Die Voraussetzungen einer fiktiven Abnahme regelt § 640 Abs. 2 BGB. Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein:

  • Das Werk muss fertiggestellt sein

    Von einer Fertigstellung ist dann auszugehen, wenn das Werk nach der vertraglichen Vereinbarung der Parteien als "fertig" anzusehen ist.[1] Dies ist der Fall, wenn die im Vertrag genannten Leistungen abgearbeitet beziehungsweise erbracht sind – unabhängig davon, ob Mängel vorliegen oder nicht. Von einer Fertigstellung ist also letztlich dann auszugehen, wenn die Wohnanlage und die Sondereigentumseinheiten entsprechend der Baubeschreibung errichtet sind oder die sonstige Werkleistung erbracht ist.

  • Angemessene Fristsetzung

    Der Unternehmer muss eine angemessene Frist zur Abnahme des Werks gesetzt haben. Die Angemessenheit der Frist wird grundsätzlich bejaht, wenn sie 12 Werktage umfasst.

  • Keine Abnahmeverweigerung

    Verweigert der Besteller lediglich die Abnahme pauschal, treten die Rechtsfolgen der fiktiven Abnahme ein, auch wenn die Erklärung fristgemäß erfolgt. Im Übrigen genügt die Nennung einer konkreten Mangelerscheinung, um die Rechtsfolgen der fiktiven Abnahme nicht eintreten zu lassen. Die Abnahmefiktion tritt also ein, wenn

    • sich der Besteller überhaupt nicht zu dem Abnahmeverlangen äußert oder
    • der Besteller die Abnahme ohne Benennung von Mängeln verweigert.

    Benennt der Besteller eine konkrete Mangelerscheinung, kann er selbstverständlich weitere Mängel später noch reklamieren. Den konkreten Mangel muss er auch nicht im Detail beschreiben.

 

Mangel muss nicht wesentlich sein

Um die Rechtsfolgen einer fiktiven Abnahme nicht eintreten zu lassen, genügt nach dem Wortlaut des Gesetzes die Verweigerung der Abnahme unter Benennung wenigstens eines Mangels. Der Wortlaut setzt also das Vorliegen eines wesentlichen Mangels nicht voraus, weshalb die Abnahme auch dann verweigert werden kann, wenn ein unwesentlicher Mangel vorliegt.

§ 640 Abs. 1 Satz 2 BGB?

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang § 640 Abs. 1 Satz 2 BGB, wonach die Abnahme bei Vorliegen lediglich unwesentlicher Mängel nicht verweigert werden kann. Insoweit könnte angenommen werden, dass sich der Gesetzgeber hinsichtlich der fiktiven Abnahme auf diese Vorschrift bezieht. Der Gesetzgeber verzichtet jedoch bewusst auf eine entsprechende Differenzierung. Er ist der Auffassung, eine entsprechende Unterscheidung sei im Einzelfall schwierig und oftmals erst im gerichtlichen Verfahren festzustellen. Damit würde Unklarheit über den Eintritt der Abnahmefiktion entstehen. Gebe der Besteller nur offensichtlich nicht bestehende oder eindeutig unwesentliche Mängel an, könne dies allerdings rechtsmissbräuchlich sein.[2]

 
Praxis-Beispiel

Unwesentlicher Mangel

Der Unternehmer ist mit der Pflasterung der gemeinschaftlichen Innenhoffläche beauftragt. Bei den verwendeten Betonsteinen liegen vereinzelt Farbabweichungen vor. Die Funktion des Pflasters ist in keinster Weise eingeschränkt. Aus diesem Grund verweigert der Verwalter die Abnahme und Zahlung der Rechnung.

Von einem Mangel wird man hier ausgehen können. Da lediglich eine optische Veränderung vorliegt, handelt es sich jedoch um einen unwesentlichen Mangel. Auch wenn die Abnahme nach der Vorschrift des § 640 Abs. 1 Satz 2 WEG wegen unwesentlicher Mängel nicht verweigert werden darf, löst die Behauptung eines unwesentlichen Mangels die Abnahmefiktion des § 640 Abs. 2 BGB nicht aus.

 

Abnahmefiktion umfasst auch wesentliche Mängel

Vorteilhaft ist die gesetzliche Regelung für den Unternehmer freilich vor dem Hintergrund, dass die Abnahmefiktion auch dann eintritt, wenn tatsächlich wesentliche Mängel vorhanden sind. Reagiert also der Besteller nicht auf ein Abnahmeverlangen des Unternehmers, gilt die Werkleistung als abgenommen, auch wenn wesentliche Mängel vorhanden sind.

[1] BT-Drs. 18/8486, S. 49.
[2] BT-Drs. 18/8486, S. 49.

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