Verfahrensgang

LG Erfurt (Urteil vom 03.07.2015; Aktenzeichen 10 O 1738/13)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 12.01.2017; Aktenzeichen III ZR 312/16)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des LG Erfurt vom 03.07.2015, Az. 10 O 1738/13, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerinnen haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des LG Erfurt ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerinnen begehren von dem Beklagten die Zahlung von Schadensersatz wegen eines behaupteten Fehlers bei einem Notarzteinsatz.

Bei den Klägerinnen handelt es sich um die gesetzliche Krankenkasse und Pflegekasse für den Versicherten Sc.. Der Beklagte ist die Gebietskörperschaft, dem die Aufgaben des bodengebundenen Rettungsdienstes nach § 5 Abs. 1 S. 1 ThürRettG für den Bereich der UnfallsteIle obliegen. Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte auch Aufgabenträger hinsichtlich der ärztlichen Notarztversorgung ist.

Der Versicherte Sc ... war am 22.06.2010 gegen 17:30 Uhr in P., Landkreis G., mit seinem Motorrad unterwegs. Er verlor dabei die Kontrolle über sein Motorrad und geriet auf der Gegenfahrbahn unter einen LKW. Der Versicherte erlitt durch den Unfall eine Fraktur des rechten Beins. Der Notarzt Dipl. med. B. übernahm die ärztliche Erstversorgung des Versicherten an der UnfallsteIle. In diesem Zusammenhang verabreichte er ihm neben den Medikamenten Dormicum und Ketanest, die atemdepressorische Wirkung haben, auch 0.5 mg Fentanyl. Dabei handelt es sich um ein hochpotentes Opiat mit einer stark schmerzlindernden, insbesondere auch narkotisierenden sowie stark atemdepressorischen Wirkung. Dieses Medikament wird regelmäßig unter maschineller Beatmung verwendet und erfordert eine genauste Überwachung des Patienten zur Vermeidung einer Unterversorgung mit Sauerstoff. Im Anschluss an die Verabreichung der vorbezeichneten Medikamente kam es bei dem Versicherten zu einem Atemstillstand.

Nachdem die Klägerinnen zunächst die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen verklagt hatten, haben sie die Klage mit Schriftsatz vom 16.06.2014 zurückgenommen und nehmen nunmehr den Beklagten im Wege eines gewillkürten Parteiwechsels auf Beklagtenseite in Anspruch.

Die Klägerinnen sind der Ansicht, der Beklagte sei für einen Fehler des Notarztes bei dessen Rettungsdiensteinsatz passivlegitimiert.

Die Klägerinnen haben beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) Schadensersatz in Höhe von 29.557,92 EUR nebst Zinsen aus diesem Betrag in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB ab Klagezustellung zu zahlen;

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin zu 2) Schadensersatz in Höhe von 10.810,00 EUR nebst Zinsen aus diesem Betrag in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB ab Klagezustellung zu zahlen:

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihnen sämtliche materielle Schäden, welche in einem ursächlichen Zusammenhang mit der fehlerhaften Behandlung des Versicherten Herrn Sc ..., geb. am ..., am 22.06.2010 bisher entstanden sind und in Zukunft entstehen werden und gemäß § 116 SGB X auf die Klägerinnen übergegangen sind, zu ersetzen:

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, er sei nach dem ThürRettG für einen Fehler des Notarztes bei einem Rettungsdiensteinsatz nicht passivlegitimiert.

Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1, Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Das LG hat durch Urteil vom 3.7.2015 die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe in dem angefochtenen Urteil verwiesen.

Gegen dieses Urteil haben die Klägerinnen Berufungen eingelegt, mit der sie ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiterverfolgen.

Sie sind der Ansicht, das LG sei unzutreffend davon ausgegangen sei, dass der Beklagte für Behandlungsfehler des Notarztes nicht passivlegitimiert sei. Die Organisation und die Durchführung von Aufgaben des Rettungsdienstes wie auch der notärztlichen Versorgung seien Bestandteil der öffentlich-rechtlichen Daseinsvorsorge in Thüringen, die im Thüringer Rettungsdienstgesetz (ThürRettG) vom 16.07.2008 öffentlich-rechtlich geregelt sei. Die im bodengebundenen Rettungsdienst eingesetzten Notärzte würden ein ihnen anvertrautes öffentliches Amt mit der Folge ausüben, dass bei Pflichtverletzungen, insbesondere durch Fehlbehandlungen, die Amtshaftungsgrundsätze zur Anwendung kämen. Nach Art. 34 GG treffe die Haftung grundsätzlich den Staat oder diejenige Körperschaft, in deren Diensten der pflichtwidrig handelnde Amtsträger stehe. Der Bundesgerichtshof lege diese Vo...

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