Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung eines Presse-Grossisten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Vertriebsgesellschaft eines Zeitungsverlags ist berechtigt, die Geschäftsbeziehung zu einem (bislang gebietsmonopolistisch agierenden) Presse-Grosso-Vertriebs-Unternehmen unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist zu kündigen. Besonderer sachlicher Kündigungsgründe bedarf es nicht; insb. besteht insoweit keine Bindung an den Inhalt einer gemeinsamen Erklärung der Verbände der Zeitschriften- und der Zeitungsverleger sowie des Bundesverbandes der Presse-Grossisten, welche lediglich branchenpolitische, aber keine rechtliche Bedeutung hat.

2. Der Wirksamkeit der Kündigung stehen auch kartellrechtliche Gesichtspunkte nicht entgegen; die Kündigung ist am Maßstab des GWB wettbewerbsrechtlich unkritisch.

 

Normenkette

HGB § 89; GWB §§ 1, 34, 20

 

Verfahrensgang

LG Kiel (Urteil vom 21.08.2009; Aktenzeichen 14 O 3/09)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 24.10.2011; Aktenzeichen KZR 7/10)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Kammer für Handelssachen I des LG Kiel vom 21.8.2009 abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist einer von insgesamt 73 sog. Presse-Grossisten, die den Einzelhandel in Deutschland mit Ausnahme des Bahnhofsbuchhandels mit Presseprodukten beliefern, darunter bislang auch denjenigen der A, deren Vertriebsgesellschaft die Beklagte ist.

Seit 1972 ist der Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften weitgehend so organisiert, dass ein jeder Grossist ein bestimmtes Gebiet (bzw. die darin gelegenen Einzelhändler) ausschließlich versorgt und zwar jeweils mit den Periodika sämtlicher Verlage. Lediglich in B und C besteht ein sog. Doppel-Grosso mit sog. Objekttrennung, wobei zwei Grossisten jeweils für bestimmte Verlage deren Produkte ausschließlich vertreiben. Einer der beiden Grossisten in B ist die X, ein 100%iges Konzernunternehmen der A.

Der Vertrieb vollzieht sich nach Regeln, die sich aus dem - von der Beklagten allerdings für nichtig gehaltenen - Vertrag vom 12./17.11.1965 (Anlage B 1) ergeben. Danach kauft der Grossist eine von ihm bestimmte Menge der einzelnen Periodika vom Verlag (bzw. dessen Vertrieb) und verkauft sie zu einem fest vorgegebenen Endverkaufspreis an sämtliche in seinem Gebiet liegenden Einzelhändler weiter. Nicht verkaufte Exemplare werden an den Verlag zurückgegeben (sog. Remission) und rückvergütet. Die für die jeweiligen Produkte geltenden Handelsspannen wurden und werden zwischen den Verlagen und den Grossisten jeweils für mehrere Jahre separat vereinbart. Auf Seiten der 58 verlagsunabhängigen Grossisten, die es neben 15 Grossisten mit unterschiedlicher Verlagsbeteiligung gibt und zu denen auch die Klägerin zählt, wurden und werden die Verhandlungen vom D geführt.

Das Auslaufen der zuletzt gültigen Handelsspannenvereinbarung zum 28.2.2009 nahm die Beklagte gem. einem Schreiben vom 30.5.2008 (Anlage B 7) zum Anlass, "vorsorglich und zur Klarstellung die bestehenden Regelungen (zu diesem Termin) aufzukündigen". Mit Schreiben vom 20.10.2008 (Anlage K 5) teilte sie der Klägerin des Weiteren mit, dass ihrer Meinung nach mit dem Auslaufen der Handelsspannen wegen Wegfalls der "essentialia negotii" der Grosso-Vertrag zum 28.2.2009 ende, und kündigte diesen zudem zu dem genannten Datum. Zum 1.3.2009 beauftragte sie die X mit dem Vertrieb ihrer Produkte im Bereich der Klägerin. Ebenso verfuhr die Beklagte mit den Grossisten E und F.

Die Klägerin hat die Fortsetzung der Geschäftsbeziehung - hilfsweise neben der X - verlangt. Sie hat gemeint, sie habe einen vertraglichen Anspruch auf Weiterbelieferung. Die Beklagte sei an die gemeinsame Erklärung des Verbandes der deutschen Zeitschriftenverleger (VDZ), des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und des Bundesverbandes Deutscher Buch-, Zeitungs- und Zeitschriften- Grossisten e.V. (BVPG) vom 19.8.2004 (Anlage K 14) gebunden und deshalb nicht ohne weiteres zur Kündigung berechtigt gewesen. Nach dieser Erklärung bekennen sich Verlage und Grossisten "einmütig zum bewährten Grosso-Vertriebssystem" und besteht u.a. "Einigkeit, dass Verlage die Möglichkeit haben müssen, bei zu begründenden nachhaltigen Leistungsmängeln und anderen sachlich gerechtfertigten Gründen die Geschäftsbeziehung zu dem jeweiligen Grossisten mit Fristsetzung kündigen zu können". An solchen Gründen, so hat die Klägerin gemeint, fehle es vorliegend. Daneben sei die Kündigung auch gem. §§ 134 BGB i.V.m. § 20 GWB unwirksam: Die Beklagte behandle sie, die Klägerin, ohne rechtfertigenden Grund ggü. den übrigen Presse-Grossisten, mit denen die Beklagte die Grosso-Verträ...

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