Leitsatz (amtlich)

a) Beantragt der (vorläufige) Verwalter die Festsetzung seiner Vergütung, liegt in der lediglich gewährten, nicht beantragten Festsetzung eines Vorschusses unter gleichzeitiger Zurückweisung des weitergehenden Antrags eine mit der sofortigen Beschwerde angreifbare Ablehnung der Vergütungsfestsetzung.

b) Eine Teilentscheidung über einen Vergütungsfestsetzungsantrag ist nur zulässig, wenn diese einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Vergütungsfestsetzungsbegehrens betrifft, was regelmäßig ausscheidet; eine Teilentscheidung über eine unselbständige rechtliche Vorfrage ist unzulässig.

 

Normenkette

InsO § 63; InsVV § 8

 

Verfahrensgang

LG Wuppertal (Beschluss vom 25.03.2014; Aktenzeichen 16 T 53/14)

AG Wuppertal (Beschluss vom 13.11.2013; Aktenzeichen 145 IN 1080/11)

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel des weiteren Beteiligten werden der Beschluss der 16. Zivilkammer des LG Wuppertal vom 25.3.2014 und der Beschluss des AG Wuppertal vom 13.11.2013 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Insolvenzgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 2.034,85 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Rz. 1

Mit Beschluss vom 30.11.2011 wurde der weitere Beteiligte im Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der G. M. (nachfolgend: Schuldnerin) zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Am 1.2.2012 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der weitere Beteiligte zum Verwalter ernannt.

Rz. 2

Am 16.8.2013 beantragte er, die Vergütung für seine Tätigkeit als vorläufiger Verwalter gem. § 63 Abs. 3 InsO n.F. i.V.m. § 11 Abs. 1 InsVV n.F. auf insgesamt 11.315,51 EUR festzusetzen. Er bezifferte das Vermögen, auf das sich seine Tätigkeit bezogen habe, auf 185.564,34 EUR. In diesen Betrag rechnete er den Wert von Gegenständen ein, an denen Absonderungsrechte bestanden, nämlich zum einen den sicherungshalber abgetretenen Anspruch der Schuldnerin aus einer Lebensversicherung i.H.v. 53.050,17 EUR, zum anderen den hälftigen Miteigentumsanteil an der von der Schuldnerin und ihrem Ehemann bewohnten Eigentumswohnung im Wert von 60.000 EUR, der wertübersteigend mit Grundpfandrechten belastet war. Die Regelvergütung des Verwalters nach § 2 InsVV berechnete er mit 25.739,50 EUR, den 25 v.H. Anteil gem. § 11 Abs. 1 Satz 2 InsVV a.F. mit 6.434,88 EUR. Hierauf begehrte er einen Zuschlag von 10 v.H. für Betriebsfortführung (2.573,95 EUR) und eine Auslagenpauschale von 500 EUR, jeweils zzgl. 19 v.H. Umsatzsteuer.

Rz. 3

Der vorläufige Verwalter vertrat die Auffassung, dass zwar § 63 Abs. 3 InsO n.F. und § 11 Abs. 1 InsVV n.F. erst am 19.7.2013 in Kraft getreten seien und § 65 InsO n.F. erst am 1.7.2014 in Kraft treten werde. Es sei jedoch im Gesetzgebungsverfahren der Wille des Gesetzgebers klar erkennbar geworden, die neue Regelung auch auf Altfälle anzuwenden.

Rz. 4

In seinem Beschluss vom 13.11.2013 hat das AG bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage den Wert der Gegenstände, an denen (wertausschöpfende) Absonderungsrechte bestanden, nicht berücksichtigt und die Berechnungsgrundlage mit 72.514,17 EUR beziffert. Auf dieser Grundlage hat es jedoch nicht die Vergütung festgesetzt, sondern lediglich einen Vorschuss auf die Vergütung von 7.130,40 EUR und auf die Auslagen von 668,47 EUR bewilligt, zzgl. jeweils 19 v.H. Umsatzsteuer von zusammen 1.481,79 EUR, insgesamt 9.280,66 EUR. Gleichzeitig hat es den Antrag des vorläufigen Verwalters zurückgewiesen, soweit die Festsetzung nach § 63 Abs. 3 InsO n.F. begehrt werde und bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage die Absonderungsrechte gem. § 11 Abs. 1 InsVV n.F. mitberechnet wurden.

