Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachweis des Erbrechts bei fehlenden öffentlichen Urkunden

 

Leitsatz (amtlich)

Wer die Erteilung eines Erbscheins als gesetzlicher Erbe beantragt und das Verhältnis, auf dem sein Erbrecht beruht, ausnahmsweise gem. § 2356 Abs. 1 S. 2 BGB durch andere Beweismittel als öffentliche Urkunden nachweisen darf, muss Beweismittel vorlegen, die ähnlich klare und hinreichend verlässliche Schlussfolgerungen wie eine öffentliche Urkunde ermöglichen, so dass an die Anforderungen regelmäßig strenge Maßstäbe anzulegen sind. Diese Anforderungen können im Einzelfall auch durch Zeugenaussagen der Kinder des Antragstellers erfüllt sein, wenn diese angesichts enger verwandtschaftlicher Kontakte aufgrund eigenen Erlebens glaubhafte Angaben zum Grad der verwandtschaftlichen Beziehung machen können (Abgrenzung zum Beschluss des OLG Schleswig vom 30.9.2009 - 3 Wx 74/08, FGPrax 2010,40 f. = SchlHA 2010, 86 ff.).

 

Normenkette

BGB §§ 2354, 2356 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

AG Ahrensburg (Beschluss vom 28.06.2010)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten wird der Beschluss der Rechtspflegerin des AG Ahrensburg vom 28.6.2010 geändert und das AG angewiesen, der Beteiligten einen Erbschein zu erteilen, der sie als Alleinerbin nach dem am ... in E, Kreis .../Ostpreußen geborenen und am ... in ... verstorbenen Z. ausweist.

Gerichtskosten I. und II. Instanz werden nicht erhoben. Kostenerstattung findet nicht statt.

 

Gründe

I. Die Beteiligte hat die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie als alleinige (gesetzliche) Erbin des Erblassers ausweist. Diesen Erbscheinsantrag hat die Rechtspflegerin des AG Ahrensburg mit Beschluss vom 28.6.2010 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die am 1.7.2010 bei dem AG eingereichte Beschwerde der Beteiligten.

Der Erblasser ist ausweislich der vorgelegten Sterbeurkunde und auch ausweislich einer am 9.3.1946 vom Landrat des Kreises Bad Oldesloe ausgestellten "Kennkarte" für das Deutsche Reich am ... 1929 in E, Kreis ..., Ostpreußen geboren. Er ist am ... in B verstorben. Der Erblasser war ledig und hatte keine Kinder.

Die 1913 in W./Ostpreußen geborene Beteiligte macht geltend, der Erblasser sei ihr Neffe und sie sei aufgrund gesetzlicher Erbfolge Alleinerbin des Erblassers geworden. Die Mutter des Erblassers, Frau A - 1910 in W/Ostpreußen geboren und 1996 gestorben - sei ihre Schwester. Gemeinsame Eltern und damit Großeltern mütterlicherseits des Erblassers seien der 1862 geborene und 1945 gestorbene C und die 1875 geborene sowie 1965 verstorbene D. Frau A, die Mutter des Erblassers, sei ihrerseits verheiratet gewesen mit B, der 1893 in K/Ostpreußen geboren sei und vorverstorben sei.

Die Beteiligte hat zu ihren eigenen persönlichen Daten und ihrer Abstammung von den genannten Eltern die Übersetzung einer polnischen Urkunde vorgelegt, zudem einen Auszug aus ihren Familienstammbuch.

Sie hat des Weiteren die Sterbeurkunde des Vaters des Erblassers B - dieser ist am 20.4.1983 verstorben - vorgelegt und ebenso eine Kopie der Sterbeurkunde der Mutter des Erblassers. Sie hat schließlich Fotografien der Grabsteine der Eltern und der - nach ihrer Darstellung - Großeltern des Erblassers mütterlicherseits, also ihrer eigenen Eltern, zur Akte gereicht.

Im weiteren Verlauf des Verfahrens erster Instanz hat die Beteiligte verschiedene Unterlagen von deutschen und polnischen Stellen vorgelegt, wonach weitere Urkunden über die Verhältnisse der beteiligten Personen nicht mehr vorhanden bzw. im Zusammenhang mit dem Ende des Deutschen Reiches und dem Untergang Ostpreußens verloren gegangen sind.

In der notariellen Urkunde des Notars W vom 25.3.2010, in der sie ihren Erbscheinsantrag wiederholt, hat die Beteiligte angegeben, der Erblasser sei ledig und kinderlos gewesen. Seine Eltern, nämlich ihre Schwester A und deren Mann B seien beide vorverstorben, das gelte auch für die Großeltern des Erblassers mütterlicherseits C und D, die auch ihre Großeltern (richtig offensichtlich: Ihre Eltern) seien. Weitere Abkömmlinge der Großeltern mütterlicherseits seien nach ihrer Kenntnis nicht vorhanden. Über Namen und Todestage der Großeltern väterlicherseits vermöge sie keine Angaben zu machen, ihr sei nur bekannt, dass von dieser Linie niemand mehr existiere, also auch keine Abkömmlinge. Andere Personen, durch welche sie von der Erbfolge ausgeschlossen oder durch die ihr Erbteil gemindert werden würde, seien nicht vorhanden.

Die Beteiligte hat im Laufe des Verfahrens erster Instanz zudem eidesstattliche Versicherungen vom 7.6.2010 ihres Sohnes E und dessen Frau F vorgelegt. Darin werden die Angaben der Erblasserin bestätigt.

Das AG hat den Erbscheinsantrag durch Beschluss der Rechtspflegerin vom 28.6.2010 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es wie folgt ausgeführt:

Der Erblasser habe keine letztwillige Verfügung hinterlassen, so dass gesetzliche Erbfolge eintrete. Er sei ledig und kinderlos gewesen und seine Eltern seien vorverstorben, sie hätten außer ihm keine Abkömmlinge gehabt. Somit kämen die Großeltern und deren Abköm...

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