1 Leitsatz

Nimmt ein Wohnungseigentümer einen anderen Wohnungseigentümer auf Unterlassung oder Schadensersatz wegen einer Äußerung in Anspruch, handelt es sich nur dann um eine wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG, wenn sich der Wohnungseigentümer in einer Versammlung der Wohnungseigentümer oder in einer Sitzung des Verwaltungsbeirats geäußert hat. Dies gilt unabhängig von Inhalt und Anlass der Äußerung.

2 Normenkette

§ 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG

3 Das Problem

Eine GbR, deren Gesellschafter K und seine Ehefrau sind, der Beklagte und dessen Ehefrau bilden die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Die Wohnungseigentumsanlage besteht aus 2 Doppelhaushälften. Zwischen den Parteien kommt es seit Langem zu diversen Auseinandersetzungen. U. a. geht es um die Reinigung von Entwässerungsrinnen. Am 6.3.2018 werden Wohnungseigentümer B und seine Ehefrau zur Reinigung dieser Entwässerungsrinnen verurteilt. Am 15.8.2018 kommt es zu einem Zusammentreffen der Parteien auf dem Grundstücksvorplatz. Während eines Wortwechsels sagt B zu K: "Sie sind sowieso eine Lachfigur, Sie Idiot." Mit anwaltlichem Schreiben vom 21.8.2018 mahnt K den B ab, woraufhin dieser eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt. In dem Begleitschreiben des Prozessbevollmächtigten des B zu der Unterlassungserklärung heißt es: "Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass den dort beschriebenen Äußerungen ein Vorgang im Sinne des § 199 StGB voranging, bei dem … (Kläger) unseren Mandanten duzte, unflätig bepöbelte sowie mit der Einleitung eines weiteren Gerichtsverfahrens bedrohte." Mit der Klage verlangt K Ausgleich der Abmahnkosten von 422,25 EUR sowie Unterlassung der Behauptung, er habe B am 15.8.2018 "geduzt, unflätig bepöbelt und mit der Einleitung eines weiteren Gerichtsverfahrens bedroht." Das AG verurteilt B wegen eines Gegenstandswerts, den es geringer als K ansetzt, zur Zahlung von nur 147,56 EUR. Die dagegen gerichtete Berufung verwirft das LG wegen Nichterreichens der erforderlichen Berufungssumme als unzulässig. Auf die Rechtsbeschwerde des K hebt der BGH diese Entscheidung auf. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren spricht das LG, das sich jetzt als zuständig ansieht, dem K weitere 8,61 EUR (Zustellungskosten) zu. Hiergegen wendet sich K erneut mit der Revision.

4 Die Entscheidung

Ohne Erfolg! Der BGH meint erstens, es handele sich um keine WEG-Streitigkeit. Dies folge allerdings nicht schon daraus, dass K kein Wohnungseigentümer sei. § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG sei gegenstands- und nicht personenbezogen zu verstehen. Entscheidend sei daher, ob die Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG in sachlicher Hinsicht vorlägen. Maßgeblich sei hier der Umstand, ob das von einem Wohnungseigentümer (oder ihm gleichstehenden Personen) in Anspruch genommene Recht oder die ihn treffende Pflicht in einem inneren Zusammenhang mit einer Angelegenheit stehe, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer erwachsen sei. Hieran fehle es im Fall. Nehme ein Wohnungseigentümer einen anderen Wohnungseigentümer auf Unterlassung oder Schadensersatz wegen einer Äußerung in Anspruch, handele es sich nur dann um eine wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeit, wenn die Äußerung in einer Versammlung der Wohnungseigentümer oder Sitzung des Verwaltungsbeirats getätigt worden sei. Der BGH meint zweitens, K stehe über den zuerkannten Umfang hinaus kein weiterer Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu. Denn die Äußerungen des B bei dem Zusammentreffen stellten zwar eine Beleidigung dar und verletzten das allgemeine Persönlichkeitsrecht des K. Die erstattungsfähigen Rechtsanwaltskosten seien aber mit dem AG und dem LG aus einem Gegenstandswert von 1.000 EUR und nicht von 4.000 EUR zu berechnen, wie dies K selbst für angemessen halte.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es wohnungseigentumsrechtlich darum, ob und wann bei einer Beleidigung eine WEG-Streitigkeit vorliegt.

Alte und Aktuelle Lösung

Diese Frage stellte sich nicht das erste Mal. Es gab bereits im Jahr 2017 einen Fall, bei dem ein Wohnungseigentümer einen anderen Wohnungseigentümer in einer Versammlung beleidigt hatte. Der BGH entschied damals, eine WEG-Streitigkeit liege vor, wenn ein Wohnungseigentümer von einem anderen Wohnungseigentümer auf Unterlassung bzw. auf Widerruf von Äußerungen in Anspruch genommen werde, die er in einer Versammlung getätigt habe, es sei denn, ein Zusammenhang mit dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer sei offensichtlich nicht gegeben (BGH, Beschluss v. 17.11.2016, V ZB 73/16, Rn. 12). Diese Lösung korrigiert der BGH! Erstens geht er über sie hinaus, weil er jetzt auch Sitzungen des Verwaltungsbeirats nennt. Zweitens geht er über sie hinaus, da jede beleidigende Äußerung in einer Versammlung der Wohnungseigentümer oder in einer Sitzung des Verwaltungsbeirats eine WEG-Streitigkeit sein soll, also ein Zusammenhang mit dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer nicht geprüft werden muss (= seine alte Ausnahme lässt er fallen). Drittens schränkt er die alte Entscheidung aber ein...

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