Rz. 5

Mit der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde hat der weitere Beteiligte die Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses und die Festsetzung der Vergütung nach Antrag begehrt. Das LG hat die Beschwerde mit Beschluss vom 25.3.2014 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der weitere Beteiligte mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der er seinen Vergütungsantrag in vollem Umfang weiterverfolgt.

II.

Rz. 6

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung beider Vorentscheidungen und zur Zurückverweisung der Sache an das Insolvenzgericht.

Rz. 7

1. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde nur insoweit für statthaft gehalten, als der Festsetzungsantrag vom AG zurückgewiesen worden ist. Insoweit hat es die Beschwerde für unbegründet erachtet.

Rz. 8

Das Insolvenzgericht habe die Gegenstände, an denen wertausschöpfende Absonderungsrechte bestehen, entsprechend der Rechtsprechung des BGH zutreffend nicht berücksichtigt. Die am 18.7.2013 verkündete Neufassung des Vergütungsrechts sei auf den vorliegenden Vergütungsantrag nicht anwendbar, was sich schon aus § 19 Abs. 3 InsVV ergebe. Danach seien auf Insolvenzverfahren, die vor dem 1.5.2012 beantragt worden seien, die Vorschriften der Verordnung in ihrer bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 7.12.2011 (BGBl. I, 2582) am 1.3.2012 geltenden Fassung weiter anzuwenden. Später in Kraft tretende Änderungen könnten keine Berücksichtigung finden, insb. nicht die erst in Zukunft am 1.7.2014 in Kraft tretende Übergangsvorschrift des § 19 Abs. 4 InsVV und die §§ 63, 65 InsO. Eine rückwirkende Anwendung der neuen Regelungen komme nicht in Betracht, weil der Gesetzgeber das Problem der Altfälle erkannt, von der Anordnung einer Rückwirkung aber abgesehen habe. Deshalb liege schon keine Regelungslücke für Altfälle vor.

Rz. 9

2. Die Rechtsbeschwerde ist insgesamt statthaft und begründet. Die Ausführungen des Beschwerdegerichts halten rechtlicher Prüfung nicht stand.

Rz. 10

a) Eine Rechtsbeschwerde ist nur dann statthaft, wenn bereits das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nach § 6 Abs. 1 InsO eröffnet war (BGH, Beschl. v. 16.3.2000 - IX ZB 2/00, BGHZ 144, 78, 82; v. 5.2.2009 - IX ZB 187/08, NZI 2009, 238 Rz. 2; vom 24.3.2011 - IX ZB 67/10, ZInsO 2011, 777 Rz. 5). Dies war hier entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts insgesamt der Fall.

Rz. 11

Die Gewährung oder Ablehnung eines Vorschusses kann allerdings, anders als die Festsetzung der Vergütung und der zu erstattenden Auslagen, nicht mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden (BGH, Beschl. v. 1.10.2002 - IX ZB 53/02, ZIP 2002, 2223; vom 24.3.2011, a.a.O., Rz. 5). Der vorläufige Verwalter hatte allerdings keinen Vorschuss beantragt und sich mit der sofortigen Beschwerde dagegen gewandt, dass lediglich ein Vorschuss bewilligt und die beantragte Festsetzung nicht vorgenommen worden war. Durch die Bewilligung eines Vorschusses allein ist der weitere Beteiligte zwar nicht beschwert. Die Vorschussanordnung besagt als solches auch nicht, dass keine Festsetzung der Vergütung erfolgen kann oder erfolgen wird. Auch hinsichtlich der Höhe der festzusetzenden Vergütung entfaltet die Vorschussgewährung keine Bindungswirkung (BGH, Beschl. v. 24.3.2011, a.a.O., Rz. 6).

