Leitsatz (amtlich)

Ein außerordentliches Rechtsmittel zum BGH ist nach der Neuregelung des Beschwerderechts durch das Zivilprozessreformgesetz auch dann nicht statthaft, wenn es sich gegen eine greifbar gesetzeswidrige Entscheidung im Prozesskostenhilfeverfahren richtet, gegen die die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen ist (Ergänzung zu BGH v. 7.3.2002 - IX ZB 11/02, BGHZ 150, 133 = MDR 2002, 901 = BGHReport 2002, 431).

 

Normenkette

ZPO § 574

 

Verfahrensgang

AG Münster

LG Hamm

 

Tenor

Das als außerordentliche Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel des Klägers gegen den Beschluss des 13. Senats für Familiensachen des OLG Hamm v. 1.4.2003 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Das AG hat den Beklagten zur Zahlung von Kindesunterhalt verurteilt. Gegen dieses ihm am 15.12.2002 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 30.12.2002 "für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe" Berufung eingelegt und nach Verweigerung der beantragten Prozesskostenhilfe durch Beschl. v. 24.1.2003 mit Schriftsatz v. 3.2.2003 erklärt, dass er Berufung nicht einlege.

Zuvor hatte der Kläger mit Schriftsatz v. 27.1.2003 beantragt, die Berufung zurückzuweisen und ihm für die Abwehr der Berufung Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Diesem Prozesskostenhilfegesuch gab das Berufungsgericht mit Beschl. v. 28.1.2003 statt.

Auf Intervention des Bezirksrevisors hob das Berufungsgericht diesen Beschluss mit erneutem Beschl. v. 1.4.2003 wieder auf und verwies zur Begründung auf die Ausführungen des Bezirksrevisors, denen zufolge die Prozesskostenbewilligung der Aufhebung von Amts wegen unterliege, weil sie ins Leere gehe; die unter einer Bedingung eingelegte Berufung sei nämlich unzulässig, so dass zwischen den Parteien im Zeitpunkt der Bewilligung von Prozesskostenhilfe kein Verfahren vor dem Berufungsgericht anhängig gewesen sei, für das die Bewilligung von Prozesskostenhilfe in Betracht komme.

Der Anregung des Klägers, den Beschl. v. 1.4.2003 dahingehend zu ergänzen, dass die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen wird, gab das Berufungsgericht mit Beschl. v. 29.4.2003 nicht statt. Zu der vom Kläger mit gleichem Schriftsatz erhobenen Gegenvorstellung verhält sich dieser Beschluss nicht.

Daraufhin hat der Kläger gegen den Aufhebungsbeschluss v. 1.4.2003 das vorliegende, als außerordentliche Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel eingelegt, mit dem er die Wiederherstellung der aufgehobenen Prozesskostenhilfebewilligung begehrt.

II.

Das Rechtsmittel ist unstatthaft.

Als Rechtsbeschwerde ist es nicht zulässig, weil das Berufungsgericht sie nicht zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 ZPO). Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht eröffnet.

Auch als sog. außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit ist es nicht zulässig.

Es kann dahinstehen, ob die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung hier ebenso gesetzwidrig ist wie in dem Fall, der dem Beschluss BGHZ 139, 372 [374 ff.] - Anmerkung der Redaktion: Offensichtliches Fehlzitat - zugrunde lag. Denn nach der Neuregelung des Beschwerderechts ist ein sog. außerordentliches Rechtsmittel zum BGH nicht mehr statthaft (vgl. BGH, Beschl. v. 7.3.2002 - IX ZB 11/02, BGHZ 150, 133 = MDR 2002, 901 = BGHReport 2002, 431 = ZIP 2002, 959 f. m. zust. Anm. Prütting, EWiR 2002, 835 f.).

Hiervon ist entgegen der Auffassung von Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 127 Rz. 41 auch für greifbar gesetzwidrige Entscheidungen im Prozesskostenhilfeverfahren, gegen die weder die Rechtsbeschwerde zugelassen noch die Nichtzulassungsbeschwerde eröffnet ist, keine Ausnahme zu machen.

Das BVerfG hat sich mit dem Beschl. v. 7.3.2002 befasst (BVerfG v. 30.4.2003 - 1 PBvU 1/02, MDR 2003, 886 = ZIP 2003, 1102 [1103]) und dabei Bedenken gegen diese Rechtsprechung nicht erkennen lassen, sondern lediglich ausgeführt, dass die von der Rechtsprechung bisher für zulässig erachteten außerordentlichen Rechtsbehelfe den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit nicht genügen (BVerfG v. 30.4.2003 - 1 PBvU 1/02, MDR 2003, 886 = ZIP 2003, 1102 [1109] unter C IV 2 b). Zugleich hat es ausgeführt, dass es dem Rechtsstaatsprinzip i. V. m. Art. 103 Abs. 1 GG genügt, wenn eine Verfahrensordnung zwar kein Rechtsmittel gegen eine richterliche Entscheidung zulässt, aber eine anderweitige eigenständige gerichtliche Abhilfemöglichkeit vorsieht, die die Möglichkeit eröffnet, einen Verfahrensverstoß einer einmaligen gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen (BVerfG v. 30.4.2003 - 1 PBvU 1/02, MDR 2003, 886 = ZIP 2003, 1102 [1107] unter C II 4 und 5). Dazu gehöre auch die Möglichkeit einer Selbstkontrolle der Fachgerichtsbarkeit im Wege einer Gegenvorstellung. Die Einräumung einer Rechtsschutzmöglichkeit bei einem anderen oder gar höheren Gericht sei dann nicht zwingend geboten (BVerfG v. 30.4.2003 - 1 PBvU 1/02, MDR 2003, 886 = ZIP 2003, 1102 [1107] unter C III 1 a).

Der Kläger ist daher auf die von ihm bereits erhobene Gegenvorstellung zu verweisen, über die das Berufungsgericht noch nicht entschieden hat.

 

Fundstellen

BGHR 2003, 1367

FamRZ 2003, 1550

FuR 2004, 139

WM 2004, 599

InVo 2004, 22

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