Bislang entsteht eine Wohnungseigentümergemeinschaft nicht mit Aufteilung und Anlegung der Grundbücher, sondern erst durch die Umschreibung mindestens eines Wohnungs- oder Teileigentumsgrundbuchs vom aufteilenden Eigentümer auf einen der Erwerber. Das ist – zumindest nach bisheriger Lesart – darauf zurückzuführen, dass eine einzelne Person begrifflich keine Gemeinschaft darstellen kann, sondern hierfür mindestens 2 Personen erforderlich sind. Die Wohnungseigentümergemeinschaft entsteht also erst zu diesem Zeitpunkt.

Dies erweist sich als wenig praxisgerecht. Denn kommt eine solche Eigentumsumschreibung nicht kurzfristig nach dem Abschluss der Erwerbsverträge zustande, so könnte sich die Rechtsbeziehung der Erwerber zunächst nur aus dem Verhältnis zu dem Veräußerer ergeben. Zwischen den einzelnen Erwerbern bestünde kein unmittelbares Rechtsverhältnis. Allenfalls ließe sich ein solches als Gemeinschaft im Sinne der §§ 741 ff. BGB charakterisieren. Die Abwicklung des als Wohnungseigentümergemeinschaft gedachten Gebildes wäre insoweit gegebenenfalls längere Zeit gefährdet gewesen, weil nach den Grundlagen der häufig geschlossenen Bauträgerverträge eine vollständige Zahlung der Kaufpreise bis zum Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten nicht erfolgte. Vielmehr soll dies nach den Vorgaben des § 3 Abs. 2 MaBV erst zum Zeitpunkt der vollständigen Fertigstellung vorgenommen werden. Dies ist jedoch wegen der noch vorzunehmenden Restarbeiten und der durchzuführenden Mängelbeseitigung oftmals um einen wesentlichen Zeitraum verzögert. Eine weitere Verzögerung tritt mitunter aufgrund langer Bearbeitungsstände des Grundbuchamts auf. Dennoch leben die Erwerber in der Zwischenzeit gleichsam wie Wohnungseigentümer zusammen und sind regelmäßig nach den Erwerbsverträgen bereits ab dem Zeitpunkt des Gefahrübergangs gegenüber dem Bauträger zur Lasten- und Kostentragung verpflichtet.

Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH[1] finden deshalb die Vorschriften der §§ 10 ff. WEG a. F. antizipiert auf einen Ersterwerber, also einen Erwerber vom teilenden Eigentümer, Anwendung, wenn kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Zwischen teilendem Alleineigentümer und Ersterwerber wurde ein wirksamer Erwerbsvertrag geschlossen.
  • Zugunsten des Ersterwerbers wurde eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen.
  • Dem Ersterwerber wurde der Besitz am Sondereigentum eingeräumt.

Mit Erfüllung der vorgenannten Voraussetzungen in der Person eines Ersterwerbers entsteht die sog. "werdende" oder "faktische Wohnungseigentümergemeinschaft".

Nach Auffassung des BGH ist es nicht erforderlich, dass die Wohnungsgrundbücher bereits angelegt sind, da eine Auflassungsvormerkung für den Erwerber bereits im Grundbuch des ungeteilten Grundstücks eingetragen werden kann.[2] Mit Abschluss des wirksamen Erwerbsvertrags und Eintragung der Vormerkung erlangt der Erwerber eine gesicherte Rechtsposition und ist gegen beeinträchtigende Verfügungen des teilenden Eigentümers auch gegenüber Dritten nach § 883 Abs. 2 BGB geschützt. Nach der Insolvenz des Bauträgers und Freigabe des Grundstücks durch den Insolvenzverwalter ist von einer werdenden Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bei Existenz wirksamer Erwerbsverträge und Eintragung von Auflassungsvormerkungen auszugehen. Der "freiwilligen" Besitzübergabe entspricht die Freigabe durch den Insolvenzverwalter.[3]

Alle Ersterwerber, die die Voraussetzungen eines werdenden Wohnungseigentümers bis zur ersten Eigentumsumschreibung, d. h. der Eintragung des ersten Erwerbers als Eigentümer im Wohnungsgrundbuch, erfüllen, werden Mitglied der werdenden Gemeinschaft. Dies bedeutet, dass ein Ersterwerber, sobald er die oben genannten Voraussetzungen erfüllt, wie ein Wohnungseigentümer zu behandeln ist. Da die Vorschriften der §§ 10 ff. WEG a. F. entsprechende Anwendung finden, ist dieser an Beschlüssen oder dem Abschluss von Vereinbarungen zu beteiligen. Ferner kann der werdende Wohnungseigentümer durch Beschlussfassung zu Wohngeldzahlungen verpflichtet werden, wenngleich bei Rückständen die Anordnung der Zwangsverwaltung nach § 147 ZVG mangels Eigentumsumschreibung noch nicht möglich ist.[4] Ein werdender Wohnungseigentümer behält seinen Status auch nach Entstehen der Wohnungseigentümergemeinschaft durch Eintragung des ersten Erwerbers als Eigentümer im Grundbuch neben dem teilenden Alleineigentümer. Dieser wird also weiterhin wie ein Wohnungseigentümer behandelt.[5] Die rechtlich in Vollzug gesetzte Wohnungseigentümergemeinschaft besteht somit aus den im Grundbuch eingetragenen Wohnungseigentümern und den werdenden Wohnungseigentümern.

Ein Erwerber von Wohnungseigentum, der den Erwerbsvertrag vor Entstehen der Wohnungseigentümergemeinschaft abschließt und zu dessen Gunsten eine Auflassungsvormerkung eingetragen wird, ist auch dann als werdender Wohnungseigentümer anzusehen, wenn er den Besitz an der Wohnung erst nach dem Entstehen der Wohnungseigentümergemeinschaft erlangt. Der im Grundbuch als Eigentümer eingetragene Veräußerer...

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