Rz. 12

Mit der Festsetzung des Vorschusses hat das Insolvenzgericht aber den Antrag des weiteren Beteiligten auf Festsetzung der Vergütung - vorerst - abgelehnt. Diese Ablehnung hat der weitere Beteiligte, der auch im Beschwerdeverfahren die Festsetzung der beantragten Vergütung begehrt hat, angegriffen. Der (vorläufige) Verwalter hat Anspruch auf unverzügliche Erfüllung seines Vergütungsanspruchs (BGH, Urt. v. 5.12.1991 - IX ZR 275/90, BGHZ 116, 233, 242; v. 17.11.2005 - IX ZR 179/04, BGHZ 165, 96, 101), weshalb die beantragte Festsetzung mit der gebotenen Beschleunigung vorzunehmen ist (BGH, Beschl. v. 4.12.2003 - IX ZB 69/03, ZInsO 2004, 268, 269). Durch die Ablehnung einer Vergütungsfestsetzung ist der (vorläufige) Verwalter beschwert, weil zu seinen Gunsten keine abschließende Entscheidung ergeht, keine Bindungswirkung eintritt, das Verschlechterungsverbot nicht wirkt und er bei einer späteren niedrigeren Festsetzung der Vergütung der Haftung analog § 717 ZPO ausgesetzt ist (vgl. BGH, Urt. v. 20.3.2014 - IX ZR 25/12, WM 2014, 1345 Rz. 10 ff.). Soweit sich aus dem Beschluss des Senats vom 24.3.2011 (a.a.O.), der einen Sonderfall betraf, etwas anderes entnehmen lassen sollte, wird hieran nicht festgehalten.

Rz. 13

b) Hinsichtlich der vom Insolvenzgericht vorgenommenen Zurückweisung des Vergütungsantrags insoweit, als die Festsetzung nach § 63 Abs. 3 InsO n.F. begehrt wurde und bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage die Absonderungsrechte gem. § 11 Abs. 1 InsVV mitberechnet wurden, liegt zudem eine unzulässige Teilentscheidung vor, die lediglich eine rechtliche Vorfrage betrifft.

Rz. 14

aa) Die Frage, in welchem Umfang bei einem Antrag auf Festsetzung der Vergütung Teilentscheidungen getroffen werden können, ist bislang allerdings nicht geklärt. Ihre Zulässigkeit ist von Amts wegen zu prüfen (vgl. BGH, Urt. v. 11.5.2011 - VIII ZR 42/10, BGHZ 189, 356 Rz. 19 ff.; v. 19.5.2015 - XI ZR 27/14, NJW 2015, 2667 Rz. 14).

Rz. 15

Entsprechend den nach § 4 InsO geltenden Grundsätzen der Zivilprozessordnung zum Teilurteil (§ 301 ZPO) und zur Beschränkung der Rechtsmittel, insb. der Revision und der Rechtsbeschwerde, auf einen Teil der angegriffenen Entscheidung, ist im Vergütungsfestsetzungsverfahren eine Teilentscheidung nur zulässig, wenn diese einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Streitstoffes betrifft, über den unabhängig vom übrigen Streitgegenstand entschieden werden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 11.1.2011 - VIII ZB 92/09, WuM 2011, 137 Rz. 4 f.; v. 12.4.2011 - II ZB 14/10, NJW 2011, 2371 Rz. 5; v. 9.6.2016 - IX ZB 17/15, zVb Rz. 5; Urt. v. 27.1.2010 - VIII ZR 159/09, BGHZ 184, 138 Rz. 16 m.w.N.; v. 20.1.2011 - IX ZR 58/10, ZIP 2011, 438 Rz. 6).

