Entscheidungsstichwort (Thema)

Anordnung des Sofortvollzugs einer baurechtlichen Beseitigungsanordnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Anordnung der Beseitigung baulicher Anlagen, handelt es sich nicht um eine „typische Interessenlage” wie bei der Baueinstellung oder Nutzungsuntersagung, bei der der Verweis auf die kurzfristig wirksame Unterbindung als Begründung für die Anordnung des Sofortvollzugs ausreicht.

2. Die bei § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Interessenabwägung geht im Falle der Beseitigungsanordnung nur in Ausnahmefällen nicht zu Gunsten des Bauherrn aus.

 

Normenkette

VwGO § 80 Abs. 5; LBO 2004 §§ 68, 82 Abs. 1

 

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 24.07.2007 wird wieder hergestellt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die Antragstellerin wendet sich gegen eine baurechtliche Verfügung, mit der sie unter Anordnung des Sofortvollzugs verpflichtet wurde, eine Terrasse in Holzbauweise bis zum 30.10.2007 zu beseitigen und mit der für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro angedroht wurde.

Der Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärte Beseitigungsverfügung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 24.07.2007 ist zulässig und begründet.

Die Antragsgegnerin hat bereits das aus ihrer Sicht bestehende besondere öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung der Beseitigungsverfügung nicht in einer den formalen Erfordernissen des § 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise ausreichend dargelegt. Sie hat die Anordnung des Sofortvollzugs mit der „Berührung öffentlich-rechtlich geschützter Nachbarrechte gemäß § 71 LBO” und dem Fehlen der Zustimmung des Nachbarn begründet. Das reicht zur Anordnung des Sofortvollzugs bei einer Beseitigungsanordnung nicht aus.

Die Anordnung des Sofortvollzugs im öffentlichen Interesse setzt ein besonderes öffentliches Interesse voraus, das über das Interesse hinausgeht, das (nur) den Erlass des Verwaltungsakts selbst rechtfertigt. Zwar kann im Einzelfall das besondere Vollzugsinteresse auch ausnahmsweise mit dem den Verwaltungsakt selbst betreffenden Vollzugsinteresse zusammenfallen, wenn andernfalls der mit dem Verwaltungsakt angestrebte Gesetzeszweck nicht erreicht werden kann. Dabei ist aber schon deshalb Zurückhaltung geboten, weil der Gesetzgeber, wenn er die Verwirklichung des Gesetzeszweckes in Gefahr sieht, es ohne weiteres in der Hand hat, den Sofortvollzug gesetzlich anzuordnen (§ 80 Abs. 1 Nr. 3 VwGO).

In „typischen Interessenlagen” wie bei der Baueinstellung oder der Nutzungsuntersagung ist der Verweis auf die im Normalfall gebotene kurzfristig wirksame Unterbindung derartiger Gesetzesverstöße nach der Rechtsprechung als ausreichende Begründung im Sinne von § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO anzusehen. (vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 01.06.1990 – 1 W 39/90 –, S. 4 f., mit weiteren Nachweisen) Anders als bei der Baueinstellung und der Nutzungsuntersagung, bei denen im Falle des Sofortvollzugs keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden, tritt beim Sofortvollzug einer Beseitigungsanordnung jedoch regelmäßig ein Substanzverlust ein, der in Konflikt mit dem Regelungsgehalt von Art. 14 GG steht, wenn sich im Nachhinein doch die Vereinbarkeit mit dem materiellen Baurecht herausstellen sollte. Deshalb ist in solchen Fällen ein Hinweis auf einen rein formalen Rechtsverstoß nicht ausreichend und damit eine besondere Begründung geboten. Das gilt grundsätzlich auch in den Fällen, in denen die Befolgung der Beseitigungsanordnung nicht zu einem Substanzverlust führt, wie etwa im Falle der Aufforderung, einen dauerhaft abgestellten Wohnwagen zu entfernen. In diesem Falle handelt es sich allerdings der Sache nach um ein Verbot der Benutzung des konkreten Grundstücks zum Abstellen des Wohnwagens. (Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Aufl., IX Rdnr. 35 f.)

Vorliegend hat die Antragsgegnerin den Sofortvollzug mit einem bloßen Hinweis auf die materielle (Nachbar-) Rechtswidrigkeit angeordnet, ohne dass dargetan wurde oder sonst erkennbar ist, weshalb dem Nachbarn ein Zuwarten bis zur Bestandskraft der Beseitigungsanordnung nicht zumutbar sein sollte. (Im Falle, dass der Nachbar gegen die Antragsgegnerin auf Einschreiten vorginge, stünde dem Nachbarn auch dieser Anspruch (auf Einschreiten mit Anordnung des Sofortvollzugs) erst ab Rechtskraft des Verpflichtungsurteils zu.)

Auch in der Sache ist der Antrag begründet.

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen einen für sofort vollziehbar erklärten Verwaltungsakt ganz oder teilweise anordnen. Im Rahmen der vom Gericht dabei zu treffenden Abwägung, ob das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzung der Beseitigungsanordnung das entgegenstehende private Interesse der Antragstellerin, unter Berücksichtigun...

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