Leitsatz (amtlich)

Im Einzelfall kann eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten des Hauseigentümers darin gesehen werden, dass dieser bei besonders gefährlichen Wetterlagen ortsübliche Maßnahmen zur Verhinderung des Abgangs von Schneelawinen (Abschlagen von Schnee und Eis, Räumen des Daches) nicht trifft. Dies gilt auch dann, wenn Schneefanggitter bauordnungsrechtlich nicht vorgeschrieben oder nicht ortsüblich sind.

 

Verfahrensgang

LG Meiningen (Urteil vom 04.02.2008; Aktenzeichen 3 O 875/06)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Meiningen vom 4.2.2008 - 3 O 875/06, abgeändert.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 4.943,16 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 2.9.2006 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits insgesamt haben die Klägerin 3/10, die Beklagten als Gesamtschuldner 7/10 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche wegen der Beschädigung ihres (fahrenden) Kraftfahrzeugs durch vom Dach des Hauses der Beklagten herabstürzende Schnee- bzw. Eisplatten geltend. Das LG hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen, weil eine Pflicht der Beklagten zur Anbringung von Schneefanggittern am Dach nicht bestanden habe und die Beklagten auch sonst Verkehrssicherungspflichten nicht verletzt hätten. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Von der Darstellung des weiteren Sach- und Streitstandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg. Der Klägerin steht ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB wegen schuldhafter Verletzung von Verkehrssicherungspflichten durch die Beklagten nicht in der geltendgemachten Höhe, sondern nur i.H.v. 4.943,16 EUR zu.

1.a) Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflichten wegen Nichtanbringung von Schneefanggittern scheidet aus. Die Beklagten waren bauordnungsrechtlich nicht zur Anbringung von Schneefanggittern verpflichtet, weil eine entsprechende Vorschrift unstreitig für die Gemeinde Lauscha nicht bestand bzw. besteht. Enthält die Ortssatzung kein solches Gebot, dann ist bei der Beurteilung der Erforderlichkeit von Schneefanggittern oder sonstigen Schutzmaßnahmen auf die örtlichen Gegebenheiten abzustellen. Sind Schneefanggitter insoweit nicht allgemein üblich, dann stellt es auch keinen Pflichtverstoß dar, wenn entsprechende Schutzmaßnahmen fehlen (vgl. OLG Jena, 4. Zivilsenat, OLGReport 2007, 173. Die Gemeinde Lauscha gehört zwar zu den Gemeinden, in denen aufgrund ihrer geografischen Lage mit größeren Schneemengen gerechnet werden muss. Die insoweit darlegungspflichtige Klägerin hat zur Ortsüblichkeit von Schneefangeinrichtungen nichts Detailliertes vorgetragen. Auf den vorgelegten Lichtbildern ist vielmehr zu sehen, dass Nachbarhäuser keine Schneefanggitter besitzen. Das mit der Berufung vorgenommene bloße Rügen der Feststellung des LG zur Ortsunüblichkeit reicht deshalb nicht aus. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Dachneigung beim Haus der Beklagten nach deren unbestritten gebliebenen Vortrag nur 24 Grad beträgt. Bei einer so geringen Dachneigung kann eine Pflicht zur Abringung von Schneefangeinrichtungen trotz fehlender bauordnungsrechtlicher Vorschrift nicht angenommen werden.

b) Dass eine Verletzung der Verkehrssicherungspflichten in einem Unterlassen von Warnhinweisen (Schilder, Stangen) liegen könnte, vertritt die Klägerin, wie sie in der Berufungsbegründung ausführt, selbst nicht mehr.

c) Allerdings besteht zur Überzeugung des Senats aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls eine Verkehrssicherungspflichtverletzung, die darin liegt, dass die Beklagten sonstige erforderliche und ortsübliche Maßnahmen zur Verhinderung des Abgangs von Schneelawinen (Besondere Beobachtung, Abschlagen von Schnee und Eis) schuldhaft nicht bzw. nicht in ausreichendem Maße ergriffen haben. Dies steht nach der Beweisaufnahme fest.

Grundsätzlich besteht zwar eine Pflicht zur Räumung des Hausdaches von Schnee und Eis nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen, weil die Maßnahme selbst mit erheblichen Gefahren verbunden ist (so auch Hugger/Stallwanger DAR 2005, 665, 667). Ein Hauseigentümer kann jedoch gerade dann, wenn es an seinem Haus keine Schneefangeinrichtungen gibt, die Pflicht obliegen, bei besonderen Wetterlagen das Dach und den darauf befindlichen Schnee, insbesondere auch überhängenden Schnee und überhängendes Eis im Auge zu behalten, um evtl. notwendige Schutzmaßnahmen, ggf. auch durch Einschaltung von Fachleuten, ergreifen zu können (vgl. OLG Celle VersR 1982, 979; OLG Zweibrücken OLGReport Zweibrücken 2000, 7; LG Aschaffenburg DAR 1981, 57). Die Nichtbeobachtung dieser Pflichten in solchen besonderen Gefahrensituationen ist dann zumindest eine fahrlässige Verletzung von Verkehrssicherungspflichten.

So liegt es im vorliegenden Fall. Zum einen be...

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