Rz. 16

bb) Diese Voraussetzungen werden bei der Vergütungsfestsetzung in der Regel nicht vorliegen. Denn bei dem Vergütungsanspruch des (vorläufigen) Insolvenzverwalters handelt es sich um einen einheitlichen Anspruch, dessen Höhe sich nach unselbständigen Berechnungsfaktoren bestimmt. Er stellt ein Produkt aus der Berechnungsgrundlage und dem durch Zu- und Abschläge erhöhten oder verminderten Regelsatz dar. Die Zu- und Abschlagstatbestände stehen zudem teilweise im Zusammenhang und in Abhängigkeit von Umfang und Entwicklung der Masse, so dass der Vergütungssatz nicht unabhängig von möglichen Zu- und Abschlägen oder der Höhe der Berechnungsgrundlage bestimmt werden kann (BGH, Beschl. v. 20.5.2010 - IX ZB 11/07, BGHZ 185, 353 Rz. 9; vom 9.6.2016, a.a.O., Rz. 5).

Rz. 17

Die angenommene Höhe der Berechnungsgrundlage und die bejahten oder verneinten Zu- und/oder Abschläge nehmen als reine Vorfragen der Vergütungsfestsetzung an der Rechtskraft der Entscheidung nicht teil (BGH, Beschl. v. 20.5.2010, a.a.O., Rz. 10). Umso weniger gilt dies für rechtliche Vorfragen wie diejenige, welches Recht für die Vergütungsfestsetzung anwendbar ist. Die vom Beschwerdegericht bestätigte Entscheidung des Insolvenzgerichts hat den Vergütungsantrag zurückgewiesen, soweit er auf die Anwendbarkeit eines erst nach Ende des Eröffnungsverfahrens neu gesetzten Rechts gestützt ist. Sie betrifft zudem nur die Berechnungsgrundlage. Gilt aber, wie das Insolvenzgericht angenommen hat, noch das zuvor geltende Recht in der Ausprägung durch den BGH, können statt einer Erhöhung der Berechnungsgrundlage durch Einbeziehung des Wertes der Gegenstände, an denen Absonderungsrechte bestehen, Zuschläge nach § 3 Abs. 1 Buchst. a InsVV begründet sein. Die Zurückweisung eines Vergütungsantrags allein im Hinblick auf die Höhe der Berechnungsgrundlage ist auch deshalb ausgeschlossen (vgl. BGH, Beschl. v. 15.11.2012 - IX ZB 130/10, BGHZ 195, 336 Rz. 46).

Rz. 18

c) Die Rechtsbeschwerde ist danach auch begründet, weil sowohl das Insolvenzgericht wie auch das Beschwerdegericht über den Vergütungsantrag insgesamt hätten entscheiden müssen und nicht lediglich über eine rechtliche Vorfrage zu einem Einzelaspekt des Vergütungsbegehrens durch Teilentscheidung hätten erkennen dürfen.

III.

Rz. 19

Die Entscheidungen der Vorinstanzen können deshalb keinen Bestand haben. Sie sind aufzuheben. Die Sache ist zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. Dabei macht der Senat von der Möglichkeiten Gebrauch, das Insolvenzgericht nochmals mit der Sache zu befassen (vgl. BGH, Beschl. v. 26.6.2014 - IX ZB 87/13, WM 2014, 1432 Rz. 16 m.w.N.). Es wird nunmehr über den Vergütungsantrag insgesamt zu entscheiden haben.

Rz. 20

Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass Insolvenzgericht und Beschwerdegericht zutreffend davon ausgegangen sind, auf die Beurteilung des Falles finde das Recht Anwendung, das vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15.7.2013 (BGBl. I, 2379) gegolten und durch die Rechtsprechung des BGH seine Ausprägung erhalten habe. Wegen der Einzelheiten zu dieser Frage wird auf die Entscheidung des Senats vom heutigen Tag in der Sache IX ZB 46/14 Bezug genommen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 9654214

BB 2016, 1922

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