Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwerdebefugnis im nachträglichen Vaterschaftsfeststellungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Im nachträglichen Vaterschaftsfeststellungsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind nach § 55b Abs. 3 FGG andere als das Kind und die in § 55b Abs. 1 S. 1 genannten Personen nicht beschwerdebefugt.

Dies gilt auch dann, wenn weitere Personen am Verfahren vor dem FamG beteiligt wurden, weil sie durch die Entscheidung in ihren rechtlich geschützten Interessen (hier: Erbrecht) betroffen werden können.

 

Normenkette

FGG § 55b Abs. 1 S. 1, Abs. 3

 

Verfahrensgang

OLG Celle (Beschluss vom 26.09.2002; Aktenzeichen 15 UF 144/02)

AG Hannover

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 15. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des OLG Celle v. 26.9.2002 wird auf Kosten der Beteiligten zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 3.000 EUR

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt die Feststellung, dass der 2001 verstorbene Joseph G. ihr Vater ist. Sie hatte unmittelbar nach dessen Tod veranlasst, dass ihm das Institut für Pathologie der Medizinischen Hochschule Hannover einen Mundhöhlenabstrich entnahm und das Institut für Rechtsmedizin dieser Hochschule ein DNA-Gutachten erstellte, das zu einer Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft von 99,998 % gelangte.

Joseph G. hatte mit notariellem Testament v. 20.2.1973 seine - vorverstorbene - Ehefrau zur Alleinerbin eingesetzt. Die Beteiligten zu 1) und 2) sind - als Kinder eines vorverstorbenen Bruders des Joseph G. - dessen Einzige noch lebenden Verwandten.

Das AG hat die Beteiligte zu 1) - zugleich als Bevollmächtigte des Beteiligten zu 2) - angehört und die begehrte Feststellung getroffen. Die dagegen gerichtete Beschwerde der beiden Beteiligten verwarf das OLG als unzulässig. Dagegen richtet sich deren Rechtsbeschwerde, mit der sie nach wie vor die Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses begehren.

II.

1) Die nach §§ 621 Abs. 1 Nr. 10, 640 Abs. 2 Nr. 1, 621e Abs. 3 S. 2, 522 Abs. 1 S. 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zulässig, weil die Rechtssache Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft.

2) Die Rechtsbeschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das OLG hat die Erstbeschwerde zu Recht als unstatthaft angesehen und verworfen. Denn seine Auffassung, die Beteiligten zu 1) und 2) gehörten als Nichte bzw. Neffe des als Vater festgestellten Verstorbenen nicht zum Kreis der in § 55b Abs. 1 FGG genannten Personen und seien deshalb nach § 55b Abs. 3 FGG nicht beschwerdeberechtigt, hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.

a) Im postmortalen Vaterschaftsfeststellungsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Keidel/Engelhardt, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl., § 55b Rz. 1) schreibt § 55b Abs. 1 FGG neben der Anhörung der Mutter des Kindes (die hier unterblieben ist) auch die Anhörung der nächsten Angehörigen des verstorbenen Mannes vor, nämlich seiner Ehefrau, seines Lebenspartners, seiner Eltern und seiner Kinder.

Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Aufzählung hinsichtlich der Personen, die im Verfahren zu hören sind, abschließend ist (OLG Düsseldorf v. 17.5.1989 - 3 Wx 185/89, FamRZ 1990, 316 [317]; OLG Hamm v. 29.9.1982 - 15 W 274/82, MDR 1983, 141 = FamRZ 1982, 1239 [1240]), weil die Anhörung der genannten Personen vor allem der Sachaufklärung dient, wie sich aus § 55b Abs. 1 S. 2 FGG ergibt, oder ob daneben alle weiteren Personen zu hören und zu beteiligen sind, die im konkreten Fall durch die zu treffende Entscheidung in ihren rechtlich geschützten Interessen betroffen werden, also auch Dritte, deren Erbrecht durch die Feststellung der Vaterschaft beeinträchtigt würde (Keidel/Engelhardt, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl., § 55b Rz. 8 f.). Denn nicht jedem, dem rechtliches Gehör zu gewähren und der deshalb zu beteiligen ist, steht auch das Recht zu, gegen eine ihn beeinträchtigende Entscheidung ein Rechtsmittel einzulegen (Keidel/Engelhardt, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl., § 55b Rz. 12, m.w.N.; Odersky, Nichtehelichengesetz, 4. Aufl., § 55b FGG Anm. IV 2d).

