Grundsätzlich haben die Wohnungseigentümer auch die Kompetenz zur Beschlussfassung über eine langjährige Kreditaufnahme.[1] Die Kreditaufnahme kann nicht nur bei Erhaltungsmaßnahmen infrage kommen, sondern auch bei Maßnahmen der modernisierenden Erhaltung oder einer energetischen Modernisierung als baulicher Veränderung.[2] Angesichts des weit gefassten Modernisierungsbegriffs[3] ist allerdings die Maßnahme als solche in den Blick zu nehmen: Je notwendiger sie ist, um die Wohnanlage auf einen zeitgemäßen Standard zu heben, desto eher wird eine Darlehensaufnahme ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen.

3.4.1 Finanzbedarf

In aller Regel erfolgt eine langfristige Kreditaufnahme im Zuge der Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen, also der Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums oder auch dessen baulicher Veränderung im Zuge von Modernisierungsmaßnahmen. Unerheblich, welchem Zweck eine Darlehensaufnahme dienen soll, muss selbstverständlich im Vorfeld der Beschlussfassung über die Kreditaufnahme der tatsächliche Finanzbedarf geklärt sein. Wie im Übrigen bei Erhaltungsmaßnahmen stets, muss nicht nur der Erhaltungsumfang geklärt sein, vielmehr müssen auch (etwa auf Basis eines Leistungsverzeichnisses) mehrere Vergleichsangebote vorliegen, die tatsächlich auch vergleichbar sind.[1] Es müssen jedenfalls die Kosten der zu finanzierenden Maßnahme nebst ggf. weiteren Kosten für Sonderfachleute wie Architekten oder Ingenieure feststehen.

[1] LG Dortmund, Urteil v. 5.3.2019, 1 S 467/16, ZMR 2019 S. 708.

3.4.2 Rahmenbedingungen der Kreditaufnahme

Erforderlich ist weiter die Klärung und Festlegung der wesentlichen Rahmenbedingungen der Kreditaufnahme. Der Beschluss muss insoweit Angaben über die zu finanzierende Maßnahme, die Höhe des Darlehens, dessen Laufzeit, die Höhe des Zinssatzes bzw. des nicht zu überschreitenden Zinssatzes enthalten und erkennen lassen, ob die Tilgungsraten so angelegt sind, dass der Kredit am Ende der Laufzeit getilgt ist, oder ob eine Anschlussfinanzierung erforderlich ist.

3.4.3 Wie ist mit "Selbstzahlern" umzugehen?

Nicht jeder Wohnungseigentümer ist an einer langfristigen Kreditaufnahme interessiert. Finanzstarke Wohnungseigentümer sind insoweit in der Praxis bestrebt, bestenfalls mit der Kreditaufnahme gar nichts zu tun zu haben. Ohne dass diese Wohnungseigentümer einen Anspruch hierauf hätten, kann ihnen aber die Möglichkeit gegeben werden, den auf sie entfallenden Anteil der zu finanzierenden Kosten vorab zu zahlen. Dies hat freilich auch den Vorteil, dass der Kredit in entsprechend verminderter Höhe aufgenommen werden kann. Allerdings muss insoweit vor dem Beschluss über die Kreditaufnahme geklärt sein, wer in welcher Höhe vorab selbst zahlt. Zu möglicher Haftungsfreistellung siehe nachfolgendes Kapitel.

3.4.4 Haftungsfreistellung kann nicht beschlossen werden

Wie nachfolgend dargestellt, ist jeder Wohnungseigentümer dem Haftungsrisiko des § 9a Abs. 4 WEG ausgesetzt, wenn die Kreditraten nicht (in voller Höhe) zurückgeführt werden können. Insbesondere "Selbstzahler" haben größtes Interesse daran, von vornherein von einer möglichen Haftung freigestellt zu werden. Mangels Beschlusskompetenz kann aber eine derartige Haftungsfreistellung nicht beschlossen werden. Eine solche bedarf vielmehr der ausdrücklichen Zustimmung der Kreditbank.[1]

[1] LG Dortmund, Urteil v. 5.3.2019, 1 S 467/16, ZMR 2019 S. 708.

3.4.5 Protokollierter Haftungshinweis

Von wesentlicher Bedeutung ist, dass die Wohnungseigentümer im Vorfeld der Beschlussfassung über die Darlehensaufnahme über die hiermit für sie verbundenen Risiken aufgeklärt werden. Entscheidend ist insoweit, dass als Vertragspartnerin des Kreditinstituts die Wohnungseigentümergemeinschaft fungiert. Insoweit droht den einzelnen Wohnungseigentümern das Risiko der unmittelbaren Teilhaftung nach § 9a Abs. 4 WEG, wenn die Kreditraten etwa wegen Zahlungsausfällen einzelner Wohnungseigentümer nicht zurückgeführt werden können. Jedenfalls haftet im (Außen-)Verhältnis zur kreditgewährenden Bank jeder einzelne Wohnungseigentümer gemäß § 9a Abs. 4 WEG zwar nur nach dem Verhältnis seines Miteigentumsanteils. Im Innenverhältnis zur Wohnungseigentümergemeinschaft droht dagegen eine Nachschusspflicht bei Zahlungsausfällen von Wohnungseigentümern. Da ein Insolvenzverfahren über das Verwaltungsvermögen der Gemeinschaft nicht stattfindet, ist die Nachschusspflicht theoretisch unbegrenzt und trifft auch die Wohnungseigentümer, die den nach dem Verhältnis ihres Miteigentumsanteils zu zahlenden Teil des Darlehens bereits erbracht haben. Hierauf muss der Verwalter im Vorfeld der Beschlussfassung hingewiesen haben. Und diese Aufklärung hat der Verwalter in der Versammlungsniederschrift zu dokumentieren, ansonsten ist der Beschluss über die Kreditaufnahme erfolgreich anfechtbar.

3.4.6 Beschlussfassung

 

Voraussetzungen für eine langfristige Darlehensaufnahme

Ob eine langfristige Kreditaufnahme ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, ...

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