein, hierbei handelt es sich aber nur um eine einheitliche Vorfrage, deren Beantwortung noch keine Streitgenossenschaft zu begründen vermag (vgl. BGH, Urt. v. 24.6.1992 - VIII ZR 203/91, MDR 1992, 936 = NJW 1992, 2413 [2414], insoweit BGHZ 119, 35 nicht abgedr., für die Gesamtschuldnerklage).

 

Fundstellen

DB 2003, 2701

BGHR 2003, 1118

NJW-RR 2003, 1355

JurBüro 2004, 51

WM 2004, 186

ZAP 2003, 943

DNotZ 2004, 126

MDR 2003, 1102

ZGS 2003, 325

LMK 2003, 206

Mitt. 2003, 531

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