Nur so kann nämlich dem vom Gesetzgeber auch sonst verfolgten Anliegen Rechnung getragen werden, dass die Rechtskraft der Entscheidung in den der befristeten Beschwerde unterliegenden Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht wegen eines schwer bestimmbaren Kreises von Beschwerdeberechtigten in der Schwebe bleiben soll (BGH, Beschl. v. 13.4.2005 - XII ZB 54/03, z.V.b.; Beschl. v. 23.9.1987 - IVb ZB 66/85, MDR 1988, 130 = FamRZ 1988, 54 [55]). Für Statusverfahren gilt dies in besonderem Maße. Es erscheint im Ergebnis untragbar, beispielsweise einem testamentarischen Alleinerben des Mannes - etwa einer juristischen Person - die Möglichkeit einzuräumen, die Rechtskraft einer Vaterschaftsfeststellung durch Rechtsmittel hinauszuzögern, nur weil er sich als Reflexwirkung dieser Entscheidung Pflichtteilsansprüchen des Kindes ausgesetzt sähe.

Insoweit braucht auch nicht geklärt zu werden, ob der Gesetzgeber ursprünglich die Absicht hatte, § 55b Abs. 3 FGG - im Gegensatz zum bis 30.6.1998 geltenden § 56b Abs. 2 FGG a.F. - hinsichtlich der Befugnis, Beschwerde einzulegen, als lex specialis ggü. dem allgemeinen Beschwerderecht aus § 20 FGG auszugestalten (KG, Beschl. v. 13.1.1987 - 1 W 2532/85, FamRZ 1987, 862 [863]; v. 7.7.1994 - 1 W 2351/93, KGReport Berlin 1994, 165 = FamRZ 1995, 428 [429]; OLG Hamm v. 3.4.1990 - 15 W 44/90, MDR 1990, 834 = FamRZ 1990, 1014 [1015]; OLG Düsseldorf v. 17.5.1989 - 3 Wx 185/89, FamRZ 1990, 316 [317]; Odersky, Nichtehelichengesetz, 4. Aufl., § 55b FGG Anm. IV 2d; Bassenge in Bassenge/Herbst/Roth, FGG RPflG, 10. Aufl., § 55b FGG Rz. 9; Jansen, FGG, 2. Aufl., § 55 Rz. 9 u. Fn. 3), oder ob er damit nur die Beschwerdebefugnis der dort aufgezählten Personen klarstellen wollte, ohne § 20 FGG zu verdrängen (Blaese, FamRZ 1990, 13; Kollhosser, FamRZ 1970, 625 [629]).

Auch dann, wenn der Gesetzgeber mit der Verweisung in § 55b Abs. 3 FGG auf Abs. 1 dieser Vorschrift ursprünglich nur die Beschwerdebefugnis der dort aufgezählten Personen klarstellen wollte, ohne ein allgemeines Beschwerderecht aus § 20 FGG zu verdrängen (Blaese, FamRZ 1990, 13), ist nämlich eine Beschränkung des Beschwerderechts auf diesen Personenkreis erforderlich (h.M.: BGH, Urt. v. 21.12.1973 - IV ZR 101/72, obiter dictum; OLG Hamm v. 29.9.1982 - 15 W 274/82, MDR 1983, 141 = FamRZ 1982, 1239 [1240]; v. 3.4.1990 - 15 W 44/90, MDR 1990, 834 = FamRZ 1990, 1014 [1015]; KG v. 7.7.1994 - 1 W 2351/93, KGReport Berlin 1994, 165 = FamRZ 1995, 428 [429]; OLG Düsseldorf v. 17.5.1989 - 3 Wx 185/89, FamRZ 1990, 316 [317]; Keidel/Engelhardt, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl., § 55b Rz. 12; Bumiller/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 6. Aufl., § 55b Rz. 5; Seidel in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1600e Rz. 55; Erman/Holzhauer, BGB, 11. Aufl., § 1600e Rz. 7; Soergel/Gaul, BGB, 12. Aufl., § 1600n Rz. 27; Kaul in Vorwerk, Prozessformularbuch, 7. Aufl., Kap. 101 Rz. 68; Kirchmeier, FPR 2002, 370 [376]; Bökelmann, JR 1973, 203 [204]).

c) Jedenfalls hätte der Gesetzgeber u.a. die Änderungen des § 55b FGG durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz v. 16.12.1997 und erneut durch Art. 3 § 19 des Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften v. 16.2.2001 zum Anlass nehmen können, auch dessen Abs. 3 hinsichtlich der Beschwerdeberechtigung neu zu fassen, wenn die bisherige, auch der h.M. im Schrifttum entsprechende Rechtsprechung der OLG seinen Vorstellungen widersprochen hätte; dies hat er nicht getan.

d) Die Beschränkung des Kreises der Beschwerdeberechtigten durch § 55b Abs. 3 FGG verletzt - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - auch nicht das durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistete Erbrecht als Individualrecht der Beteiligten. Zwar greift die Feststellung der Vaterschaft hier unmittelbar in die Rechtsstellung gesetzlicher Erben entfernterer Ordnung ein, da die Rechtswirkungen der Vaterschaft, zu denen auch das Erbrecht des Kindes gehört, gem. § 1600d Abs. 4 BGB erst mit Rechtskraft der Feststellung geltend gemacht werden können (Odersky, Nichtehelichengesetz, 4. Aufl., § 55b FGG Anm. II 2). Deshalb waren sie - wie geschehen - zu hören. Der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet das Gericht aber lediglich, das Vorbringen Verfahrensbeteiligter zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG verlangt hingegen nicht, dass in jedem Fall gegen eine gerichtliche Entscheidung ein Rechtsmittel an ein Gericht höherer Instanz gegeben sein muss (BVerfG NJW 1979, 155).

Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG darf der Zugang zu einer weiteren Instanz zwar nicht willkürlich oder unzumutbar erschwert werden, wenn das Verfahrensrecht eine weitere Instanz vorsieht (Art. 19 Abs. 4 GG). Für die nicht in § 55b Abs. 1 FGG genannten Beteiligten schließt das Gesetz einen weiteren Instanzenzug aber aus. Dies ist unbedenklich, weil das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein rechtsstaatliches Verfahren ist, in dem die Beteiligten zu 1) und 2) vertreten waren und ihren Standpunkt dargelegt haben, und das mit einer Entscheidung durch den gesetzlichen Richter endet, so dass den Anforderungen des Art. 103 GG genügt ist.

e) Die Beschränkung des Beschwerderechts auf den in § 55b Abs. 1 FGG genannten Personenkreis ist - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - auch nicht willkürlich und verstößt nicht gegen Art. 3 GG. Es ist vielmehr sachgerecht, den Kreis der Beschwerdeberechtigten in Statusverfahren der vorliegenden Art auf die von der Statusfrage in erster Linie betroffenen nächsten Angehörigen zu beschränken. Soweit diese (auch) erbberechtigt sind und das ihnen eingeräumte Beschwerderecht somit auch aus rein vermögensrechtlichen Motiven wahrnehmen könnten, stellt dies keine verfassungsrechtlich bedenkliche Ungleichbehandlung gegenüber anderen Erbberechtigten dar, denen § 55b Abs. 3 FGG dies verwehrt. Denn insoweit handelt es sich um eine nicht zu vermeidende Reflexwirkung, die jedenfalls eher hinzunehmen ist als eine dem Statusverfahren in hohem Maße abträgliche Erweiterung des Kreises der Beschwerdeberechtigten.

Richtig ist zwar, dass das Verfahren der nachträglichen Vaterschaftsfeststellung die Nachlassregelung mit erheblichen Ungewissheiten belasten und im Falle der Feststellung der Vaterschaft für die bisher als Erben des Mannes geltenden Personen erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen haben kann. Auch der Entscheidung des BVerfG v. 18.11.1986 (BVerfG v. 18.11.1986 - 1 BvR 1365/84, MDR 1987, 465 = FamRZ 1987, 346 [348]) ist aber nicht zu entnehmen, dass diesen Erwägungen von Verfassungs wegen Vorrang vor jenen einzuräumen wäre, die gegen eine Ausweitung des Kreises der Beschwerdeberechtigten nach § 55b Abs. 3 FGG sprechen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1373070

BGHZ 2005, 37

NJW 2005, 1945

BGHR 2005, 1052

FamRZ 2005, 1067

FuR 2005, 372

JZ 2006, 42

MDR 2005, 1169

FamRB 2005, 231

ZFE 2005, 331

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